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# taz.de -- Kunstfestival in Dithmarschen: Auch Kohl kann Kunst sein
> Der Kunstgriff Dithmarschen fährt jedes Jahr eine reiche Ernte von den
> Kreativen dieser Region ein. Gezeigt werden Arbeiten von Laien und
> Profis.
Bild: Schillerndes Grün, schöne Blattadern: Durchleuchtete Brassica-Blätter …
Der Landkreis Dithmarschen ist vor allem bekannt für den Anbau von Kohl und
wehrhafte Bauern, weniger aber für seine Kunst. Es gibt sie aber. Der
Comic-Pionier Rudolph Dirks wurde in der [1][Kreisstadt Heide] geboren,
bevor er, sieben Jahre später, mit seinen Eltern nach Chicago auswanderte
und seine „[2][Katzenjammer-Kids]“ die USA eroberten.
Im öffentlichen Raum sind öfters Skulpturen des Dithmarscher Bildhauers
Paul Heinrich Gnekow zu sehen, oder einzelne Werke namhafter KünstlerInnen,
wie Pia Stadtbäumers Elster mit Hasenmaske in Marne, oder die Kunst am Bau
vor dem Heider Fernmeldeamt.
Doch jenseits von Historie und Auftragskunst gibt es wenige Orte, an denen
neue Ideen sich präsentieren können. Von elf Museen sind zwei auf das
Zeigen von Kunst ausgerichtet. Dass durchaus kreativ agiert wird, zwischen
der Eider und dem Nord-Ostsee-Kanal will die Aktion Kunstgriff zeigen. Auf
die Idee kam man im Jahr 2001 nach einem der Volksfeste zur immerwährenden
Freude über die gelungene Vertreibung der Dänen in der Schlacht bei
Hemmingstedt. Feiern kann ja mehr sein als Futtern und Saufen.
Seit 24 Jahren organisiert der Kreis, vertreten durch die Dithmarscher
Volkshochschule in Meldorf, eine 17-tägige Schau für das, was hier in
Werkstätten, Ateliers, Garagen, Hobbykellern und Zirkeln entsteht. Stets
knapp vor den frühherbstlichen Kohl-Tagen können dabei Laien und Profis
Selbstgeschaffenes in Szene setzen. Der Aufruf dazu erfolgt jeweils ein
Jahr davor.
## Ein sehr weiter Kunstbegriff
„Kuratiert wird nicht“, sagt Kulturvermittlerin Anna Christiansen, die sich
seit diesem Jahr darum kümmert, den Kunstgriff durch Flyer, Plakate, Social
Media und Begegnungen bekannt zu machen. Ein „sehr weiter Kunst- und
Kulturbegriff“ ermögliche vielen, auszustellen. Es müsse nur „ein
gestalterischer oder künstlerischer Gedanke hinter den Werken erkennbar
sein.“
Von Christiansen werden einige neue Impulse ausgehen. So sind auch Sparten
dabei wie Performance, Musik, Literatur und Slam-Poetry. Aufgrund der
ländlichen Lage und der wenigen zentralen Ausstellungsräume sind die Orte
verstreut und teils außergewöhnlich. Kunstgriff-Gucken bedeutet fast immer
Landpartie.
Einige Schauplätze bieten auch Kaffee und Kuchen an. Andere dienen parallel
weiter als Kirchen, Kinosaal im Pflegeservice, Teespeicher oder
Geschäftsräume der Volks-und Raiffeisenbank am Heider Markt. Durch deren
Fenster blickt man gerade auch auf [3][das parallel startende Kohl-Fest].
Ohne Auto ist das Herumgucken außerhalb der Kreisstadt nur eingeschränkt
machbar. Alternativ sollen künftig geführte Fahrradtouren den Weitblick
ermöglichen.
Die Frage „Was darf sich Kunst nennen?“ ist hier ziemlich irrelevant. Von
nahezu perfekt inszenierten „Spiegelungen“ ambitionierter
FreizeitfotografInnen über dekorative Hafenszenen in Acrylmalerei bis zu
den traditionellen Fotos zum Thema „Brüste der Küste“ ist für jeden
Geschmack etwas dabei. In dieser Schau gibt es auch das, was aus
akademischer Sicht oft als Kitsch bezeichnet wird. Doch was zählt das, wenn
es darum geht, sich auszuprobieren und vor allem: mit anderen in Kontakt zu
kommen? Kunst ist schließlich Kommunikation.
## Klima-Slam und Film-Schau
Genau das ist das Motto des Projekts „Kunst verbindet“, dessen
TeilnehmerInnen im lichtdurchfluteten Bildungszentrum des
Westküstenklinikums Heide zeigen, was sie zum Thema „Walk in my Shoes“
ausdrücken wollten. Fast alle in der Gruppe haben einen
Migrationshinterfund. 14 Nationen kommen hier zusammen. Der Titel
appelliert an die Empathie.
Den Anstoß zu dieser Gruppe gab Paula Bisiriyu, die bei ihrer Arbeit in der
Flüchtlingshilfe erlebte, dass es zwar ein großes Bedürfnis bei
MigrantInnen gibt, sich über die universelle Sprache der Gestaltung
auszudrücken, aber kaum Möglichkeiten, zusammenzukommen oder auszustellen.
Bisiriyu, die aus Rumänien stammt und selbst sehr kunstaffin ist, ohne
Profi zu sein, gründete daher diese Gruppe als Sonderprojekt der
integrativen „Kunstköpfe“. Sie bereichert den Kunstgriff nun um 25
Positionen, internationale und nationale, denn auch Einheimische dürfen
dabei sein.
Neu sind auch politische Themen, die in Form eines Klima-Slam auf die Bühne
kommen. Nicht neu, sondern ein Urgestein des Ganzen ist die Film-Schau
„Kunstgriff-Rolle“, die als Abschlussveranstaltung am 28. 9. im
wunderschönen Heider Lichtblick Filmtheater läuft. Zu sehen gibt es
Kurzfilme aller Genres, ob Schüler-Debut, Trickfilm oder hochprofessionelle
Filmkunst. Das vielfältige Programm dieses Filmfestes zwischen Sylt und
Hamburg wird seit 2005 sorgfältig kuratiert von der Filmmacherin Martina
Fluck. Aber Achtung: es beginnt schon um 11 Uhr früh, und die Veranstaltung
ist äußerst beliebt.
28 Sep 2025
## LINKS
[1] /In-Heide-auf-dem-Marktplatz/!6055276
[2] /Ausstellung-zu-Comics-in-Deutschland/!5045863
[3] /suedwester/!5621197
## AUTOREN
Imke Staats
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Schleswig-Holstein
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Autos.
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