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# taz.de -- Diane Keaton mit 79 Jahren gestorben: Todschick, souverän, erfolgr…
> In „Annie Hall“ spielte sie eine Neurotikerin. Die Rolle blieb an ihr
> haften. Am Samstag ist die Schauspielerin und Produzentin Diane Keaton
> gestorben.
Bild: Diane Keaton in bei der Filmpremiere von „Love the Coopers“ Los Angel…
Zu Beginn des Films „Annie Hall“, der in Deutschland unter dem Titel „Der
Stadtneurotiker“ bekannt ist, erklärt Alvy, das Alter Ego von Regisseur und
Hauptdarsteller [1][Woody Allen], dem Publikum sein Dilemma. Sein Leben sei
„gefüllt mit Einsamkeit, Trauer, Schmerz und Unglück, und all das ist viel
zu schnell vorbei …“. Worum es in Wahrheit geht: „Annie und ich haben uns
getrennt – und ich kann es immer noch nicht fassen.“ Denn Annie Hall,
gespielt von Diane Keaton, passt eigentlich ziemlich gut zu Alvy: Wenn sie
kurz darauf mit den Worten „Lass mich in Ruhe, ich hab schlechte Laune,
okay?“ linkisch und zu spät aus dem Taxi stolpert, sieht man: Da haben sich
zwei Neurotiker:innen gefunden.
„Annie Hall“ war der vierte Film für die damals 31-jährige Schauspielerin,
und die Rolle des fahrigen Love Interests brachte ihr im Jahr 1978 einen
Oscar ein. Bis zum Ende ihres Lebens identifizierte man sie mit Annie –
vielleicht, weil sie auch jenseits der Kamera diese natürlich wirkende
Mischung aus Schüchternheit, Authentizität und Humor präsentierte und all
das nicht als Schwächen, sondern als Stärken nutzte.
Wann immer sie sich verdächtigte, um Zuneigung zu betteln, ein Verhalten,
das bei Frauen geradezu erwartet wurde, nahm sie sich selbst den Wind aus
den Segeln: „Wie geht es Ihnen?“, fragt etwa [2][Moderator Johnny Carson]
sie bei einem Auftritt in seiner Show 1973. „Mir geht’s gut, ich verstecke
mich hinter meinem Pony“, antwortet sie, während sie an den Haaren
herumfummelt, „ich bin glücklich, dass ich nichts sehen kann, und Gott sei
Dank sieht mich auch niemand!“ Der stets sonore Carson weiß daraufhin kurz
nicht, was er sagen soll.
Die gebürtige Kalifornierin Keaton lernte ihre Kunst mit der
„Meisner-Technik“ – eine Methode, die sich unter dem Motto „Acting is
Reacting“ stark auf das Gegenüber stützt. Sie spielte 1969 in Allens erstem
Broadway-Theaterstück „Play it again Sam“, das er drei Jahre später für …
Kino adaptierte.
Dass sie damals als „verrückt“ („kooky“) und exzentrisch galt, soll ihr
1972 die Rolle von Michael Corleones Frau Kay in [3][„Der Pate“]
eingebracht haben. Im Gegensatz zum oberflächlich kontrollierten, aber
innerlich brodelnden Mafiosi sind ihre Gefühle, Ticks und Eigenheiten
deutlich sichtbar: Ihre Gesichtsausdrücke wechseln schneller als der Wind.
Sie spielte – auch nach der Trennung – in vielen Filmen von und mit Woody
Allen, ihre Darstellung der Feministin und Schriftstellerin Louise Bryant
in Warren Beattys Biopic „Reds“ wurde 1981 für einen Oscar nominiert. Neben
dem Schauspiel produzierte und inszenierte sie eigene Filme.
Ihr Sinn für vestimentäre Aussagen war herausragend: Über die roten
Teppiche der Welt flanierte sie in todschicken, oft schwarz-weißen
Kostümen, mit Handschuhen, Hüten, Krawatten und Einstecktüchern. Niemand
ermächtigte sich so gern und so konsequent Herrenanzügen wie sie, egal ob
als knallharte Manhattan-Geschäftsfrau in [4][„Baby Boom“] oder in der
Romcom „Something’s Gotta Give“. Darin spielte sie eine erfolgreiche
Theaterautorin, die eine Beziehung mit dem egoistischen Playboy Harry (Jack
Nicholson) eingeht, der vorher stets jüngere, ihm intellektuell unterlegene
Partner:innen hatte.
Keaton, die neben Allen auch mit Warren Beatty und Al Pacino liiert war,
hatte sich bewusst gegen die Ehe entschieden, aber in ihren 50ern zwei
Kinder adoptiert. Am Samstag verstarb sie mit 79 Jahren. Ihr Vermächtnis
ist eine souveräne Autonomie [5][in der von strukturellem Sexismus
geprägten Branche]. Sie selbst hatte es 1997 in einem Interview auf den
Punkt gebracht: „Ich bin die Frau in einer Männerwelt.“
12 Oct 2025
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## AUTOREN
Jenni Zylka
## TAGS
Schauspielerin
Hollywood
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