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# taz.de -- Tagebuch aus Moldau: Schwul in Chișinău
> Homophobie gehört sowohl zum sowjetischen Erbe in der Republik Moldau als
> auch zur religiösen Gegenwart. Und sie ist ein Teil von Moskaus
> Kulturkampf.
Bild: Wo EU und Nato als Ausdruck eines schwulen Europas gelten: Demonstrantin …
Franz sagt: „Ich möchte einfach nur diesem Umfeld entkommen.“ Franz ist
jung. Und schwul. Seine Heimat [1][Moldau] hatte er schon einmal verlassen.
Doch nur kurz. Im Nachbarland [2][Rumänien] konnte er kein Arbeitsvisum
bekommen. Nun ist er wieder zurück. „Das ist der Pädophile!“, rufen sie,
„Schwuchtel", nennen sie ihn. „Lass uns die Jungs holen und ihn
verprügeln!“ Die Schulkinder rennen hinter ihm her.
„Jeden Tag bin ich nervös, weil ich das Gefühl habe, dass meine Tage
gezählt sind“, sagt Franz. Er ist [3][Social-Media-Influencer]. Ich folge
ihm seit zwei Jahren auf Instagram und TikTok, und es fällt mir zunehmend
schwerer, nur Beobachterin zu bleiben. Er wird wegen seiner langen Haare
schikaniert, wegen der Röcke, die er trägt, oder wegen des Make-ups, das er
auflegt. In seinen Kanälen veröffentlicht er immer wieder die
Morddrohungen, die er erhält.
Ende vergangenen Jahres haben ihn drei Männer zusammengeschlagen, ganz nahe
seines Wohnhauses. Franz hat den Angriff telefonisch gemeldet, der Polizist
sagte ihm: „Die Rettung eines Ertrinkenden liegt in den Händen des
Ertrinkenden selbst.“ Der Polizist warf Franz vor, die Angreifer nicht
verfolgt zu haben. Ein anderer junger Polizist schrieb ihm von seinem
privaten Account aus einen Kommentar: „Wenn ich dich sehe, schlage ich dir
ins Gesicht.“
[4][Homophobie in der Republik Moldau] hat ihre Wurzeln in der sowjetischen
Vergangenheit. Da stand Homosexualität unter Strafe. Später wurde der Hass
auf alles Queere durch den Einfluss der orthodoxen Kirche verstärkt. Nach
dem Zusammenbruch der UdSSR wurde die Kirche in der moldauischen
Gesellschaft noch einflussreicher.
## Kirche und Kreml im Kulturkampf
Die [5][Metropole in Moldau], die der [6][russisch-orthodoxen Kirche]
untersteht, sieht in der LGBTQ+-Gemeinschaft eine Bedrohung der
„christlichen und traditionellen Werte“. Weiter angeheizt wurde die
Homophobie in den vergangenen Jahren durch pro-russische Politiker,
insbesondere im Wahlkampf. Sie stellen die queere Community als „inneren
Feind“ Moldaus dar. Sie treten mit dem Versprechen an, „LGBT-Propaganda“ …
verbieten, sobald sie an die Macht kommen.
Bei den letzten [7][Parlamentswahlen am 28. September 2025] hat die
Mehrheit der Bevölkerung für eine pro-europäische Zukunft gestimmt, also
für die Regierung. Zum Glück. Aber die Homophobie ist nach wie vor
vorhanden.
Der [8][Kreml] führt seinen Kulturkrieg in Moldau weiter. Moskau möchte den
europäischen Kurs des Landes torpedieren. Es will das Land in seiner
Einflusszone halten. „Das soll zur neuen Norm in der EU werden – dieses
Europa voller gottloser Ideologien“, schreibt einer der Hass-Kommentatoren
auf Franz' Social-Media-Seite. Solche Postings sind eine direkte Folge der
russischen Propaganda, die in letzter Zeit immer beharrlicher westliche
Werte mit der LGBTQI+-Gemeinschaft in Verbindung bringt, ja, sie
gleichsetzt.
Die proeuropäische Regierung der Staatspräsidentin [9][Maia Sandu] wurde
mit der Hoffnung auf einen echten Wandel erneut gewählt. Jetzt muss sie
handeln. Demokratie bedeutet, alle Menschen zu schützen, auch Queere, auch
Franz. Wer sich wegduckt oder die Schuld allein dem Kreml und der
prorussischen Opposition zuschiebt, verrät diese Hoffnung.
[10][Daniela Calmîş] ist eine unabhängige Journalistin aus der Republik
Moldau. Sie ist Teilnehmerin des [11][Osteuropa-Workshops der taz Panter
Stiftung].
Aus dem Russischen von [12][Tigran Petrosyan].
Durch Spenden an die [13][taz Panter Stiftung] werden unabhängige und
kritische Journalist:innen vor Ort und im Exil im Rahmen des Projekts
„Tagebuch Krieg und Frieden“ finanziell unterstützt.
17 Oct 2025
## LINKS
[1] /Republik-Moldau/!t5023224
[2] /LGBTQ-in-Rumaenien/!5793871
[3] /Influencer/!t5392901
[4] /Kommentar-Homophoben-Kongress/!5535927
[5] /Wahlen-in-Moldau/!6109974
[6] /Russisch-Orthodoxe-Kirche/!t5009132
[7] /Wahlen-in-Moldau-/!6116188
[8] /Homophobie-in-Russland/!5772531
[9] /Maia-Sandu/!t6046685
[10] /Daniela-Calm/!a120608/
[11] /Osteuropa-Workshops/!vn6047722/
[12] /Tigran-Petrosyan/!a22524/
[13] /Panter-Stiftung/Spenden/!v=95da8ffb-144e-4a3b-9701-e9efc5512444/
## AUTOREN
Daniela Calmîș
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