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# taz.de -- Rechtsextreme Massendemo in London: Für die Rechten ein Erfolg, de…
> Über 110.000 Menschen folgten am Samstag in London dem
> Demonstrationsaufruf des Rechtsextremistenführers Tommy Robinson. Die
> Gegendemo blieb winzig.
Bild: Rechte Demonstranten auf Londons Westminster Bridge, die zum Parlamentsge…
London taz | Ein rot-weißes englisches Fahnenmeer, vereinzelte schottische
und walisische Fahnen und natürlich der britische Union Jack – die
[1][rechtsextreme Großkundgebung unter dem Slogan „Unite the Kingdom“] am
Samstag mitten in London machte ihrem Namen alle Ehre. 110.000 bis 150.000
Menschen drängten sich nach Polizeiangaben auf den Straßen vom Bahnhof
Waterloo über die Themse bis nach Whitehall, der Hauptstraße des
Regierungsviertels. Neben Slogans wie „Stoppt die Boote“, und „Rettet
unsere Kinder“ skandierten einige einfach „Oh Tommy Tommy“, eine Hommage …
den Veranstalter [2][Tommy Robinson], mit wirklichem Namen Stephen
Yaxley-Lennon, der bekannteste Rechtsextremist Großbritanniens.
Britische Fahnen waren erst im Sommer zum politischen Symbol in vielen
Regionen Großbritanniens geworden, um Nationalstolz und Patriotismus zu
zeigen, weit über rechtsextreme Kreise hinaus. Englandfahnen wurden aus
Fenstern gehängt, auf Verkehrsinseln und an Mauern gemalt. Das stand
vielerorts im Zusammenhang mit den Protesten vor Hotels gegen die
Unterbringung von Asylbewerbern auf Staatskosten, wogegen sich unter
anderem der 42 Jahre alte Robinson einsetzte. Seit über zwei Monaten hatte
er für die Großdemonstration am 13. September mobilisiert.
Für Robinson wurde dieser Samstag ein Erfolg, der alles bisher Gekannte
sprengt. Es war die größte rechtsextreme Massendemonstration der britischen
Geschichte, größer auch als die berüchtigten Aufmärsche der [3][„British
Union of Fascists“] in den 1930er Jahren. Und während bei früheren solchen
Aufrufen Stiefel, Fliegerjacken und kahlrasierte Köpfe dominierten, waren
viele der Leute, die jetzt extra nach London gekommen waren,
Durchschnittsmenschen aus allen Teilen des Landes, darunter auch einige
Schwarze und andere People of Colour. Einige verkleideten sich als
mittelalterliche Ritter oder Mönche. Andere kletterten mit Englandfahnen
auf Denkmäler – die Löwen am Südende der Westminster Bridge, die zum
Parlamentsgebäude führt, waren mit einem Fahnenmeer übersät.
Auffällig waren auch die Schilder mit dem Bild von [4][Charlie Kirk], der
vergangene Woche in den USA ermordete rechtsextreme Influencer, mit
Sprüchen wie „Charlie Kirk RIP“ oder „I am Charlie“ zeigten die
Demonstranten ihre Solidarität. Auch übergroße christliche Kreuze konnten
in der Menge gesichtet werden.
## „Sie schlachteten uns ab, dämonisierten uns“
Der Aufmarsch war vor allem eine Gelegenheit zur Selbstpräsentation. Tommy
Robinson, der erst vor Kurzem nach einer Haftstrafe wegen falscher Aussagen
über einen syrischen Migranten freigekommen ist, behauptete, die Politik
würde ihm den Mund verbieten. Er stilisierte sich zum Opfer politischer
Verfolgung: „Sie schlachteten uns ab, dämonisierten uns, attackierten uns
und sperrten uns ein.“ Seine Unterstützer hätten sich bisher von Wahlen
ferngehalten – jetzt gelte es, 20 Millionen anzuspornen, um die Macht über
das Land zurückzuholen.
Star der Veranstaltung war der US-amerikanische Tesla-Milliardär und
X-Besitzer [5][Elon Musk], der sich per Videolink zuschaltete. Es sei
wunderschön, britisch zu sein, behauptete der gebürtige Südafrikaner, doch
unkontrollierte Masseneinwanderung zerstöre Großbritannien. „Es besteht ein
Versagen der Regierung, unschuldige Menschen zu schützen, darunter Kinder,
die massenvergewaltigt werden“, sagte er und warnte vor Vergewaltigung,
Mord, Zerstörung des Landes und seiner Lebensweise. „Wenn der Kampf zu dir
kommt, hast du keine Wahl, ob du Gewalt wählst oder nicht – Gewalt kommt zu
dir. Entweder kämpfst du zurück oder du stirbst. Das ist, glaube ich, die
Wahrheit.“
Musk behauptete weiter, dass Briten keine freie Meinungsäußerung hätten –
eine Aussage, die erst vor kurzem Nigel Farage vor einem Ausschuss des
US-Kongresses gemacht hatte – und sprach die Ermordung Charlie Kirks direkt
an. „Es gibt so viel Gewalt in der Linken, etwa die brutale Ermordung
unseres Freundes Charlie Kirk diese Woche und wie es die Linken feierten.
