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# taz.de -- Neuer Pumuckl-Film: Lob des Ungehorsams
> Nicht folgsam, nicht fleißig: Seit Jahrzehnten widersetzt sich Kobold
> Pumuckl einer Ordnung, deren Wert allein im Gehorchen liegt.
Bild: Das Besondere an den Geschichten des Kobolds beruht auf etwas Zeitlosem, …
Sichtbar ist er nur selten, gegenwärtig aber seit Generationen: Mehr als
sechs Jahrzehnte lang begleitet der Kobold mit den feuerroten Haaren nun
schon die Kindheit immer neuer Zuschauerinnen und Zuschauer. Damit gehört
[1][Pumuckl] zu den langlebigsten Figuren des deutschsprachigen
Kinderuniversums – und es ist erstaunlich, wie wenig Patina sich im Laufe
der Zeit über dieses Wesen gelegt hat.
Über ein halbes Jahrhundert voll technischem und gesellschaftlichem Wandel
hätten Pumuckl eigentlich zum Relikt werden lassen können. Doch nicht nur
die neuaufgelegte Serie mit [2][Florian Brückner] in der Rolle des neuen
Meister Eders, auch der mittlerweile vierte Kinofilm um Ellis Kauts
Kultfigur – [3][„Pumuckl und das große Missverständnis“] (2025) –, de…
des Monats anläuft, zeigt noch einmal, dass das Konzept nichts von seinem
Charme eingebüßt hat.
Matthias Pacht und Korbinian Dufter, die schon bei „Neue Geschichten vom
Pumuckl“ (2023) als federführende Autoren in Erscheinung getreten sind,
können im neuen Familienfilm mit einer gewissen Nostalgie spielen: Die alte
Schreinerwerkstatt, in der Meister Eder und sein Pumuckl leben, wurde zwar
bereits 1985 abgerissen, aber für die Neuauflage originalgetreu nachgebaut.
Die behütete Hinterhofwelt im Münchner Stadtteil Lehel, in der Meister Eder
und sein nur für ihn sichtbarer Kobold seit jeher zu Hause sind, beschwört
ein Milieu herauf, das es in dieser Form nahezu nicht mehr gibt: kleine
Handwerksbetriebe, nachbarschaftliche Verbindlichkeiten und ein
überschaubarer Kosmos, in dem jeder jeden kennt – und wenn schon nicht ins
Herz schließt, dann doch zumindest gelten lässt.
## Mit Friends und Hobelbank
Florian Eder, der Neffe des ursprünglichen Schreinermeisters, führt diese
Tradition unbeirrbar analog weiter, ohne Handy in der Schürzentasche, dafür
mit Hobelbank und einem kleinen Freundeskreis, der seine Schrullen – vor
allem das Gerede vom eigenen „Hausgeist“ – mit wohlwollender Geduld
hinnimmt. Pumuckl zeigt sich genauso unbeeindruckt vom Sog der Bildschirme
und digitalen Ablenkungen: Er dichtet weiter seine schiefen Reime und
spielt Streiche, als sei die Zeit stehen geblieben.
Im neuen Film führt die Handlung zwar hinaus aus dem Lehel, als der Kobold
auf eine herrenlose Schildkröte („Schildegard“) stößt. Die Bilder erinne…
in ihrer Stimmung dennoch an vergangene Tage. Nicht nur dankt die
Tierbesitzerin Florian Eder, indem sie ihm ihren alten [4][Mercedes
Strich-Acht] überlässt. Zugleich erreicht ihn ein Brief seiner früheren
Ausbilderin Burgi (Ilse Neubauer, in der Originalserie als „Frau
Stürzlinger“ zu sehen), die ihn für ein antiquarisches Projekt benötigt.
So führen Auftrag und Auto zu einer kleinen Reise in einen idyllischen
Alpenvorort. Dort versucht Eder gemeinsam mit seinen einstigen Kollegen ein
altes Maibaumkarussell wieder in Gang zu setzen, während Pumuckl über den
Baumstamm selbst wacht – der darf nach bayrischer Tradition kurz vor dem
Maifest von Nachbardörfern entwendet werden und muss anschließend mit Bier
ausgelöst werden.
In dieser Verweigerung gegenüber dem digitalen Rauschen liegt sicherlich
ein Teil des Reizes, der von der Neuauflage ausgeht.
## Warum Pumuckl noch immer aktuell ist
Was Pumuckl auch im Heute so interessant macht, ist aber nicht die
ornamentale Faszination für das Gestern, das sich unter der Regie von
Marcus H. Rosenmüller geschickt mit der Gegenwart verschränkt. Das
Besondere an den Geschichten des kleinen Kobolds beruht auf etwas
Zeitlosem, ist in der Figur selbst angelegt – und unterscheidet Pumuckl
radikal von braven Kindheitshelden wie „Benjamin Blümchen“ oder „Wickie�…
aber auch von aktuelleren Figuren, wie der „Paw Patrol“.
Pumuckl verdankt seine Lebendigkeit nicht der glattgebügelten
Vorbildhaftigkeit anderer Helden, sondern dem lustvollen Widerstand gegen
Ordnung und Anpassung. Es ist die eigensinnige Weigerung, sich den Regeln
des Funktionierens zu beugen, nur weil es Regeln sind, die den Kobold so
unverwechselbar macht: Das Stören, das Widersprechen, das Nachhaken. Wohl
kaum eine andere Kinderfigur dürfte so oft nach dem „Warum“ fragen, wie der
Pumuckl.
