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# taz.de -- Zukunft der Mobilität: Autopolitik auf Abwegen
> Auch die Ministerpräsident:innen sprechen sich jetzt gegen das
> EU-Verbot für neue Verbrenner aus. Das hat Folgen für die Branche.
Bild: Gruppenbild mit Männern: Jahreskonferenz der Ministerpräsident:innen En…
Wie es mit der Autoindustrie weitergehe, das sei bei vielen Menschen
Gesprächsthema Nummer eins, sagt Luigi Pantisano. Er ist in der Nähe von
Stuttgart geboren, seit diesem Jahr ist er mobilitätspolitischer Sprecher
der Linken im Bundestag. Lange trieb die Autoindustrie im Autoland
Baden-Württemberg zuverlässig den Wohlstand an. Doch die Branche kriselt –
in ganz Deutschland.
Wie sie aus der Krise wieder herauskommt? Darauf haben konservative Kräfte
wie CDU-Kanzler Friedrich Merz oder der Verband der Automobilindustrie
(VDA) eine [1][einfache Antwort: Das EU-weite Verkaufsverbot für Neuwagen]
mit Verbrennermotor soll weg – ab 2035. Zumindest soll es aufgeweicht
werden. Seit vergangener Woche sehen das auch die
Ministerpräsident:innen der Bundesländer so.
Bei ihrer Jahreskonferenz fassten sie einen erstaunlich detaillierten
Beschluss zur Stärkung der Automobil- und Zuliefererindustrie. Die
Bundesregierung solle, so steht es da, die „Zukunft des Verbrennungsmotors
langfristig auf europäischer und nationaler Ebene sichern“. Und zwar durch
„regulatorische Maßnahmen in Bezug auf klimafreundliche und CO2-arme
Kraftstoffe wie auch Wasserstoff“.
Jens Hilgenberg, Leiter Verkehrspolitik beim Bund für Umwelt und
Naturschutz Deutschland (BUND), sagt: „Dieser Beschluss hat mich
überrascht.“ Die Bundesregierung ringe noch darum, ob sie die
EU-Flottenregulierung überhaupt infrage stellen will. Jetzt hätten die
Landeschef:innen mit viel Aufwand und Detailtiefe dargelegt, wie die
gültigen Flottengrenzwerte ihrer Meinung nach aufgeweicht werden sollten –
und nicht ob.
## Zweigleisigkeit gehe schief
Die EU-Flottengrenzwerte halten die Autobauer zur schrittweisen Reduktion
des klimaschädlichen CO2 an, das von ihnen verkaufte Neuwagen im
Durchschnitt ausstoßen. Und eigentlich dienen die Regeln der Branche als
„Leitplanken“ für die Transformation hin zur Elektromobilität, schreibt d…
Bundesumweltministerium.
Die Transformation wiederum haben gerade deutsche Marken viel zu spät
eingeleitet. Jetzt ist die [2][Konkurrenz besonders aus China] groß. Der
chinesische Markt war lange Erfolgsgarant für deutsche Autobauer – seit
2022 aber sind die deutschen Exporte nach China um 70 Prozent abgesackt.
US-Präsident Donald Trump erschwerte mit hohen Zöllen den Export in die
USA, auch in der EU ist die Nachfrage niedriger als vor der Coronapandemie.
Frank Schwope, Lehrbeauftragter für Automotive Management an der
Fachhochschule des Mittelstands in Köln sagt: „Wenn die deutschen
Hersteller weiter Verbrenner verkaufen würden, hätten sie vielleicht
kurzfristig höhere Gewinne.“ Das lasse sich aber über die nächsten
Jahrzehnte nicht durchhalten. Hersteller und Kund:innen bräuchten
Planungssicherheit, gerade aber arbeiteten die Hersteller mit daran,
Unsicherheit zu verbreiten.
„Bei Mercedes herrscht eine gewisse Orientierungslosigkeit, jetzt erhofft
sich das Management ein Revival vom Verbrenner“, meint Schwope. Mercedes
wollte noch vor ein paar Jahren „electric only“, das habe der Konzern
inzwischen widerrufen. Zweigleisig zu fahren, also Verbrenner
weiterzuentwickeln und gleichzeitig die Umstellung auf E-Autos weiter zu
verfolgen, bedeute, dass die Investitionen geteilt werden müssen. „Dann
fehlen Investitionen für die Elektromobilität.“
Darauf deuten auch die neuesten Branchenzahlen hin. VW rutschte zum
Beispiel zwischen Juli und September in die roten Zahlen, unter anderem
weil die [3][Luxustochter Porsche] ihre Verkaufsstrategie änderte und
wieder mehr Verbrenner verkaufen will. Gleichzeitig stiegen im gesamten
VW-Konzern die E-Auto-Verkäufe europaweit um ein Drittel an.
## Autobauer zu Mobilitätsfirmen
Auch Jens Hilgenberg ist überzeugt: „Wenn die EU-Regeln aufgeweicht werden,
sehen viele Aktionär:innen wahrscheinlich nicht mehr die Notwendigkeit,
verstärkt in E-Mobilität zu investieren.“ Auf dem Weltmarkt für E-Fahrzeuge
könnten europäische Autobauer aber nur dann bestehen und den Rückstand
aufholen, den sie in einigen Bereichen haben, wenn sie massiv in
E-Mobilität investierten.
Umschulungen könnten Arbeitsplätze sichern, sagt Hilgenberg auf die Frage,
wie man aus der Krise kommt. In nachhaltiger Batterieforschung und
-produktion könnten sogar neue Jobs entstehen. Leasing- oder Kaufbeihilfen
nach sozialen Kriterin und speziell für in Europa produzierte, kleine
E-Autos könnten die Absätze der hiesigen Hersteller anschieben.
Linken-Politiker Pantisano schlägt vor, Carsharinganbieter und
Pflegedienste staatlich bei der Umstellung auf E-Mobilität zu unterstützen.
Autobauer sollten zu Mobilitätsfirmen werden, Busse und Schienenfahrzeuge
produzieren, Gewinneinbußen solle der Staat abpuffern. „So können die
Autobauer zum aktiven Motor der klimafreundlichen Mobilitätswende werden.“
31 Oct 2025
## LINKS
[1] /Deutsche-Wirtschaftskrise-haelt-an/!6115544
[2] /Autoindustrie-bedroht-aus-China/!6108148
[3] /Porsche-Chef-muss-gehen/!6121347
## AUTOREN
Nanja Boenisch
## TAGS
Automobilbranche
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Schwerpunkt Klimawandel
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