| # taz.de -- Grünen-Fraktion und Kinderarmut: Kindergrundsicherung jetzt noch m… | |
| > In der Ampel scheiterte das „größte sozialpolitische Vorhaben“ der | |
| > Grünen. Jetzt erarbeitet die Partei ein neues Konzept und setzt auf | |
| > kleinere Schritte. | |
| Bild: Muss man sich erst mal leisten können: Holzspielzeug für das Kind | |
| Berlin taz | Das Projekt Kindergrundsicherung [1][geriet für die Grünen in | |
| der Ampelzeit nicht zum großen Erfolg.] Vom „größten sozialpolitischen | |
| Vorhaben der Bundesregierung“ hatte die Partei vorab gesprochen. In der | |
| Praxis war die Sache aber komplexer als gedacht. Außerdem fehlte Geld, die | |
| Koalitionspartner waren störrisch und die zuständige Ministerin Lisa Paus | |
| griff kommunikativ mehrmals daneben. Als die Koalition im letzten Herbst | |
| zerbrach, waren nur Bruchstücke der Reform umgesetzt. | |
| In der Opposition wollen sich die Grünen ein Jahr später auf den nächsten | |
| Versuch vorbereiten. „In der drittgrößten Volkswirtschaft der Welt darf | |
| kein Kind arm aufwachsen“, heißt es in einem Beschluss, den die | |
| Bundestagsfraktion am Freitag auf einer Klausurtagung getroffen hat und der | |
| der taz vorliegt. Man stoße „einen neuen grünen Start im Kampf gegen | |
| Kinderarmut an“ und werde dafür „aufbauend auf den wichtigen Vorarbeiten | |
| zur Kindergrundsicherung“ ein Konzept erarbeiten. | |
| Einen kompletten Richtungswechsel peilen die Grünen zwar nicht an. Den | |
| Begriff „Kindergrundsicherung“ sieht das Papier aber zunächst nicht mehr | |
| vor. | |
| Von der kompletten Umsetzung auf einen Schlag nimmt die Fraktion auch | |
| Abstand. „Große Reformen gelingen auch durch kleinere Etappenziele, daher | |
| werden wir diesen Prozess schrittweise gestalten“, heißt es in dem | |
| Beschluss. | |
| ## Automatisch und gebündelt | |
| Konkret werden sechs „erste Schritte“ genannt, die größtenteils an die | |
| früheren Grünen-Pläne angelehnt sind. So soll ein „Kinderleistungscheck“ | |
| dem Problem entgegenwirken, dass viele Familien nicht wissen, dass sie | |
| Leistungen wie den Kinderzuschlag erhalten könnten. Der Check soll es | |
| Eltern ermöglichen, „digital und einfach zu überprüfen, auf welche | |
| Leistungen sie Anspruch haben“. Unter Lisa Paus war ein ähnliches Tool | |
| unter dem Schlagwort „Kindergrundsicherungscheck“ angedacht. | |
| Prinzipiell wollen die Grünen aber auch weiterhin, dass der Staat | |
| Leistungen proaktiv auszahlt. „In einem ersten Schritt“ fordern sie jetzt | |
| für das Kindergeld eine Automatisierung. „Ab der Geburt eines Kindes und | |
| dessen Registrierung im Standesamt soll ein automatisierter Prozess | |
| gestartet werden, wodurch Eltern Kindergeld ohne vorherige Beantragung für | |
| mindestens die ersten 18 Lebensjahre des Kindes überwiesen bekommen“, heißt | |
| es in dem Papier. | |
| An der Grundidee, verschiedene bestehende Leistungen zu bündeln, halten die | |
| Grünen ebenfalls fest. Während der Arbeiten an der Kindergrundsicherung | |
| hatte sich dieses Vorhaben [2][als besonders kompliziert herausgestellt.] | |
| „In einem ersten Schritt müssen die Leistungen gebündelt werden, die | |
| unmittelbar den Kindern zugutekommen“ und „den Familien insgesamt | |
| Behördengänge ersparen“. Außerdem sollten Arbeitsanreize der Eltern | |
| erhalten bleiben, schreiben die Grünen jetzt. | |
| ## Mehr Geld für die Familien | |
| Daneben fordern sie, das sogenannte soziokulturelle Existenzminimum für | |
| Kinder neu zu berechnen, [3][wie es ursprünglich auch im Koalitionsvertrag | |
| der Ampel vereinbart war.] Einfacher ausgedrückt: Die Höhe der Leistungen | |
| soll steigen. Neu hinzugekommen ist die Forderung, Alleinerziehende im | |
| Steuer- und Sozialrecht stärker zu entlasten, weil deren Kinder statistisch | |
| ein höheres Armutsrisiko haben. „Die Höhe der Entlastung von | |
| Alleinerziehenden darf nicht länger von der Einkommenshöhe abhängen“, | |
| schreibt die Fraktion in ihrem Beschluss. | |
| All diese Forderungen zielen darauf ab, dass Familien selbst mehr Geld zur | |
| Verfügung steht. In einem sechsten Punkt werden im Papier schließlich noch | |
| „Investitionen in die soziale Infrastruktur“ gefordert, speziell in | |
| Schulen. | |
| Der Schwerpunkt ist damit andersherum gesetzt als bei Karin Prien (CDU), | |
| der Nachfolgerin von Lisa Paus im Familienministerium. „Kinderarmut ist | |
| Bildungsarmut“, sagte sie zum Beispiel [4][in einem Interview mit | |
| Brigitte.] „Und die bekämpft man nicht, indem man den Eltern einfach mehr | |
| Geld zur Verfügung stellt. | |
| Kritik an diesem Ansatz äußert Grünen-Fraktionsvize Misbah Khan, die | |
| federführend am Beschluss vom Freitag gearbeitet hat. „Wer glaubt, allein | |
| mit Bildung sei das Problem gelöst, verkennt die Realität“, sagte sie der | |
| taz. „Karen Prien verkauft die Illusion, Kinder könnten sich einfach aus | |
| ihrer Armut herausbilden.“ Das blende aus, dass Kinder in Armut | |
| „strukturell benachteiligt“ seien. „Wer Armut so verharmlost, stellt sich | |
| nicht an die Seite der Kinder, sondern an die Seite derer, die wegsehen | |
| wollen“, sagte Khan. | |
| 20 Sep 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Tobias Schulze | |
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