Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Proteste gegen Kürzungen in Berlin: Umverteilung statt Konkurrenz
> Am Freitag demonstriert das Unkürzbar-Bündnis gegen den Haushaltsentwurf.
> Der Senat setzt falsche Prioritäten, kritisieren die Aktivist:innen.
Bild: Schon im vergangenen Jahr protestierten Sozialarbeiter:innen unter dem La…
Berlin taz | Kürzungen müssen nicht immer etwas Schlechtes sein. Dieser
Meinung sind zumindest die Aktivist:innen der Initiative Görli 24/7.
[1][Auf einem Mobi-Plakat im Stil des beliebten Geschenkartikelherstellers
Sheepworld] machen sie zahlreiche Vorschläge, wo der Senat den Rotstift
ansetzen könnte. „Görli-Zaun: kürzbar. Olympiabewerbung: kürzbar.
Kotti-Wache: kürzbar“ – das sind nur einige der konstruktiven
haushaltspolitischen Vorschläge der Initiative.
Mit dem Plakat rufen die Zaunbaugegner:innen zur Großdemo des
Unkürzbar-Bündnisses auf, das am Freitag vor dem Berliner Abgeordnetenhaus
gegen [2][den Entwurf des Doppelhaushalts 2026/27] protestiert. Denn trotz
Rekordsumme und aufgeweichter Schuldenbremse drohen auch in den kommenden
Jahren massive Einschnitte in der sozialen Infrastruktur.
Anstatt jedes Mal um den Fortbestand einzelner Projekte zu kämpfen, will
das Bündnis eine gesellschaftlich breite Protestbewegung gegen die
Sparpolitik werden.
## Eine Frage der Prioritäten
„Kürzungen sind kein Naturgesetz, sondern eine politische Entscheidung“,
sagt Paula Wolfhardt, Pressesprecherin des Bündnisses. Es sei auffällig,
dass im aktuellen Haushaltsentwurf vor allem in den Bereichen Kultur,
Bildung und Sozialprojekten gekürzt würde. „Wir lehnen ab, dass uns soziale
Infrastruktur als Privileg verkauft wird, auf das man in Krisenzeiten
verzichten müsse. Soziale Teilhabe ist ein Grundrecht, das uns allen
zusteht.“
Der Haushaltsentwurf stellt mit einem Volumen von jeweils über 44
Milliarden Euro pro Jahr einen Rekord auf. Doch die zahlreichen Kürzungen,
um die im letzten Doppelhaushalt erbittert gestritten worden sind, bleiben
bestehen. Verantwortlich dafür sind die stark gestiegenen verpflichtenden
Haushaltsposten für Löhne, Mieten und Sozialleistungen, die das Parlament
nicht einfach streichen kann.
Damit sinkt der finanzielle Spielraum, mit dem die schwarz-rote
Landesregierung selbst haushaltspolitische Akzente setzen kann. Daran
ändert auch die Reform der Schuldenbremse nichts, durch die Berlin in den
beiden Haushaltsjahren über 1 Milliarde Euro an zusätzlichen Schulden
aufnehmen darf.
Wo die Prioritäten beim schwarz-roten Senat liegen, wird im Görlitzer Park
deutlich. So soll das Erfolgsprojekt der Parkläufer dem Rotstift zum Opfer
fallen. Mit grünen T-Shirts ausgestattet, sorgten die freundlichen
Parkranger:innen für Frieden zwischen Besucher:innen, Dealer:innen
und Polizei. Das Projekt hatte seinen Ursprung im Görlitzer Park und wurde
berlinweit kopiert. Jetzt soll es ersatzlos gekürzt werden. 6 Millionen
Euro sollen dadurch gespart werden.
## Kein Geld für Sozialarbeit
[3][Auch sozialarbeiterische Projekte, die die Folgen der Drogenepidemie
eindämmen sollen, werden eingestampft.] So soll etwa das „Peer-Projekt“
Drogenhilfe Fixpunkt, bei dem Süchtige zusammen mit
Sozialarbeiter:innen Konsummaterialien einsammeln, nicht fortgesetzt
werden.
An den Plänen für den Bau des Zaunes um den Park, mitsamt
KI-Videoüberwachung und Flutlicht, hält der Senat jedoch fest. „Man muss
die Kürzungen im Kontext einer gesellschaftlichen Entwicklung sehen“, sagt
David Kiefer von der Anwohner:inneninitiative Wrangelkiez United,
„weg von sozialen Hilfen und hin zu Law and Order.“
Während die 1,7 Millionen Euro, mit denen der Görli-Zaun zu Buche schlägt,
haushaltspolitisch eher Peanuts sind, identifiziert eine von [4][der
finanzpolitischen Nichtregierungsorganisation Fiscal Future im September
veröffentlichte Studie] zahlreiche Prestigeprojekte mit zweifelhaftem
Nutzen.
