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# taz.de -- Preisträger Deutscher Architekturpreis: Verharren im Mittelstandsp…
> Wohnungsmangel, Bodenfrage, miese Öko-Bilanz: Die hiesige Architektur
> steht vor vielen Problemen. Daran ändert der Deutsche Architekturpreis
> wenig.
Bild: Das „Franklin Village“ in Mannheim vom Architekturbüro Sauerbruch Hu…
Wollen heute Architektinnen, Architekten und ihre Aufraggeber eigentlich
mehr als renditeträchtig maximal viel Raum mit Schlitzfenstern bauen? Sie
behaupten es jedenfalls unermüdlich in Kongressen, Interviews, Online- und
Offlinejournalen und bei Preisverleihungen. Und die Politik fordert das
auch. Rhetorisch. Denn, so die Präsidentin der Bundesarchitektenkammer,
Andrea Gebhardt, bei der Verleihung des Deutschen Architekturpreises in
Berlin kürzlich unbestreitbar richtig: Dem einmal Gebauten könne man sich
nicht entziehen.
Praktisch aber erscheinen hierzulande selbst Wohnbauten in jeder Hinsicht
immer homogener, obwohl sie für Architekten eigentlich das klassische
Gebiet des Ausprobierens sind. Das mag vielleicht daran liegen, dass
bislang so viel architektonische Ödnis gefördert wird. Wie es etwa der
Berliner Senat tut, wenn er jetzt das unsägliche „Urbane Mitte“-Projekt
aus sieben Hochhäusern nur für Büros und etwas Vergnügungsindustrie am
beliebten, innerstädtischen Gleisdreieckpark genehmigt.
Dabei haben alle diejenigen, die heute in Verwaltungen und Politik Stadt
und Land planen, mindestens im Studium einmal Jane Jacobs’ 1961
erschienenen Klassiker über den Niedergang amerikanischer Innenstädte
gelesen oder [1][Aldo Rossis Aufsatz „L’Architettura della Città“ von]
1966, in dem die Stadt ein Ort der Identifikation sein sollte. Seither
weiß man doch eigentlich, dass Städte sozial, kulturell, funktional und
ästhetisch vielfältig und wie Bauten flexibel sein müssen, um sich anpassen
zu können.
Aber reicht es für die lange debattierte Bauwende, auf mehr private
Bauherren und Grundstückseigentümer zu setzen, auf materielle
Dauerhaftigkeit, einfache Konstruktionen, klare, ästhetisch letztlich an
einem idealisierten Biedermeier orientierte Formen? Das fordern die
Architekten [2][Hans Kollhoff], Ernst Böhm, [3][Vittorio Magnago
Lampugnani] und andere in dem gerade beim Wagenbach-Verlag erschienenen
Essayband „Für eine nachhaltige Architektur der Stadt“.
Ihnen dient darin die Vergangenheit als Modell der Zukunft, jeder der 16
Aufsätze ein Vergnügen. Die Diskreditierung solcher Positionen als
„konservativ“ würde zu kurz greifen. Aber sind sie wirklich nur
„realistisch“, wie sich die Autorinnen und Autoren selbst bezeichnen?
## Intimität und Gemeinschaftlichkeit
Häufig geht es in den hiesigen Architekturdebatten um eine sehr bürgerliche
Wohn- und Städtebaukultur. Das bestätigt auch der Ende September verliehene
Deutsche Architekturpreis. Seit 2011 wird die Auszeichnung alle zwei Jahre
vom Bundesbauministerium und der Bundesarchitektenkammer vergeben, ist
neben der „Nike“ des Bundes Deutscher Architekten (BDA) inzwischen die
wichtigste nationale Auszeichnung für Planungs- und Baukultur. 201 Projekte
wurden diesmal eingereicht, 10 Projekte erhielten eine der
3.000-Euro-Auszeichnungen.
Die bombastisch als „Staatspreis“ bezeichnete Auszeichnung ersten Rangs,
dotiert mit 30.0000 Euro, ging an das Berliner Büro Sauerbruch Hutton für
das „Franklin Village“ in Mannheim. Verdientermaßen. Es ist ein Intimität
und Gemeinschaftlichkeit versprechender Wohnungsbau mitten in einem
einstigen Kasernengelände. Meist angenehme drei Geschosse, große Grünhöfe,
alles in Holz gebaut, in sorgfältig detaillierter Serie. Das ist
werthaltig.