Er grenzt sich von Anfang an ab von jenen fleißigen Helferwesen, die in der
deutschen Tradition allgegenwärtig sind, von den Heinzelmännchen und
Gartenzwergen. Schon in der ersten Folge der von 1982 bis 1988 produzierten
Fernsehserie, „Spuk in der Werkstatt“ wird dieser Unterschied deutlich
gemacht: Als Pumuckl am Leimtopf klebt, so erstmals für Meister Eder (Gustl
Bayrhammer) sichtbar wird und von nun an bei ihm bleiben muss, verwechselt
der Schreiner ihn mit einem solchen guten Hausgeist.
Ein Heinzelmännchen, meint Eder, wäre ihm vielleicht sogar lieber, denn
„die tun was, die helfen“. Pumuckl springt wutentbrannt in die Höhe, stö�…
einen schrillen Schrei aus, und erklärt seinem verdutzten neuen Gefährten
sogleich, warum er alles nur das nicht sein kann: „Die arbeiten ja alle,
die werkeln und trappeln!“
## Mehr als Faulheit
Natürlich wird der Pumuckl seither immer wieder als „faul“ charakterisiert,
und auch der Humor der Koboldsgeschichten speist sich mitunter aus dem
Gegensatz zwischen seiner Abscheu gegen jede stumpfe Pflicht und seiner
übermütigen Selbstbehauptung: Er sei ein Nachfahre der Klabautermänner,
betont Pumuckl, und die hätten immerhin die Geschicke der Segelschiffe auf
den sieben Weltmeeren gelenkt, auf „Meereswellen gewellt“ und auf „Wogen
gewogt“.
Doch hinter dem wiederkehrenden Scherz um seine Abneigung gegenüber der
Arbeitsamkeit verbirgt sich mehr. Besonders deutlich wird das in den
zahlreicheren Hörspielen, die ab 1962 gesendet wurden. Als eine Nachbarin
ausgerechnet vor dem Fenster der Schreinerei einen Gartenzwerg aufstellt,
bringt er es selbst auf den Punkt: „Emsig!“ seien sie, „niederträchtig!�…
vor allem aber „untertänig!“.
Nicht das Nichtstun ist Pumuckls Programm, sondern die Weigerung, sich
einer Ordnung zu fügen, deren Wert allein im Gehorchen liegt. Jenes
bürgerliche Ideal, das Nützlichkeit zur Zierde erhebt und Fleiß zum
Schmuck, ist nicht des Kobolds Welt.
In dieser Verweigerung liegt ein Zug, der von bleibender Gültigkeit ist und
die Koboldsgeschichten bis heute so außergewöhnlich macht: Pumuckl steht
für die Missbilligung dessen, was der Philosoph und Sozialpsychologe Erich
Fromm als das „autoritäre Gewissen“ beschrieben hat: „Die internalisierte
Stimme einer Autorität, die wir zufriedenstellen und keinesfalls verärgern
möchten.“
Sich ihr zu unterwerfen, nur aus Furcht vor den Konsequenzen, zieht eigene
Folgen nach sich: Wer Regeln folgt, deren Sinn er nicht hinterfragt, gibt
nicht nur seine eigene Freiheit preis, selbstständig zu urteilen. Dieser
Gehorsam ist es auch, der blind macht gegenüber Unrecht und
Machtmissbrauch, und damit den Boden für Unterdrückung und Unheil bereitet.
Anders ausgedrückt: Gefährlicher als der Wille des einzelnen Tyrannen, ist
die Bereitschaft der vielen, ihm zu folgen.
## Ungehorsam, Ungehorsam, Ungehorsam
Das Mittel dagegen: Ungehorsam. Wenn Meister Eder etwas von ihm verlangt
oder verbietet, lässt sich der Kobold mit einem bloßen „Das gehört sich so…
nicht abspeisen. Er fordert eine Begründung, verlangt Erklärungen, und
stellt so eine vermeintlich selbstverständliche Autorität infrage.
Pumuckls anarchischer Eigensinn ist dabei eher produktiv als zerstörerisch.
Nicht nur, weil er auch die eingefahrenen Routinen des Meister Eder
aufbricht und so Abwechslung in den grauen Alltag bringt, sondern auch,
weil der Kobold trotz alledem ein intuitives Gespür für das menschlich
Richtige – Fromm spricht vom „humanitären Gewissen“ – besitzt.
Pumuckl mag widerspenstig sein, mit seinem Trotz mitunter für Chaos sorgen,
nie aber hat er Böses im Sinn, er stellt sich letztlich doch stets auf die
Seite der Schwächeren – etwa, wenn er sich tapfer in den dunklen Wald wagt,
um nach zwei vermeintlich eingesperrten Kindern zu suchen, nachdem bei
einer Nachbarin zufällig das Märchen von „Hänsel und Gretel“ aufgeschnap…
und für bare Münze genommen hat.
Gerade in dieser Mischung aus Eigensinn und Empathie zeigt sich, warum der
Kobold mehr ist als klamaukige Kinderunterhaltung. Bei allem Schabernack
steht Pumuckl eben auch für einen kritischen Geist. Seine Vermittlung an
ein (junges) Publikum ist in Zeiten, in denen stumpfe Parolen immer öfter
unhinterfragt bleiben und sich plumper [5][Populismus] weiter zu
normalisieren droht, womöglich wertvoller denn je. Denn wo Autorität nur
hohle Phrasen kennt, ist Widerspruch bloß konsequent. Oh, das reimt sich ja
– und was sich reimt, ist gut.
29 Oct 2025
## LINKS
[1] /100-Geburtstag-von-Pumuckl-Erfinderin/!5728435
[2] https://www.instagram.com/brueckner_florian/?hl=de
[3] https://constantin.film/kino/pumuckl-und-das-grosse-missverstaendnis/
[4] https://de.wikipedia.org/wiki/Mercedes-Benz_/8
[5] /Populismus/!t5007902
## AUTOREN
Arabella Wintermayr
## TAGS
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