| # taz.de -- Tagebuch aus Kasachstan: Etwas besseres als Almaty finden sie fast … | |
| > Unser Autor fragt sich, warum junge Kasachen gegen die Ukraine kämpfen, | |
| > obwohl Strafen drohen. Es zeigt sich: Sogar die Aussicht auf Haft | |
| > motiviert. | |
| Bild: Kooperation und Stärke: Am 9. Mai 2025 demonstrierten auch Streitkräfte… | |
| Wer aus [1][Kasachstan] für Russland an die Front zieht, um gegen die | |
| Ukraine zu kämpfen, erhält vom Kreml zwar einen Lohn, muss jedoch in seiner | |
| Heimat mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zwölf Jahren rechnen. Bereits | |
| vor der [2][russischen Invasion 2022] wurden Kasachen, die sich aufseiten | |
| der prorussischen Kräfte in den besetzten Gebieten Donezk und Luhansk an | |
| Kampfhandlungen beteiligt hatten, nach ihrer Rückkehr verurteilt. | |
| Nach Angaben des staatlichen ukrainischen Projekts [3][„Ich will leben“] | |
| sind es derzeit mehr als 1.000 Kasachen, die auf russischer Seite kämpfen. | |
| Diese Praxis wird bis heute fortgeführt, denn die Teilnahme von | |
| kasachischen Staatsbürgern an bewaffneten Konflikten im Ausland ist | |
| weiterhin strafbar. | |
| Ich frage mich, was meine Landsleute dazu bewegt, an Kriegen teilzunehmen, | |
| die nicht die ihren sind. Was genau motiviert sie, ihre Heimat zu | |
| verlassen, um für ein fremdes Land in den Krieg zu ziehen? Geld? Ideologie? | |
| Propaganda? | |
| In der ukrainischen Aktivistendatenbank „[4][Myrotvorets]“ fand ich etwa | |
| 150 bis 200 Namen kasachischer Staatsbürger. Es war jedoch schwierig, | |
| Personen zu finden, die bereit waren, über ihre Beweggründe zu sprechen. | |
| Einige fürchteten sich vor Verfolgung durch den Nationalen | |
| Sicherheitsdienst Kasachstans, andere schickten mir statt einer normalen | |
| Antwort Drohungen, weil ich sie angefragt hatte, und wiederum andere gelten | |
| bereits als tot. | |
| ## Die Motive der Söldner | |
| Doch von den Menschen, die mir bereitwillig ihre Geschichten erzählten, | |
| erfahre ich, dass sie im Grunde ein ähnliches Schicksal haben: In ihrer | |
| Heimat Kasachstan hatten sie nämlich ein Leben im Überlebensmodus führen | |
| müssen – frisch aus dem [5][Gefängnis] entlassen und arbeitslos verbrachten | |
| sie ihre Tage vor dem Fernseher. Die einen erzählten mir, sie hätten den | |
| „russischen Brüdern“ helfen wollen, andere sahen darin die Chance, ihren | |
| Traum zu verwirklichen, in einem Krieg einmal etwas „Nützliches“ zu tun. | |
| Und wieder andere sahen darin vor allem eines: die Chance, viel Geld zu | |
| verdienen. | |
| Vor dem Angriffskrieg bekamen die kasachischen Soldaten bis zu 50.000 | |
| russische Rubel pro Monat. Seit 2022 wird für die Teilnahme am Krieg ein | |
| Vielfaches gezahlt: etwa 200.000 bis 300.000 Rubel pro Monat. Die | |
| einmaligen Zahlungen für den Vertragsabschluss können sogar mehrere | |
| Millionen Rubel betragen. | |
| Wenn sie von der Front zurückkommen – und noch am Leben sind! – dann müss… | |
| sie sich einen russischen Pass organisieren. Und um eine Haftstrafe in | |
| Kasachstan zu vermeiden, ziehen die meisten nach Russland um. Doch auch | |
| wenn sie in Kasachstan bleiben, müssen nicht alle mit einer strengen Justiz | |
| rechnen. Es sind Fälle bekannt, in denen durch gute Kontakte und Bestechung | |
| ein Gefängnisaufenthalt vermieden werden konnte. | |
| In den vergangenen drei Jahren sind in kasachischen Medien jedoch erneut | |
| Nachrichten aufgetaucht, dass Soldaten zu Haftstrafen verurteilt wurden, | |
| die auf der Seite Russlands in der Ukraine gekämpft hatten und | |
| zurückgekehrt waren. Allein nach offiziellen Angaben untersuchen die | |
| kasachischen Ermittlungsbehörden mehr als 70 Strafsachen wegen „Beteiligung | |
