| # taz.de -- Historiker über queere Kämpfe: „Wir sind noch weit weg von Akze… | |
| > Eine Ausstellung des Schwulen Museums Berlin zeigt über 50 Jahre | |
| > Geschichte queerer Bewegungen. Gegenwärtig ist sie in Bremen zu sehen. | |
| Bild: Startpunkt der Bewegung: Erster Christopher Street Day in der BRD 1979 in… | |
| taz: Herr Sachweh, warum braucht es noch immer Kämpfe in der queeren | |
| Bewegung? | |
| Jannik Sachweh: Wir sehen global gerade, wie schnell sicher geglaubte | |
| Gleichberechtigung wieder rückabgewickelt werden kann. Fundamentale Rechte | |
| scheinen nicht in Stein gemeißelt. Es ist wichtig, dass wir uns als | |
| Gesellschaft ein Bild davon machen, was für [1][Kämpfe auf dem Weg zu | |
| Gleichberechtigung und Anerkennung] passierten und welche Schritte auf dem | |
| Weg dazu lagen, was wir heute als normal empfinden. Dadurch wird auch | |
| sichtbar, wo noch immer Menschen auf verschiedene Art und Weise | |
| ausgeschlossen werden. | |
| taz: Welchen vergangenen Kampf halten Sie für besonders prägend? | |
| Sachweh: Stonewall ist natürlich bis heute ein Symbol. Die Kämpfe sind aber | |
| vor allem durch Kontinuitäten geprägt. [2][Etwa die Vorläufer des CSD, die | |
| ersten schwulen Karnevale] – das waren erste große Gruppen, die sich die | |
| Straßen angeeignet haben. Aber auch andere Protestformen sind sicherlich | |
| genauso wichtig. Kunst und Kultur haben einen großen Stellenwert in den | |
| Protestbewegungen. | |
| taz: Die Stonewall Riots waren eine Serie an Protesten von queeren Menschen | |
| in New York gegen eine Polizeirazzia im Stonewall Inn, einer queeren Bar. | |
| Sie gelten als Wendepunkt der globalen Befreiungsbewegung. Was können wir | |
| aus Ihnen lernen? | |
| Sachweh: Dass Sichtbarkeit ganz, ganz wichtig ist. Die Proteste haben dazu | |
| geführt, dass ein Thema und damit auch viele Menschen öffentlich sichtbar | |
| geworden sind. Um Anerkennung und Gleichberechtigung zu erreichen, müssen | |
| Menschen und ihre Diskriminierung in der Öffentlichkeit sichtbar werden. So | |
| kann ein Verständnis dafür erzeugt werden, was sich ändern muss. | |
| taz: Ziel der Bewegungen ist die Befreiung queerer Menschen. Was bedeutet | |
| das? | |
| Sachweh: Dass wir als Menschen gemeinsam leben können, ohne dass einige | |
| aufgrund persönlicher Eigenschaften ausgeschlossen oder zurückgesetzt | |
| werden – aufgrund von Lebenswirklichkeiten, die für andere Menschen keine | |
| Gefahr darstellen. | |
| taz: Um das zu erreichen, gibt es verschiedene Kämpfe, die geführt werden, | |
| etwa um Rechte zu erhalten oder Hasskriminalität zu bekämpfen, was | |
| verbindet sie alle? | |
| Jannik Sachweh: Der Kampf um Gleichberechtigung und damit auch um das | |
| Menschenrecht auf [3][freie sexuelle Orientierung]. Dinge, die wir schnell | |
| für selbstverständlich halten, geraten auch bis heute immer wieder in | |
| Gefahr. | |
| taz: Wo werden die Kämpfe geführt? | |
| Sachweh: Viele finden auf der Straße statt, oder medial. Aber auch in Kunst | |
| und Kultur, gemeinsamer Freizeitgestaltung, Sport oder ähnlichem können sie | |
| stattfinden. Die Frage ist auch, was für den individuellen Menschen als | |
| Kampf wahrgenommen wird. Sichtbar sind oft nur öffentliche Ereignisse. | |
| taz: aber es gibt auch viele, die für sich geführt werden? | |
| Sachweh: In der Geschichte wurden viele Kämpfe oder auch Leidenssituationen | |
| der Menschen im Privaten gehalten. Im Kleinen, wie im Großen. Sie wurden | |
| aufgrund des öffentlichen Drucks privatisiert, etwa derart, dass | |
| homosexuelle Männer ihre Sexualität aus Angst vor Strafverfolgung und | |
| Pathologisierung versteckt haben. Das ist eine Konsequenz der | |
| gesellschaftlichen Tabuisierung und Verdrängung des Themas. | |
| taz: Welche Herausforderungen sind aktuell? | |
| Sachweh: Die größte ist vielleicht die Akzeptanz für queeres Leben als | |
| Normalität. Wenn Forderungen nach Gleichberechtigung als Bedrohung, als | |
| Ideologie gebrandmarkt werden, dann ist das noch weit weg davon. Wir haben | |
| als Gesellschaft noch viel zu tun. | |
| taz: Wie können queere Personen unterstützt werden? | |
| Sachweh: Im Alltag ist es wichtig, dass Personen, die nicht selbst queer | |
| sind, im Auge haben, wo Diskriminierungen stattfinden und dann entsprechend | |
| sensibel reagieren, Unterstützung anbieten und in diesen Momenten deutlich | |
| Stellung beziehen. | |
| [Die Ausstellung wurde konzipiert und gestaltet vom Schwulen Museum Berlin, | |
| Nachtrag d. Red.] | |
| 2 Oct 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Leo Schurbohm | |
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