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# taz.de -- Ärztin über Schwangerschaftsabbrüche: „Wir dürfen uns nicht e…
> Schwangerschaftsabbrüche sind bis heute im Strafgesetzbuch geregelt.
> Cornelia Windscheid ist seit über 30 Jahren Frauenärztin und möchte das
> ändern.
Bild: Demonstration für die Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen im Fe…
taz: Frau Windscheid, Sie haben 35 Jahre lang Schwangerschaftsabbrüche
durchgeführt. Was hat Sie ursprünglich dazu bewegt, Gynäkologin zu werden?
Cornelia Windscheid: Ich habe mich vor dem Abitur in der Frauenbewegung der
1970er engagiert. Die forderte unter anderem Veränderungen in der
Gesundheitsversorgung von Frauen, weg von patriarchalen Strukturen. So war
der Entschluss, Medizin zu studieren und Frauenärztin zu werden, auch
beeinflusst vom Wunsch, an einer frauengerechten medizinischen Versorgung
mitzuwirken.
taz: Schwangerschaftsabbrüche sind bis heute im Strafgesetzbuch geregelt.
Wie wirkt sich die Kriminalisierung in der Praxis aus?
Windscheid: Die Verortung im Strafrecht führt in Teilen der Gesellschaft
dazu, dass Abtreibungen als unmoralisch wahrgenommen werden. Das führt zu
Stigmatisierung, Tabuisierung und verhindert mancherorts, dass ungewollt
Schwangere einen sicheren und barrierefreien Zugang zu
Schwangerschaftsabbrüchen erhalten. Die Bürokratie ist komplex. Ärztinnen,
die bestmögliche Versorgung auch für ungewollt Schwangere leisten wollen,
wurden in der Vergangenheit von [1][Abtreibungsgegnern] belästigt und
verklagt. Das kann enorm verunsichern und verhindern, dass Medizinerinnen
Schwangerschaftsabbrüche anbieten. Trotz Verbots finden immer wieder
sogenannte Gehsteigbelästigungen vor anbietenden Praxen statt. Allein der
Fakt, dass mit dem Paragrafen 219a StGB bis 2022, im 21. Jahrhundert, ein
[2][Informationsverbot herrschte], spricht Bände.
taz: Können Sie ein Beispiel für die strukturellen Hürden Betroffener
nennen?
Windscheid: Schon die Beratungspflicht [3][kann eine Hürde sein]. Die
Beratungsbescheinigung zu erhalten, mag in Hamburg einfach sein, in Bayern
oder Rheinland-Pfalz sieht das ganz anders aus. Für beispielsweise eine
alleinerziehende Person ohne Auto in einer unterversorgten Region
fristgerecht und vor allem erreichbar einen Beratungstermin zu bekommen,
kann unmöglich sein.
taz: Wie blicken Sie angesichts der aktuellen politischen Lage in die
Zukunft?
Windscheid: Wir sind weltweit mit Strömungen konfrontiert, die reproduktive
Rechte infrage stellen. Nachdem der Gesetzesentwurf zur Streichung des
Paragrafen 218 StGB vor den Neuwahlen nicht mehr durchgekommen war, schien
dieses Ziel in weite Ferne gerückt zu sein.
taz: Der Gesetzesentwurf von Grünen, SPD und Linken wurde im
Justizausschuss blockiert. Im aktuellen Koalitionsvertrag werden
reproduktive Rechte kaum erwähnt.
Windscheid: Und wenn es so weitergeht, wird es auch bei der nächsten Wahl
keine Mehrheit dafür geben. Das ist traurig. Trotzdem bin ich
hoffnungsvoll. Eine repräsentative Umfrage zeigt, dass 80 Prozent der
Befragten in Deutschland für eine Regelung des Schwangerschaftsabbruchs
außerhalb des StGB sind. Beim Deutschen Ärztetag 2025 hat sich erstmals
eine Mehrheit für eine Neuregelung außerhalb des StGB ausgesprochen und
fordert die Politik auf, zu handeln. Daran glaube ich, müssen wir arbeiten,
dass der Fortschrittsgedanke bleibt, dass wir uns nicht einschüchtern
lassen und nicht zurücktreten von unseren Forderungen. Zu diesen gehören
auch eine barrierefreie Verfügbarkeit von geeigneter Verhütung, sexuelle
Selbstbestimmung und sexuelle Bildung.
taz: Was würden Sie Medizinstudent:innen raten, die lernen wollen,
Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen?
Windscheid: Es gibt seit einigen Jahren die [4][Papaya-Workshops] der
Medical Students for Choice. Das kann ich wirklich nur empfehlen, um schon
mal ein Gefühl für den Eingriff zu bekommen. Und natürlich eine Famulatur,
die ja ohnehin Teil des Studiums ist, in einer Einrichtung zu machen, wo
medikamentöse und operative Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt werden.
25 Sep 2025
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## AUTOREN
Marie Dürr
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