# taz.de -- Die ersten Wahlen in Syrien: Syrien wählt – allerdings nur indir… | |
> Die ersten Wahlen seit dem Sturz des Diktators Baschar al-Assad stehen | |
> an. Doch manche Provinzen sind ausgeschlossen. | |
Bild: Die Bevölkerung der Stadt Suweida darf nicht mitwählen | |
Berlin taz | Am Montag soll ein historisches Ereignis beginnen: Die ersten | |
Wahlen im neuen Syrien, nach dem Sturz des Diktators Baschar al-Assad im | |
vergangenen Dezember stehen an. Doch schon jetzt sind sie überschattet von | |
Kritik. Freie und demokratische Wahlen, die jeder Syrerin und jedem Syrer | |
offenstehen, werden das nicht. | |
Gewählt wird die Volksversammlung Syriens, also das Parlament. Ursprünglich | |
wurde ein Umfang von 210 Mitgliedern angekündigt. Von diesen werden zwei | |
Drittel indirekt von der Bevölkerung gewählt, ein Drittel bestimmt | |
Präsident Ahmed al-Scharaa direkt. Die Verteilung der 140 indirekt | |
gewählten Sitze ergibt sich aus der Bevölkerungsgröße in den verschiedenen | |
Provinzen Syriens. So soll etwa die bevölkerungsreiche und recht große | |
Provinz Aleppo mit insgesamt 32 Sitzen vertreten sein, die Hauptstadt | |
Damaskus und ihre Umgebung mit zusammengerechnet 22. | |
Die Anzahl der Sitze wurde bereits von 210 zu mittlerweile 201 Plätzen | |
reduziert: Denn das vor allem von der Minderheit der Drusen bewohnte | |
Suweida [1][darf nicht mitwählen]. Dort hatte es im Juli [2][heftige | |
Zusammenstöße zwischen Regierungskräften und lokalen Kämpfern] gegeben, bei | |
denen auch Hunderte [3][Zivilistinnen und Zivilisten] getötet wurden. Auch | |
die Menschen in zwei Provinzen im kurdisch geprägte Nordosten des Landes | |
sind größtenteils von der Wahl ausgeschlossen. | |
Die Zentralregierung in Damaskus begründet das mit der Sicherheitslage vor | |
Ort. Eine kurdisch-syrische Journalistin meint der taz gegenüber aber: Die | |
Entscheidung sei politisch motiviert. Denn zwischen den kurdischen | |
Streitkräften SDF im Nordosten und Damaskus bestehen – [4][trotz eines im | |
Frühling geschlossenen Abkommens] – weiter Diskrepanzen. Und Suweida wird | |
seit den Massakern im Juli wieder von drusischen Milizionären kontrolliert, | |
[5][eine Integration unter der Zentralregierung scheint ferner denn je]. | |
## Frauenquote für Wahlkollegien | |
Der Wahlprozess selbst soll so ablaufen: Der sogenannte Oberste Ausschuss | |
hat auf Bezirksebene Wahlausschüsse eingerichtet. Diese Ausschüsse bilden | |
dann in ihren jeweiligen Bezirken Wahlkollegien. Sie sollen aus 30 bis 50 | |
Mitgliedern bestehen; für die Besetzung gibt es eine Frauenquote von 20 | |
Prozent. Diese Wahlkollegien werden dann dem Obersten Ausschuss vorgelegt, | |
der das letzte Wort über deren Zusammensetzung hat. Wer auf dieser Liste | |
der Wahlkollegien steht, kann schließlich selbst gewählt werden. Und nur | |
wer darauf steht, darf selbst wählen. Zu den so Gewählten kommen noch die | |
von Präsident al-Scharaa bestimmten Personen. | |
Bei aller Kritik: Dass freie Wahlen durch jede Bürgerin und jeden Bürger | |
zum derzeitigen Zeitpunkt auch organisatorisch kaum möglich sind, erklären | |
auch Analysten. So basiert etwa die Verteilung der Sitze in der | |
Volksversammlung auf der Volkszählung von 2010. Seitdem hat der Bürgerkrieg | |
das Land völlig verändert: Noch immer sind etwa sieben Millionen Menschen | |
innerhalb Syriens vertrieben, vier Millionen außerhalb. Noch 2024 hatte | |
al-Scharaa verkündet: Wahlen müsse eine neue Volkszählung vorangehen, der | |
Prozess werde Jahre dauern. | |
Die Legitimität der syrischen Regierung, argumentiert der Analyst Haid | |
Haid, komme nicht nur aus seiner „technokratischen Performance“ – sondern | |
daraus, wie die Macht im Land künftig tatsächlich verteilt ist. „Eine | |
gesetzgebende Versammlung, die Pluralismus lediglich nachahmt, ohne echte | |
Veränderungen in der Entscheidungsfindung herbeizuführen, läuft Gefahr, | |
die Entfremdung der Öffentlichkeit zu vertiefen.“ | |
14 Sep 2025 | |
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## AUTOREN | |
Lisa Schneider | |
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