Die Linke ist die Partei von Mord und der Feier von Mord.“
Auch der AfD-Politiker Petr Bystron, der kanadische Ezra Levant, der
französische rechtsextreme Politiker Éric Zemmour und Morten Messerschmidt
von der Dänischen Volkspartei betraten die Rednerbühne. Eure Feinde sind
unsere Feinde, verkündete Bystron während Zemmour von einem
Bevölkerungsaustausch in Europa warnte. „Wir werden von den vorherigen
Kolonien kolonisiert.“ Er selbst stammt aus einer Familie mit
Migrationshintergrund aus Algerien.
Die meisten den Anwesenden konnten keine einzige Rede hören, da sie weitab
der Rednerbühne standen und nicht durchkamen. Manche suchten frustriert
nach anderen Wegen, woraufhin es zu gewalttätigen Konfrontationen mit der
Polizei kam. Bierdosen, Flaschen, Metallgegenstände, Straßenabsperrungen,
Feuerwerkskörper und Pferdeäpfel flogen durch die Gegend. 26 Polizeibeamte
erlitten Verletzungen, vier davon schwer. Etwa genauso viele Personen
wurden bis zum Abend festgenommen. Die meisten Teilnehmer blieben
friedlich.
## Konfrontation mit Polizei und Linken
Einige suchten gezielt Straßenkämpfe mit dem Gegenmarsch der Gruppe
[6][„Stand Up to Racism“], der stark von Polizeidienstkräften geschützt
wurde. Normalerweise dominieren antirassistische und antifaschistische
Gegendemonstranten, wenn die britische Rechte auf die Straße geht. Diesmal
schätzte die Polizei ihre Zahl auf nur 5000. Selbst wenn die von „Stand Up
tp Racism“ angegeben 20.000 stimmen würde, wären das immer noch viel
weniger als die Anhänger Tommy Robinsons.
Dabei hatte „Stand up to Racism“ auf ihrer Webseite den 13. September zum
„Weckruf“ erklärt, nicht nur hinsichtlich der rechtsextremen Demo, sondern
auch bezüglich der Stärke der Rechtspopulistenpartei Reform UK von Nigel
Farage, die mit durchschnittlich rund 30 Prozent in den britischen
Meinungsumfragen seit Monaten weit vorne liegt. „Die antirassistische
Bewegung muss dies dringlichst beantworten: Die Mehrheit in Großbritannien
ist antirassistisch!“ hieß es. Dies müsse man beweisen, auf der Straße und
an den Wahlurnen.
Aber die Linken sind gespalten. Die bekanntesten Politiker:Innen auf
der Gegendemo waren umstrittene Linkssozialisten. Etwa die Abgeordnete
Zarah Sultana, die aus der regierenden Labour-Partei ausgetreten ist, um
mit dem parteilosen Ex-Labourchef Jeremy Corbyn eine neue Partei
aufzubauen, vor allem unter dem gemeinsamen Nenner der Gazapolitik. Oder
auch Diane Abbott, eigentlich Labours prominenteste Schwarze, die derzeit
wegen Aussagen bezüglich Juden und Jüdinnen zum zweiten Mal suspendiert
ist. Eine Einheitsfront gegen Rechtsextremismus müsste auch Labour,
Liberale, Grüne, moderate Konservative und Persönlichkeiten über den
hartlinken Rand hinaus einbeziehen.
Stunden nach der Veranstaltung konnten in und vor den Kneipen nahe den
Bahnhöfen noch lange gesellige Menschentrauben mit Englandfahnen über den
Rücken beobachtet werden, auf ein Bier vor der Rückfahrt nach einem
historischen Tag.
Noch vor 15 Jahren war Tommy Robinson eine Randerscheinung, seine „English
Defence League“ eine Ansammlung betrunkener rassistischer Hooligans, die
gerne auch mal draufschlugen und mit denen wenige tun haben wollten. Selbst
der Rechtspopulist Farage hält offiziell Abstand zu Robinson. Aber mit
Rückenwind aus den USA und indem britische Politiker quer durch alle
Parteien Zuwanderung und ihre Folgen zum Problem erklären, hat
rechtsextremes Gedankengut es tatsächlich geschafft, Teil des politischen
Gesprächs einer Gesellschaft zu werden, die sich bisher als tolerant und
weltoffen definiert hat. Aufrufe zum Kampf in Anwesenheit von über 100.000
Überzeugten mitten in London sind kein Randphänomen mehr.
14 Sep 2025
## LINKS
[1] https://www.youtube.com/watch?v=o9YFvMDehJU
[2] /Rechtsextremer-Brite-Tommy-Robinson/!6025164
[3] https://en.wikipedia.org/wiki/British_Union_of_Fascists
[4] /Politische-Gewalt-in-den-USA/!6113309
[5] /Radikalisierung-von-Elon-Musk/!6026915
[6] https://standuptoracism.org.uk/
## AUTOREN
Daniel Zylbersztajn-Lewandowski
## TAGS
Rechtsextremismus
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