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# taz.de -- Glorifizieren Filme Krieg?: Ein Albtraum, aus dem es kein Erwachen …
> Antikriegsfilme? Gibt’s nicht, fand François Truffaut. Doch ein Film
> straft ihn Lügen, weil er die Brutalität des Krieges nicht glorifiziert.
Bild: Olga Mironowa und Alexej Kravchenko im Film „Komm und sieh“, USSR 1985
Wenn es um Kriegsfilme geht, wird ein Zitat immer wieder ausgegraben: 1973
sagte [1][der französische Filmemacher] François Truffaut [2][in einem
Interview mit dem Chicago Tribune], er habe noch keinen einzigen
Antikriegsfilm gesehen, auch wenn dies einige von sich behaupten mögen.
„Jeder Film über Krieg ist letztlich pro Krieg.“
[3][Kriegsfilme] lösen körperliche Reaktionen, vielleicht so etwas wie
Nervenkitzel, aus. Es gibt eine Notwendigkeit für Gut und Böse und für
einen Helden, der selbst nach den spektakulärsten, blutigsten Schlachten
Momente der Läuterung erlebt. Oft gibt es dann noch brüderliche Solidarität
unter den Soldaten – und wenn sie auf der richtigen Seite der Geschichte
stehen, vielleicht sogar einen Sieg.
Diese Kriegsfilme, das behaupten die, die Truffaut recht geben,
glorifizieren Gewalt. Manchmal sind sie nichts anderes als Propaganda.
Einen wirklichen Antikriegsfilm zu schaffen, sei im Grunde unmöglich.
„Niemand würde jemals auf die Idee kommen, das über Elem Klimows ‚Komm und
sieh‘ zu sagen“, schrieb der berühmte Filmkritiker Roger Ebert einmal. Und
Zugegeben: Wenn Truffauts Zitat herausgekramt wird, dann oft, weil sich
der- oder diejenige dessen bedient, um ihm zu widersprechen. Und meistens,
auch ich, um dann über [4][„Komm und sieh“] zu sprechen, den Film, der für
viele als der eine wahre Antikriegsfilm gilt.
„Komm und sieh“ spielt 1943 im besetzen Belarus und folgt dem 14-jährigen
Floyra (Alexei Krawtschenko). Voller Vorfreude schließt er sich den
Partisanen an, um gegen die deutschen Besatzer zu kämpfen, entgegen dem
Willen seiner Familie. Seine Euphorie stirbt spätestens, als sie getötet
wird, genau wie sein gesamtes Dorf.
## Kein Gut und Böse
Danach folgt für Floyra ein Schrecken dem nächsten. Einem weiteren
Massaker, bei dem die Bewohner eines anderen Dorfes [5][in einer Kirche
eingesperrt und angezündet] werden, entkommt er nur knapp. Sein scheinbar
im Zeitraffer alterndes Gesicht verrät, dass er sich vielleicht wünscht,
nicht aus der Kirche geflohen zu sein.
„Komm und sieh“ ist ein einziger Albtraum, aus dem es kein Erwachen gibt.
Jedes Bild, so furchteinflößend und apokalyptisch es auch sein mag, gleicht
einem surrealen Gemälde und ist untermalt von formlosen, oft überfordernden
Klängen, denen man sich nicht entziehen kann – all das löst fast
hypnotische Zustände aus.
In Floryas Welt gibt kein Gut und Böse, nur Mörder und diejenigen, die sie
überleben. Es gibt keinen Helden, bloß den verstörten Jungen und Gestalten,
die ihn umgeben. Es gibt keine Brüderlichkeit, nur die äußerste Isolation.
Besonders aber gibt es keinen Sieg – für niemanden. Glorifizierend ist
hieran nichts.
Jetzt, [6][da Drohnen im europäischen Luftraum fliegen, ein neues
Wehrdienstgesetz beschlossen ist und auch Deutschland aufrüstet], halte ich
Filme, in denen Krieg dargestellt wird, immer schlechter aus. Vielleicht
weil die Distanz zwischen uns und dem Krieg, der an anderen Orten längst
wütet, während er in Deutschland 80 Jahre lang nur im Film zu sehen war,
zunehmend zu schwinden scheint.
Genau deswegen wirkt „Komm und sieh“ heute noch eindringlicher. Er verklärt
Gewalt nicht, er ist ein Mahnmal vergangener Entmenschlichung und eine
Warnung, diese nicht zu wiederholen.
Truffaut starb, ein Jahr bevor Klimows Film 1985 erschien. Vielleicht hätte
der Franzose seine Meinung über Kriegsfilme geändert.
3 Oct 2025
## LINKS
[1] /Dokumentarfilm-ueber-Godard-und-Truffaut/!5121902
[2] https://www.newspapers.com/article/chicago-tribune-it-is-impossible-to-mak/…
[3] /Finnischer-Kriegsfilm-Sisu/!5930529
[4] /Spielfilm-ueber-den-Zweiten-Weltkrieg/!5719183
[5] https://minsk.diplo.de/by-de/themen/politik/humanitaere-zusammenarbeit-de/2…
[6] /Kriegsgefahr-in-Europa/!6112471
## AUTOREN
Valérie Catil
## TAGS
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