| an ausländischen militärischen Konflikten“. | |
| Sogar dann kann das Kalkül der kasachischen Söldner aufgehen. Eine Aussage | |
| eines Kämpfers empfand ich als besonders hart: „Ich wurde an der Front | |
| verwundet, kam nach Kasachstan zurück und habe meine Strafe verbüßt. Jetzt | |
| bin ich wieder auf freiem Fuß.“ | |
| [6][Nikita Danilin], Jahrgang 1996, ist ein Journalist aus Almaty | |
| (Kasachstan). Er war Teilnehmer eines [7][Osteuropa-Workshops der taz | |
| Panter Stiftung]. | |
| Aus dem Russischen von [8][Tigran Petrosyan]. | |
| Durch [9][Spenden an die taz Panter Stiftung] werden unabhängige und | |
| kritische Journalist:innen vor Ort und im Exil im Rahmen des Projekts | |
| „Tagebuch Krieg und Frieden“ finanziell unterstützt. | |
| 24 Oct 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Tagebuch-aus-Kasachstan/!6110749 | |
| [2] /Schwerpunkt-Krieg-in-der-Ukraine/!t5008150 | |
| [3] /Meduza-Auswahl-21---27-August/!6109516 | |
| [4] https://myrotvorets.center/ | |
| [5] /Hungersnot-im-Knast/!1566539/ | |
| [6] /Nikita-Danilin/!a144060/ | |
| [7] /taz-Panter-Stiftung/!v=e4eb8635-98d1-4a5d-b035-a82efb835967/ | |
| [8] /Tigran-Petrosyan/!a22524/ | |
| [9] /Panter-Stiftung/Spenden/!v=95da8ffb-144e-4a3b-9701-e9efc5512444/ | |
| ## AUTOREN | |
| Nikita Danilin | |
| ## TAGS | |
| Kolumne Krieg und Frieden | |
| taz Panter Stiftung | |
| Kasachstan | |
| Schwerpunkt Krieg in der Ukraine | |
| Russland | |
| Krieg | |
| Militär | |
| Gefängnis | |
| Soldat | |
| Social-Auswahl | |
| Kolumne Krieg und Frieden | |
| Kolumne Krieg und Frieden | |
| Kolumne Krieg und Frieden | |
| Kolumne Krieg und Frieden | |
| Kolumne Krieg und Frieden | |
| Kolumne Krieg und Frieden | |
| Kolumne Krieg und Frieden | |
| Kolumne Krieg und Frieden | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Tagebuch aus Kirgistan: Wie schnell ein Land absteigen kann | |
| Kirgistan galt lange Zeit als einer der freiesten Staaten Zentralasiens. | |
| Doch nun werden Journalisten verfolgt. Meist hängt es mit Russland | |
| zusammen. | |
| Tagebuch aus der Ukraine: Ukrainer, die nach Westen gehen | |
| Gerade junge Menschen haben Angst vor ihrer Einberufung. Schon Schüler | |
| suchen ihr Glück, indem sie ihr Land verlassen und in die EU einreisen. | |
| Tagebuch aus Estland: Wie sich die Gefahren zeigen, die im Exil drohen | |
| Unsere Autorin lebt in Tallinn. Dass sich in ihrer russischen Heimat die | |
| extreme Rechte formiert, kann sie nicht verdrängen. Die Drohung ist | |
| präsent. | |
| Tagebuch aus Berlin: Vom Dating in Zeiten, in denen so vieles nicht mehr egal i… | |
| Unsere Autorin stammt aus Minsk, lebt in Berlin und zieht nach Vilnius. | |
| Über Dating-Apps sucht sie Freunde. Doch leicht ist das nicht. | |
| Tagebuch aus Georgien: Einmal Tiflis, nicht zurück, auch nicht woanders hin | |
| Unsere Autorin lebt im georgischen Batumi. Zurück nach Belarus kann sie | |
| nicht. Und aus ihrem Exilland mag sie nicht wegfahren. Denn sie lebt | |
| illegal. | |
| Tagebuch aus Moldau: Schwul in Chișinău | |
| Homophobie gehört sowohl zum sowjetischen Erbe in der Republik Moldau als | |
| auch zur religiösen Gegenwart. Und sie ist ein Teil von Moskaus | |
| Kulturkampf. | |
| Tagebuch aus der Ukraine: Bauen für eine bessere Zeit in besseren Häusern | |
| In Odessa entstehen viele Häuser. Teils, weil der Krieg viel Wohnraum | |
| zerstört hat. Teils aber auch, weil Bauen die Menschen wieder | |
| zusammenbringt. | |
| Tagebuch aus Georgien: Liebe in Zeiten der Revolution | |
| Wie kann eine Beziehung halten, wenn es gerade um die Zukunft geht? In | |
| Tbilisi formiert sich die Opposition – und hofft auf gute Zeiten für alle. |