Da wären die Countdown-Ampeln, die aus fachlicher Sicht keinen Beitrag zur
Verkehrssicherheit leisten, aber Kosten in Höhe von 50 Millionen Euro
verursachen. [5][Oder die Olympischen Spiele: Allein die Bewerbung kostet
das Land 6 Millionen Euro.] Sollte Berlin den Zuschlag bekommen, schätzt
die Finanzverwaltung die Kosten auf 16 Milliarden Euro.
## Ran an den Bund
Doch Finanzexperte Carl Mühlbach von Fiscal Future warnt davor, einzelne
Haushaltsposten gegeneinander auszuspielen: „Ich bin dafür, alles zu
finanzieren, was sinnvoll ist.“ Gerade bei der öffentlichen
Daseinsvorsorge, wie dem öffentlichen Nahverkehr und der sozialen
Infrastruktur, zahle sich jeder investierte Euro wieder aus. Es führe daher
kein Weg herum, die Einnahmen des Landes zu stärken. Viele Maßnahmen ließe
Berlin ungenutzt.
„Berlin könnte den Steuervollzug stärken“, schlägt Mühlbach vor. Jährl…
entgingen Berlin 873 Millionen Euro an nicht gezahlten Steuern,
gleichzeitig mangelt es an den Finanzämtern an Personal. Jeder zusätzliche
Betriebsprüfer bringe laut der Fiscal-Future-Studie 1,68 Millionen Euro
Mehreinnahmen. Auch simple Maßnahmen, wie die Erhöhung der
Zweitwohnsitzsteuer von 15 auf 20 Prozent, würden 10 Millionen mehr an
Einnahmen bringen.
Doch die größten Potenziale schlummern auf Bundesebene. So werden Vermögen
in Deutschland kaum besteuert. Eine Reaktivierung der Vermögensteuer könnte
dem Land Berlin Milliarden bringen, da sie vollständig den Bundesländern
zugutekommt.
„Deutschland ist eines der Länder, in denen Vermögen am wenigsten besteuert
werden“, sagt Mühlbach. Es wäre ein „Armutszeugnis für die
Landesregierung“, wenn sie sich nicht im Bundestag für eine
Wiedereinsetzung starkmachen würde. Allzu oft mache es sich die
Landesregierung zu einfach, in dem sie auf die Bundesebene verweist,
kritisiert der Finanzexperte.
9 Oct 2025
## LINKS
[1] https://goerli247.noblogs.org/
[2] /Kuerzungsplaene-in-Berlin/!6108056
[3] /Kuerzungen-bei-Drogenhilfe-in-Berlin/!6110457
[4] https://fiscalfuture.de/de/sonstiges/superreiche-gerecht-besteuern-fuer-ger…
[5] /Berliner-Olympia-Plaene-/!6094511
## AUTOREN
Jonas Wahmkow
## TAGS
Nolympia
Steuereinnahmen
Kürzungen
Austeritätspolitik
Reden wir darüber
Social-Auswahl
Görlitzer Park
Psychische Erkrankungen
Schwarz-rote Koalition in Berlin
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
## ARTIKEL ZUM THEMA
Das Kreuz mit dem Kreuz
Das aus dem Görlitzer Park gestohlene Drehkreuz ist im Landwehrkanal
aufgetaucht. Die Bezirkbürgermeisterin ist von dem Fundort nicht
überrascht.
Folgen von Kürzungen in Berlin: Leere Stühle, leere Kassen
Berlin spart massiv an der sozialen Infrastruktur. Dabei sind Ausgaben im
Sozialbereich eine Investition, die sich auszahlt, wie eine neue Studie
zeigt.
Kürzungen bei Drogenhilfe in Berlin: Metall statt Menschen
Viele Angebote zur Drogenhilfe sind kaum angelaufen, da will der Senat sie
schon wieder einstellen. An den Plänen für den Görli-Zaun halten CDU und
SPD dagegen fest.
Berliner Olympia-Pläne: Wir versus Wirtschaft
Ein Ökonom warnt vor den wirtschaftlichen Folgen des umstrittenen
Sportevents. Derweil kontert der LSB mit einer Volksinitiative für die
Bewerbung.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.