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# taz.de -- Klimaforschung in Bremen: Prophetische Fossilien
> Der Klimawandel hat regional unterschiedliche Auswirkungen. Um die besser
> vorherzusagen, untersucht ein Forscherteam Eiszeit-Mikrofossilien vom
> Meeresgrund.
Bild: Auch hier ist der Klimawandel zu spüren: Steinbuhne am schleswig-holstei…
Osnabrück taz | Erderwärmung, Globalerhitzung, Klimawandel, Klimakrise:
Wer solche Begriffe hört, denkt oft nicht an regionale Unterschiede. Aber
die [1][Temperaturanstiegs-Effekte] fossiler Brennstoffe,
intensivlandwirtschaftlicher Viehzucht und fortschreitender Entwaldung sind
nicht überall gleich.
Wer Klimaentwicklungen verstehen und einen Blick in ihre Zukunft werfen
will, betritt die Welt der Modelle, der Simulationen, der
Rekonstruktionen, Szenarien und Prognosen. Und manchmal ist es der Blick
in die Vergangenheit, der den Blick in die Zukunft verlässlicher macht.
Die federführend vom Bremer Mikropaläontologen Lukas Jonkers verfasste
[2][Studie „Strong temperature gradients in the ice age North Atlantic
Ocean revealed by plankton biogeography“], also auf Deutsch in etwa
„Starke, anhand der Biogeografie des Planktons erkennbare
Temperaturgradienten der Eiszeit im nördlichen Antlantik“ ist im
Fachmagazin „Nature Geoscience“ erschienen.
Ein Temperaturgradient ist die erste Ableitung der Temperatur nach einer
Ortskoordinate. Er gibt Auskunft darüber, wie stark und in welcher Richtung
sich [3][die Temperatur an dem bestimmten Ort ändert]. So hat das Team vom
Bremer Marum, dem Zentrum für marine Umweltwissenschaften, mithilfe der
Überbleibsel von Eiszeit-Mikroben die Klimaauswirkungen des
Letzteiszeitlichen Maximums untersucht, einer Spanne von einigen Millennien
rund um 20.000 vor unserer Zeitrechnung. Seither lassen sich
Klimamodellrechnungen besser überprüfen.
## Mikrofossilien erlauben Blick in Klima-Vergangenheit
Die Studie befasst sich mit planktonischen Foraminiferen. Das sind
Meeres-Kleinstlebewesen, die Kalkgehäuse bilden. Nach dem Tod sinken diese
Schalen auf den Grund, wo sie als Mikrofossilien überdauern. Sie erlauben
einen Blick in Klima-Vorgänge der Vergangenheit. Über 2.000
Artengemeinschaften hat die Studie ausgewertet, von 647 Standorten.
Das klingt wie eine Titanenaufgabe. „Das war es auch“, sagt Jonkers der
taz. „Aber natürlich haben wir die Daten nicht alle selbst erhoben. Wir
haben stark auf Bestände zurückgegriffen, die bereits vorlagen.“
Die Studie ist eine internationale Gemeinschaftsleistung. Auch die
Carl-von-Ossietzky-Uni Oldenburg war beteiligt, das Alfred-Wegener-Institut
für Polar- und Meeresforschung in Potsdam und Bremerhaven, das Southern
Marine Science and Engineering Guangdong Laboratory Zuhai in China und die
Oregon State University in den USA.
An den [4][Fossilien] habe man ablesen können, so wird die Relevanz der
Ergebnisse erläutert, „dass Klimamodelle die durchschnittliche Temperatur
der Ozeane im letzten Hochglazial vor etwa 20.000 Jahren richtig berechnen,
die simulierte räumliche Verteilung aber zu gleichmäßig ist und sie daher
nur bedingt für künftige Klimaaussagen gilt“. Es ist also wichtig, das
Globalphänomen auch kleinteilig zu betrachten.
## Klimawandel hat regional unterschiedliche Auswirkungen
Artengemeinschaften unterscheiden sich stärker voneinander, je größer die
Entfernung zwischen ihnen ist. „Im marinen Bereich sehen wir einen größeren
Rahmen dessen, nämlich wenn wir Spezies vom Äquator anschauen“, sagt
Jonkers. „Je weiter wir dann in Richtung Pol gehen, desto mehr verändern
sich die Arten.“
Diese Verschiedenheit sei eine Folge unterschiedlicher Temperatur. „Würden
die Klimamodelle also die Temperaturen der Vergangenheit korrekt
simulieren, müssten wir beim Vergleich der simulierten Temperaturen mit den
fossilen Artengemeinschaften dasselbe Muster feststellen.“ Aber die
simulierten Temperaturen stimmten nicht mit den realen der Eiszeit überein,
wie die Fossilien zeigen. Zeit also, nachzujustieren.
Die „Strong temperature gradients“-Studie ist Teil des
Klimamodellierungs-Verbundprojekts Paleo Modelling. Gefördert durchs
Bundesministerium für Forschung rekonstruiert es die Klimageschichte der
letzten 130.000 Jahre. Das soll helfen, besser einzuschätzen, wie die
Klimaveränderungen der Zukunft aussehen könnten.
[5][Der globale Klimawandel] werde „auch regional unterschiedliche
Auswirkungen haben“, sagt Jonkers. „Unsere Gesellschaft und die Ökosysteme
hängen letztlich davon ab, was auf kleineren räumlichen Skalen, nämlich um
uns herum geschieht.“
Die Studie spricht vom Letzteiszeitlichen Maximum als einem „nützlichen
Testfall“. Die Makroökologie könne „zur robusten Diagnose von
Klimasimulationen der Vergangenheit genutzt werden“. Es gilt also,
Modell-Parameter auf den Prüfstand zu stellen, für noch mehr Realitätsnähe.
Klimaschutz. Viele assoziieren hier: Krise, Verzicht. Und wehren ab. Würden
wir das, was wir gegen die anthropogenen Erhitzungsaktivitäten vorbringen,
stattdessen Menschenschutz nennen, wäre das vielleicht anders.
3 Oct 2025
## LINKS
[1] /Warnung-vor-noch-groesserer-Klimakrise/!6112567
[2] https://www.nature.com/articles/s41561-023-01328-7
[3] /Klimakrise-eskaliert/!6115999
[4] /Palaeontologe-Paul-Sereno-im-Gespraech/!5770052
[5] /EU-Erdbeobachtungsdienst-warnt/!6067785
## AUTOREN
Harff-Peter Schönherr
## TAGS
Schwerpunkt Klimawandel
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