Nur Mietwohnungen gibt es, die ihre NutzerInnen nicht mit Riesenkrediten
belasten, die Grundrisse in unterschiedlichsten Formaten, davon mehr als
zehn Prozent sozial gefördert und in enger Abstimmung mit den künftigen
BewohnerInnen entwickelt. Kurz: „Beim Franklin Village“ von Sauerbruch
Hutton kommt vieles von dem zusammen, was derzeit die Baupolitik fordert.
Der umlaufende Laubengang erinnert an Michiel Brinkmans Wohnhöfe im
Rotterdamer Spangenviertel aus den 1920er Jahren. Brinkman, Vorreiter des
Neuen Bauens in den Niederlanden, hatte ihn als Raum zum Zusammenkommen
zwischen Wohnung und Öffentlichkeit gedacht. Im „Franklin Village“ hingegen
fehlt jene Dichte, die für die Lösung unserer Wohnungsnot in den Städten
gebraucht wird. Brinkmans Wohnbauten sollten Stadt sein. „Franklin Village“
hingegen musste Vorort sein – wegen der Bauregeln. Saubruch Hutton mussten
mehr einen offenen Garten als einen Wohnhof entwerfen.
## Graue Energie binden
Beim Deutschen Architekturpreis gab es harte Konkurrenz für Sauerbruch
Hutton, etwa die Aufstockung „Nordgrün“ in Karlsruhe: Das Büro Drescher
Michalski hat dort über ein einstiges Postamt vier Geschosse gestellt,
gehalten von Stahlstützen, um die alte Konstruktion nicht zu belasten.
Spart Flächen, schafft Dichte und erhält die im Altbau gebundene graue
Energie. Sieht zudem cool aus mit den kupfergrünen Winkelblechen an der
Fassade. Interessant auch, sich ein niedriges Wohnviertel der
Nachkriegszeit als städtische Bau-Ressource zu denken, schließlich gibt es
davon viele.
Die Lust, mit Holz zu bauen, scheint derzeit das Markenzeichen deutscher
Architektur zu sein, nachdem das Material ein Jahrhundert von der
Bauindustrie und dem auf Ziegel und Beton ausgerichteten Handwerk
schlechtgeredet wurde. Jetzt prägt Holz große Bürobauten. Oder Lehm und
Holz. Wie das hinreißend Tradition und moderne Technikkritik verbindende
Gartenhaus des Münchner Architekten Florian Nagler, der übrigens auch als
Autor im erwähnten Wagenbach-Band auftaucht.
Nagler wirbt seit Jahren unermüdlich mit der Kernbotschaft: Einfach
konstruieren, wenige Materialien, selbst reparieren. Nagler ist der
Albtraum aller Smart-Homies. Aber auch der nachwachsende Baustoff Holz ist
endlich, wie die Holzkrise nach dem neuerlichen Überfall Russlands auf die
Ukraine zeigte.
Marietta Schwarz, Moderatorin im Deutschlandradio, forderte bei der
Verleihung des Architekturpreises, dass Architektur „happy“ machen solle,
auch mal etwas verrückt sein dürfe, die Menschen zum Aus-sich-Herausgehen
bringen solle. Aber das tun die prämierten Bauten, immerhin gerade als
beste Architektur Deutschlands ausgezeichnet, nicht.
Sie eint eine Vorsicht, die in ganz anderer Stillage auch das
Wagenbach-Buch prägt: vor Baukosten, vor ausufernden Bauregeln, vor einem
von der Politik diktierten Mittelstandspragmatismus. Noch sehen wir keine
Antwort der Architektur auf die Wohnungs- und die Fluchtkrise, die
wachsenden Konflikte zwischen Metropolen und vernachlässigtem Land oder den
Klimawandel.
2 Oct 2025
## LINKS
[1] /Berliner-Ausstellung-zu-Aldo-Rossi/!5912447
[2] /Wiederaufbau-der-Bauakademie-in-Berlin/!5387663
[3] /Von-Ampelfrauen-und-wurfgeschosstauglichem-Bodenbelag/!5644717
## AUTOREN
Nikolaus Bernau
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