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# taz.de -- Urlaub in Albanien: Geht so sanfter Tourismus?
> Das Dorf Theth singt das ewige Lied des Tourismus: Disneyland mit
> Lokalkolorit. Und doch hat es einen ganz besonderen Charme.
Bild: Im Tal von Theth, Albanien
Das Dorf Theth ist eine bizarre Kombination aus Einöde und Center Parc. Ich
sitze am türkis schimmernden Bach i[1][n dem albanischen Örtchen] und
versuche, den Widerspruch zusammenzubringen. Ein überwältigendes Gefühl von
Isolation und Härte liegt in diesem Ort.
Mächtige Berge riegeln das entlegene Tal ab; im Winter bleibt Theth von der
Außenwelt abgeschnitten, im Herbst ziehen Bären auf Futtersuche hinab, und
zwischenzeitlich war der Ort fast verlassen, eine Schule gibt es nicht
mehr. Hier lebte, wer von den Mächtigen nicht behelligt werden wollte,
Christ:innen zum Beispiel.
Zugleich wollen diese Gefühle partout nicht zur Gegenwart passen. Denn wenn
ich mich in Richtung Dorf umdrehe, schaue ich auf eine Vergnügungsmeile.
Gasthaus reiht sich an Gasthaus, Café an Café. Eine nie endende Schlange
Fahrzeuge schiebt sich den ganzen Tag über eine viel zu kleine Brücke.
Über mir rasen kreischende Tourist:innen die Zipline entlang, die 1.200
Meter lange Seilrutsche, in den Bars schenkt man Bier ab morgens aus. Theth
wirkt, als sei ein Ferienpark vor einen Bluescreen kopiert worden. Ein
Dorf, dessen Geschichte überschrieben wurde.
Es ist das ewige Lied des Tourismus: Disneyland mit Lokalkolorit. Und doch
hat Theth Charme. Mit seinem durchmischten Publikum gleicht es fast einem
Stadtpark. Hier urlauben Westeuropäer:innen und Osteuropäer:innen,
Einheimische, Serb:innen oder Brit:innen, Kosovar:innen oder
Russ:innen.
## Für jeden etwas
Man sieht Familienurlauber, die den ganzen Tag grillen,
Akademiker-Wandernerds und Gruppen junger Männer, die den Tag in den Bars
verbringen. In der Klassengesellschaft sind eigentlich auch Feriendörfer
durchklassifiziert. Man wirbt um eine Klientel, man spricht nicht einfach
alle zugleich an. So was schafft eigentlich nur der Strand [2][oder die
Kirmes]. Und Theth.
Der neue Ort gehört keinem mehr, aber hat für jeden etwas. Selbst die
Menschen, die uns bewirten, leben oft nicht in Theth. Sie sind
ausgewanderte Verwandte lokaler Familien, für die Saison gekommen.
Aus Griechenland oder Italien, ihre Kinder sprechen einen Mix aus
Albanisch, Englisch und der neuen Muttersprache. Andere leben in der
nächsten Großstadt und kommen nur für die Saison her. Menschen in der
strukturschwachen Region verdienen verhältnismäßig selbstbestimmt Geld.
Mehr lokale Familien sind seither ins Tal zurückgekehrt. Und
Tourist:innen reisen vielfach im Auto statt im Billigflieger an,
schlafen in Privathäusern ohne Bettenburgen, gehen viel zu Fuß.
Ist das nicht der sanfte Tourismus, von dem alle sprechen? Auch dieser
Tourismus, erinnert Theth, ist nicht gar so sanft. Und wir alle sind
gemeinsam fremd hier.
15 Oct 2025
## LINKS
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## AUTOREN
Alina Schwermer
## TAGS
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