# taz.de -- Kleines Theater in Köpenick vor dem Aus: Der Hauptmann von Köpeni… | |
> Das Schlossplatztheater Köpenick gibt jährlich rund 70 Vorstellungen. | |
> Doch zum Januar wird dem kleinen Theater die komplette Förderung | |
> gestrichen. | |
Bild: Das Schloßplatztheater in Köpenick hat mal mit diesem Slogan geworben �… | |
Berlin taz | Im zweiten Stock eines alten Bürgerhauses am Schlossplatz | |
Köpenick wünscht die Kartenkontrolleurin viel Spaß. Hinter ihr liegt ein | |
Raum, der von den Maßen einem großen Wohnzimmer gleicht, in Wirklichkeit | |
aber ein Theater ist. Seit 30 Jahren gibt es das [1][Schlossplatztheater | |
Köpenick], in dem jährlich rund 60 bis 70 Vorstellungen vor bis zu 70 | |
Zuschauer*innen stattfinden. | |
An diesem Tag sind es weit weniger. Trotzdem haben einige von ihnen in | |
guter deutscher Pauschaltourist*innenmanier ihre Sitze mit Jacken | |
reserviert. Denn eine Platzzuweisung gibt es nicht und die besten Plätze | |
wollen reserviert sein, während in der liebevollen Bar im Zimmer hinter der | |
Bühne das Glas Rotwein für 2,50 Euro getrunken wird. | |
Auch einen Gong, das den Beginn der Vorstellung ankündigt, gibt es nicht. | |
Nachdem die Zuschauer*innen nach und nach Platz genommen haben, huscht | |
die Person, die eben noch die Gäste in der Bar bedient hat, durchs Publikum | |
und setzt sich in der letzten Reihe an das spärlich beleuchtete | |
Inspizientenpult. Es wird dunkel. Aus der gleichen Tür, die zur Bar führt, | |
treten die drei Schauspieler*innen auf die Bühne. Das audiovisuelle | |
[2][Live-Hörspiel „Tannöd“] nach dem gleichnamigen Roman von Andrea Maria | |
Schenkel beginnt. | |
In der etwas über eine Stunde dauernden Inszenierung nehmen die drei | |
Spieler*innen das Publikum mit auf den Hof der Denners im Jahr 1922 und | |
gehen dem Mord an der fünfköpfigen Familie und ihrer Magd nach. Mit | |
digitalen Soundflächen und analog hergestellten Alltagsgeräuschen wie dem | |
Schälen einer Kartoffel sowie einer mit Projektionen bespielten Leinwand im | |
hinteren Teil der Bühne erschaffen die Spieler*innen einen Abend, der | |
fesselt. Am Ende wird klar: Es war ein erweiterter Femizid. Der Inspizient | |
klatscht den Applaus an, weil sich niemand traut, als erste*r zu | |
applaudieren. | |
## Für kleine Theater geht es um die Existenz | |
Als der Applaus abebbt, wendet sich eine Schauspielerin ans Publikum. Denn | |
die kleine Kultureinrichtung am Rande der Stadt steht vor dem Aus: Ohne | |
Vorwarnung wurde die Förderung der Senatskulturverwaltung ab 1. Januar | |
komplett gestrichen. Während im Rahmen der Debatte um die Kulturkürzungen | |
alle auf die großen Häuser blickten, geht es für kleine Theater um die | |
Existenz. | |
Im Gegensatz zu „Tannöd“ braucht man für die Bedrohungslage des | |
Schlossplatztheaters keinen Schuldigen zu erfinden. Mit seinen Kürzungen | |
und der damit einhergehenden drohenden Schließung bedrohen CDU und SPD die | |
kulturelle Vielfalt und politische Bildung, vor allem auch junger Menschen | |
außerhalb des Stadtzentrums. Stücke wie „Queere Tiere“ und „Das Ende des | |
Kreises“ über mentale Gesundheit können künftig nicht mehr stattfinden. | |
Ebenso wie das Junge Schlossplatztheater, bei dem Jugendliche selbst auf | |
der Bühne stehen. | |
Nur wenige Meter vom Theater entfernt steht eine Statue des Schuhmachers | |
Wilhelm Voigt, der 1906 die Stadtkasse plünderte und mit dem Theaterstück | |
„Der Hauptmann von Köpenick“ Berühmtheit erlangte. Den Bürgermeister zu | |
verhaften und die Stadtkasse zu rauben, würde in diesem Fall allerdings | |
nicht helfen. Zumindest Bezirksbürgermeister Oliver Igel (SPD) setzt sich | |
dafür ein, das Theater zu retten, und appelliert an den Senat, die | |
Kürzungen zurückzunehmen. | |
5 Oct 2025 | |
## LINKS | |
[1] https://schlossplatztheater.de/ | |
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Tann%C3%B6d | |
## AUTOREN | |
Malte Schwoch | |
## TAGS | |
Theater | |
Kürzungen | |
Köpenick | |
Berliner Senat | |
Psychische Erkrankungen | |
Schwerpunkt Obdachlosigkeit in Berlin | |
Berlin-Neukölln | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Folgen von Kürzungen in Berlin: Leere Stühle, leere Kassen | |
Berlin spart massiv an der sozialen Infrastruktur. Dabei sind Ausgaben im | |
Sozialbereich eine Investition, die sich auszahlt, wie eine neue Studie | |
zeigt. | |
Wohnungslosigkeit in Berlin: Vorsorge spart Geld | |
Zum Start der Kältehilfe fordern die Wohlfahrtsverbände vom Senat mehr Geld | |
für Präventionsprojekte gegen Wohnungslosigkeit – die sei viel teurer. | |
Kürzungen im Berliner Haushalt: Bezirke bangen um die Jugend | |
Wenn Schwarz-Rot Einschnitte im nächsten Doppelhaushalt macht, trifft das | |
auch die Jüngsten. In Treptow-Köpenick und Neukölln regt sich Protest. |