| # taz.de -- Parlamentswahlen in Tschechien: Die späte Rache des Andrej Babiš | |
| > Umfragen sehen den rechtpopulistischen Ex-Premier und Milliardär Babiš | |
| > und seine Partei ANO als Sieger. Für eine absolute Mehrheit reicht es bei | |
| > der Wahl am Freitag und Samstag wohl nicht. | |
| Bild: Es wird eng für ihn: Der tschechische Regierungschef Petr Fiala bei eine… | |
| Wien taz | Vier Jahre nach seiner Wahlniederlage steht Andrej Babiš vor der | |
| Rückkehr an die Macht. Seine populistische Aktion unzufriedener Bürger | |
| (ANO) führt die Umfragen vor der tschechischen Parlamentswahl mit 30 bis 35 | |
| Prozent deutlich an, während das regierende Wahlbündnis Zusammen (Spolu) | |
| unter Ministerpräsident Petr Fiala auf rund 20 Prozent kommt. Ein Wahlsieg | |
| des 70-Jährigen könnte Tschechien vom proeuropäischen Kurs abbringen. | |
| [1][Der Milliardär Andrej Babiš], bereits 2017 als „tschechischer Trump“ | |
| tituliert, gründete ANO 2011 ursprünglich als breite „Protestpartei gegen | |
| Korruption“. Der Agrar- und Medienunternehmer bewegte sich seither in | |
| Richtung Rechtspopulismus. Nach vier Jahren als Ministerpräsident verlor er | |
| 2021 die Parlamentswahl und 2023 die Präsidentschaftswahl gegen [2][den | |
| liberalen Nato-General Petr Pave]l. | |
| Die intensive Wahlkampfarbeit der vergangenen Jahre dürfte sich nun jedoch | |
| auszahlen. Denn die Regierung aus dem konservativen Wahlbündnis Spolu | |
| (bestehend aus den bürgerlichen Parteien ODS, KDU-ČSL und TOP 09), der | |
| liberalen Bewegung STAN sowie den Piraten hätte keine gemeinsame Mehrheit | |
| mehr. | |
| „Ziemlich viele Menschen fühlen sich von Fialas Regierung nicht | |
| repräsentiert oder zurückgelassen“, sagt Otto Eibl, Politikwissenschaftler | |
| an der Masaryk-Universität Brno. Zwar habe die Regierung ihre Arbeit nicht | |
| so schlecht gemacht, die Kommunikation sei jedoch nicht immer gelungen. | |
| ## Enorme Herausforderungen | |
| Teile der Opposition hätten zudem gezielt daran gearbeitet, die politische | |
| Atmosphäre zu vergiften. Zuletzt waren auch die Herausforderungen enorm: | |
| der Krieg in der Ukraine, die Energiekrise, hohe Inflation und | |
| wirtschaftliche Stagnation. Die tschechische Wirtschaft wuchs 2024 | |
| lediglich um 1,1 Prozent. | |
| Babiš schafft es, viele der Frustrierten zu erreichen. Er hatte direkt nach | |
| der letzten Parlamentswahl 2021 eine intensive Kampagne gestartet, tourte | |
| mit dem Wohnmobil durch Tschechien und pflegte den Kontakt zu seinen | |
| Wählern. Das habe sich gelohnt, sagt Eibl. Die Regierung hingegen | |
| kommuniziere viel unnahbarer und rationaler. | |
| Auch mit seiner Ukraine-kritischen Haltung trifft Babiš einen Nerv in der | |
| tschechischen Gesellschaft: Eine Umfrage zeigt, dass fast die Hälfte der | |
| Tschechen die militärische Unterstützung für die Ukraine als zu hoch | |
| empfindet. Bisher lieferte Prag Waffen und Munition und gilt als | |
| verlässlicher Unterstützer des angegriffenen Landes. Babiš will diese | |
| Lieferungen stoppen und fordert eine stärkere Rolle der Nato. | |
| Besonders bedenklich sei laut Eibl, dass Antisystemrhetorik mittlerweile in | |
| den Mainstream vordringe. Denn erstmals treten Parteien offen für einen EU- | |
| und Nato-Austritt ein. Die kommunistische Stačilo! (Genug!) unter Kateřina | |
| Konečná propagiert den Austritt aus beiden Bündnissen und vertritt | |
| prorussische Positionen. Tomio Okamuras rechtspopulistische SPD spielt | |
| wieder die Migrationskarte. „Wir haben bereits öfter negative Wahlkämpfe | |
| erlebt. Aber diesmal ist die Wut vieler Wähler – und einiger Kandidaten – | |
| schon bemerkenswert“, sagt Eibl. | |
| ## Weitreichende Folgen für Europa | |
| Der Wahlsieger dürfte aus jetziger Sicht schon feststehen: ANO könnte 69 | |
| bis 81 der 200 Parlamentssitze erringen. Eine absolute Mehrheit scheint | |
| aber außer Reichweite. Wahrscheinlichste Szenarien seien laut Eibl eine | |
| ANO-Minderheitsregierung oder eine Koalition mit der SPD, möglicherweise | |
| unter Beteiligung der rechtspopulistischen Partei „Motoristen für sich“. | |
| Ein Sieg Babiš’ hätte weitreichende Folgen für Europa. Nach der Europawahl | |
| 2024 gründete ANO mit der österreichischen FPÖ und Viktor Orbáns Fidesz die | |
| euroskeptische Fraktion Patrioten für Europa. Deutschland und die EU | |
| müssten sich auf einen weniger kooperativen Partner einstellen, ähnlich wie | |
| bei Ungarns Viktor Orbán oder Robert Fico in der Slowakei. | |
| Eibl sieht Grund zur Sorge: „Die tschechischen Institutionen sind stark, | |
| aber die Opposition untergräbt ständig ihre Legitimität.“ Babiš ignoriere | |
| öffentliche Medien und stelle die Unabhängigkeit der Justiz in Frage. Zudem | |
| seien weite Teile der Gesellschaft russischer Desinformation ausgesetzt. | |
| Immer mehr Menschen würden dieser Propaganda Glauben schenken. | |
| Unlängst berichtete das unabhängige tschechische Medium Deník N, dass die | |
| Behörden Ermittlungen gegen ein Netz von 300 Bot-Accounts eingeleitet habe. | |
| Dort würden vor allem prorussische Narrative gepostet. Gewählt wird am 3. | |
| und 4. Oktober. Das Ergebnis ist auch ein Gradmesser für die Stabilität der | |
| westlichen Allianz in Mitteleuropa. | |
| 3 Oct 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Florian Bayer | |
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