# taz.de -- Wohnungslosigkeit in Berlin: Vorsorge spart Geld | |
> Zum Start der Kältehilfe fordern die Wohlfahrtsverbände vom Senat mehr | |
> Geld für Präventionsprojekte gegen Wohnungslosigkeit – die sei viel | |
> teurer. | |
Bild: Ein obdachloser Mensch wird zum Kältebus geführt (Februar 2025). Der Bu… | |
Berlin taz | Anlässlich des Starts der Kältehilfe für obdachlose Menschen | |
zum 1. Oktober fordern die Wohlfahrtsverbände vom Senat eine auskömmliche | |
Finanzierung von Präventionsprojekten. „Wohnungsverlust kostet uns | |
finanziell und gesellschaftspolitisch Unsummen“, sagte Ursula Schoen, | |
Direktorin der Diakonie Berlin-Brandenburg, am Mittwoch. Es dürfe also | |
möglichst gar nicht so weit kommen. Dennoch seien etwa die | |
Sozialberatungsstellen in allen Bezirken – niedrigschwellige Anlaufpunkte | |
für Menschen, denen der Verlust ihrer Wohnung droht – im kommenden | |
Doppelhaushalt 2026/27 von Kürzungen bedroht. | |
Dabei, so Schoen, müssten sie eigentlich ausgebaut werden, weil sie, ebenso | |
wie die fünf Beratungsstellen in freier Trägerschaft, schon jetzt völlig | |
überlastet seien. „Warum wird hier gekürzt, während Armut, Wohnungs- und | |
Obdachlosigkeit Jahr für Jahr steigt“, fragte Ursula Schoen in Richtung | |
Schwarz-Rot. | |
Der Senat hat sich zu dem Ziel des EU-Parlaments bekannt, Obdachlosigkeit | |
bis 2030 abzuschaffen. Der Trend geht jedoch in die entgegengesetzte | |
Richtung. So geht die [1][Senatsverwaltung für Soziales selbst in einer | |
Prognose] davon aus, dass sich die Zahl der vom Staat untergebrachten | |
wohnungslosen Personen in Berlin von [2][rund 54.000, die es Anfang dieses | |
Jahres waren, bis Ende 2029 auf knapp 86.000 erhöhen wird]. Dazu kommen | |
laut Schätzung noch knapp 30.000 Geflüchtete. | |
Ulrike Kostka, Direktorin der Berliner Caritas, wies darauf hin, dass | |
Wohnungsverlust zunehmend ein Problem breiterer Bevölkerungsschichten sei. | |
„In den Beratungsstellen der ambulanten Wohnungslosenhilfe kriegen wir | |
viele Anrufe aus der Mittelschicht“, sagte sie. Auch Kinder und Jugendliche | |
sind zunehmend betroffen: Schon jetzt machen sie knapp 30 Prozent der | |
untergebrachten Menschen in Berlin aus. | |
## Beratungsstellen retten Wohnraum | |
Auch Kostka warnte vor Kürzungen in der Wohnungslosenhilfe, bei den | |
Sozialberatungen, den Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen oder | |
Suchtberatungsstellen. Die Unterbringung in Obdachlosenheimen oder Hostels | |
verschlinge Unsummen, die hohen sozialen Folgekosten, etwa für Kinder, | |
seien gar nicht absehbar. Nach ihrer Darstellung können 70 bis 80 Prozent | |
der Menschen, die eine Beratungsstelle der ambulanten Wohnungslosenhilfe | |
aufsuchen, am Ende ihre Wohnung behalten. | |
Ein Erfolgsmodell sind laut Kostka auch die „67er-Hilfen“, das sind | |
persönliche Hilfen nach Paragraf 67 des Sozialgesetzbuch XII. Dabei werden | |
Menschen intensiv und über einen längeren Zeitraum bei all ihren Problemen, | |
von Schulden bis Drogen, begleitet. Nach einer Auswertung der Liga der | |
freien Wohlfahrtsverbände bringen diese Hilfen jedes Jahr 3.000 Menschen in | |
Berlin wieder in eine Wohnung. Doch diese Hilfen würden die Bezirke immer | |
seltener bewilligen, um kurzfristig Geld zu sparen, kritisierte Kostka. | |
Neben den untergebrachten wohnungslosen Menschen gibt es in Berlin nach | |
Schätzungen etwa 6.000, die auf der Straße leben. Für sie eröffnet | |
kommenden Mittwoch die [3][Kältehilfe], also eine Notunterbringung in | |
temporären Räumen. Mit „Mühe und Not“, so Schoen, habe man zunächst 726 | |
Plätze gefunden, bis November sollen es mindestens 949 Plätze sein. | |
24 Sep 2025 | |
## LINKS | |
[1] https://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/19/SchrAnfr/S19-23… | |
[2] /Berliner-Senat/!6101888 | |
[3] /Unterwegs-mit-dem-Berliner-Kaeltebus/!6068158 | |
## AUTOREN | |
Susanne Memarnia | |
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