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# taz.de -- Blühendes Geschäft mit KI-Musik: Neues aus der zwielichtigen Zone
> Weil auf Tiktok und im Streaming so gut wie alles geht, gibt es jetzt
> auch Countrysongs mit pornografischen Texten. Generiert hat sie eine KI.
Bild: Das Genre Country ist bislang sauber geblieben – mit KI gibts nun auch …
Kieran Press-Reynolds berichtete unlängst [1][in seiner lesenswerten
Kolumne „Rabbit Holed“ im US-Internetmagazin Pitchfork], dass seit einiger
Zeit KI-generierte Country-Songs mit pornografischen Texten seine
Tiktok-Timeline fluteten. Als alter Country-Fan und in der Hoffnung, hier
Anhaltspunkte über die psychische Verfasstheit der MAGA-Welt zu finden,
habe ich mir das mal genauer angesehen.
Die zwielichtige Zone, in der sich Pornografie und Pipi-Kaka-Humor treffen,
hatte bislang keinen leichten Stand in der Popmusik, schließlich wird es
schwierig, in die Charts zu kommen mit Songs, die nicht im Radio gespielt
und höchstens unterm Ladentisch verkauft werden können.
Andererseits ist die Zielgruppe von Popmusik ein eher junges Publikum, das
von solchen Tabuzonen gemeinhin besonders angezogen wird. Und so gab es
doch immer wieder mal Künstler*innen, die sich dieser Themen annahmen,
[2][ich nenne mal den US-Rapper Blowfly], Wilma Fingerdoo und Lloydie & The
Lowbites. Wer tiefer einsteigen möchte, möge mit diesen Namen die Recherche
beginnen.
Wer es gern deutschsprachig hat, sollte sich mit den Veröffentlichungen des
„Schlüsselloch“-Labels beschäftigen. Seit jedoch Hiphop vorangeprescht ist
und man unter dem Schutz von „Parental Advisory“ so gut wie alles singen
darf, ist das alles selbst für den nervolabilsten Teenager nicht mehr
aufregend.
Früher galt: bitte keine Geschlechtsteile
Es gibt aber auch Genres, die sauber geblieben sind. Country
beispielsweise. Über ein paar zotige Doppeldeutigkeiten ging es dort
eigentlich nie hinaus. Das ist insofern erstaunlich, als
Country-Textdichter*innen ansonsten nichts Menschliches fremd ist und etwa
Alkoholismus, Polyarmorie oder die Lust am Morden mit viel Empathie in den
Songtexten verhandelt werden. Aber bitte keine Geschlechtsteile, sexuelle
Praktiken oder Körperflüssigkeiten.
Selbst wilde Outlaws übten lieber Selbstzensur, als sich Ärger mit dem
konservativ-religiös geprägten Publikum einzuhandeln. [3][KIs ist das
egal], auf Tiktok und in den Streaming-Diensten geht so gut wie alles, und
deswegen wurde diese Lücke geschlossen. Da singt nun in „Country Girls Make
Do“ eine weibliche KI-Stimme über die Freuden der Masturbation mittels
Maiskolben, und in „Cornbread Creek“ beichtet eine männliche KI einen
„versehentlichen“ Analakt mit dem Best-Buddy.
Über die MAGA-Welt lernt man indes wenig, Songs und Ideen dahinter wirken
eher wie aus der Prä-MAGA-Welt: ein augenzwinkernder Versuch, „Spießer“ zu
schockieren, ersonnen in einer urbanen, liberalen Collegewelt.
Das Œuvre von SuS Records aus Philadelphia
Auf Tiktok finden sich zu den Songs wohl ebenfalls KI-generierte Videos, in
denen diese vermeintlichen Spießereltern vorgespielt werden, die darauf
mehr oder weniger entsetzt reagieren. Recherchiert man weiter, stößt man
auf das Œuvre von SuS Records aus Philadelphia, das sich unter dem Motto:
„Bringing back the songs that never were“ darauf spezialisiert hat,
versaute Songs im Stile des 1940er Jahre R&B und des 1970er Softpop
produzieren zu lassen.
Auf der Bandcamp-Seite bietet man 229 digitale Songs für je einen US-Dollar
feil. Beats by AI, Produzent der oben genannten Countrysongs, hat 600.000
monatliche Hörer bei [4][Spotify]. Hier blüht also das Geschäft.
Interessanteste Erkenntnis aber: Die musikalische Qualität ist mitunter
erstaunlich. Angesichts der Beats-by-AI-Kreationen staunt auch Kieran
Press-Reynolds, wie bis ins Detail menschlich die Gesangsdarbietungen
klingen. Bei den SuS-Softpopsongs überzeugen auch die Kompositionen.
Musikalisch ist das nicht mehr sooo weit weg von Carole King und Kenny
Loggins. Das KI-generierte nächste „Pet Sounds“ scheint auf einmal
vorstellbar.
21 Sep 2025
## LINKS
[1] https://pitchfork.com/thepitch/why-is-tiktok-overflowing-with-ai-country-mu…
[2] /Besuch-der-Musikmetropole-Miami/!5202766
[3] /Musikbranche-im-KI-Zeitalter/!6104698
[4] /Alternative-zu-Spotify/!6113505
## AUTOREN
Detlef Diederichsen
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