| # taz.de -- Studie zu Antisemitismus: Gewalt, Kälte, Empathielosigkeit | |
| > Wie wirkt sich der steigende Antisemitismus in Deutschland auf | |
| > Juden*-Jüdinnen aus? Ferda Ataman leitet aus einer neuen Studie | |
| > Forderungen ab. | |
| Bild: Erinnert an „dunkle Zeiten“: Erfahrungen jüdischer Menschen seit dem… | |
| In Deutschland macht sich vermehrt Antisemitismus breit, das zeigen | |
| Statistiken klar. Weitgehend unerforscht ist aber, was das für die | |
| einzelnen Juden*Jüdinnen bedeutet. Diese Lücke soll eine Studie füllen, | |
| deren Zwischenergebnisse die Antidiskriminierungsbeauftragte Ferda Ataman | |
| und Zentralratspräsident Josef Schuster am Dienstag vorstellten. Schuster | |
| sprach von „dramatischen“ Befunden, die an „dunkelste Zeiten deutscher | |
| Geschichte“ erinnerten. | |
| Die Studie fußt auf Interviews, Gruppendiskussionen und schriftlichen | |
| Aufzeichnungen mit 111 Juden*Jüdinnen seit dem [1][Überfall der Hamas | |
| auf Israel] am 7. Oktober 2023. Die Studienautorinnen Marina | |
| Chernivksy und Friederike Lorenz-Sinai beschreiben das Massaker an rund | |
| 1.000 israelischen Zivilist*innen als traumatische Erfahrung auch für | |
| Juden*Jüdinnen hierzulande. | |
| Die gezielt in sozialen Medien verbreiteten Videos der Gewalt wühlten | |
| historische Erinnerungen an Schoah und Pogrome auf – genauso wie an | |
| individuelle Gewalterfahrungen, die viele Betroffene in der Vergangenheit | |
| gemacht haben. Chernivksy spricht von einer „starken affektiven | |
| Überwältigung“ der Studienteilnehmenden dadurch. | |
| Zusammen mit den in Deutschland zunehmenden antisemitischen Vorfällen sei | |
| bei Juden*Jüdinnen ein Gefühl existenzieller Unsicherheit entstanden. | |
| Neben aufsehenerregenden Gewalttaten wie dem brutalen [2][Angriff auf den | |
| jüdischen Studenten Lahav Shapira Anfang] 2024 in Berlin geht es dabei auch | |
| um viele kleinere Vorfälle. Allein wer in der U-Bahn Hebräisch spreche oder | |
| einen Davidstern als Halskette trage, müsse fürchten angeschrien oder | |
| körperlich angegangen zu werden. | |
| Was das für Juden*Jüdinnen psychisch bedeutet, verdeutlicht Chernivsky | |
| so: „Eine Interviewpartnerin beschrieb ein Gefühl zunehmender Enge: wie | |
| eine Schlinge, die sich zuzieht.“ Die Betroffenen litten an Ängsten, | |
| intrusiven Erinnerungen und körperlichen Stressreaktionen. Viele von ihnen | |
| versteckten inzwischen ihre Identität, mieden öffentliche Orte und zögen | |
| sich zunehmend zurück. | |
| ## Reform des Gleichbehandlungsgesetzes | |
| Dazu trage auch die menschliche Kälte bei, mit der das nichtjüdische Umfeld | |
| vieler Betroffener auf ihre Trauer und ihre Ängste reagiert habe. Das | |
| reiche von weitverbreiteter Empathielosigkeit und Schweigen bis zu | |
| aggressiven Schuldzuweisungen gegenüber Juden*Jüdinnen an der Gewalt in | |
| Nahost, selbst wenn sie überhaupt keine Verbindung zu Israel haben. | |
| Lorenz-Sinai berichtet von verlorenen Freund*innen und Bezugspersonen, | |
| von Zurückweisung und Vereinsamung. | |
| Auch auf Versuche, sich selbst zu schützen, reagiere das Umfeld teils | |
| ablehnend, etwa wenn Angestellten verboten werde, ihren israelischen Namen | |
| aus beruflichen Mailadressen zu entfernen, um Anfeindungen zu verhindern. | |
| Halt und Unterstützung fänden viele Betroffene dagegen in ihrer Community, | |
| bei jüdischen Beratungsstellen und in den Gemeinden. | |
| Die Antidiskriminierungsbeauftragte Ataman leitete aus den | |
| Studienergebnissen konkrete Forderungen ab. So müsse die Bundesregierung | |
| ihre Ankündigung umsetzen, das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz zu | |
| reformieren – ein Schritt, auf den Ataman und andere Expert*innen seit | |
| Jahren drängen. | |
| Bislang verbietet das Gesetz nur Diskriminierung aufgrund von ethnischer | |
| Herkunft, Geschlecht, Religion oder Weltanschauung, Behinderung, Alter oder | |
| der sexuellen Identität ab – und auch das nur im privaten Sektor. Bei | |
| antisemitischer Diskriminierung durch Verwaltungsbeamte greift die Regelung | |
| bisher genauso wenig wie im Fall, dass Personen wegen ihrer israelischen | |
| Staatsbürgerschaft diskriminiert werden. Ataman: „Eine Demokratie versagt, | |
| wenn sie ihre Minderheiten nicht schützt.“ | |
| Eine weitere Lücke sind Diskriminierungsfälle an Schulen und Hochschulen, | |
| ein Bereich, der in die Verantwortung der Länder fällt. Bislang hat nur | |
| Berlin ein eigenes Landesantidiskriminierungsgesetz, beklagte Ataman. Sie | |
| forderte mehr Geld für Beratungsstellen für Betroffene von Antisemitismus. | |
| 6 Oct 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Frederik Eikmanns | |
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