# taz.de -- Zehn Jahre Welcome Dinner in Hamburg: Zusammen isst man weniger all… | |
> Seit 2015 bringt der Verein Welcome Dinner Menschen mit und ohne | |
> Fluchterfahrung an Esstischen zusammen – trotz der ablehnenden | |
> Migrationsdebatte. | |
Bild: Wollen Menschen an Hamburger Esstischen zusammenbringen: Laura Trager und… | |
Hamburg taz | Angelas und Maryams Familien haben sich 2015 an Angelas | |
Esstisch kennengelernt. Beide hatten sich für ein Welcome Dinner angemeldet | |
– seitdem sind die Familien befreundet. „Ohne sie wären wir einsam, sie | |
haben uns viel geholfen, uns umarmt“, schreibt Maryam zehn Jahre später an | |
den Verein, dem die Vermittlung zu verdanken ist: Welcome Dinner Hamburg. | |
„Ich bin unendlich dankbar, wenn ich von Freundschaften höre, die ihren | |
Ursprung in einem Welcome Dinner haben“, sagt Laura Trager, Vereinsmitglied | |
der ersten Stunde. | |
Dieses Jahr feiert Welcome Dinner Hamburg zehntes Jubiläum. Nach | |
schwedischem Vorbild haben vier Hamburger*innen im April 2015 das erste | |
Welcome Dinner der Stadt organisiert. Das Prinzip: Am Esstisch der | |
Gastgeber*innen treffen sich Menschen mit und ohne Fluchterfahrung. | |
Über die [1][Webseite des Vereins] können sich Gastgebende und Gäste | |
melden. Der Verein vermittelt die Menschen aneinander, nach räumlicher | |
Nähe, Gruppengröße und gesprochenen Sprachen. „Wir stellen den Kontakt her, | |
der Rest liegt dann bei den Teilnehmenden“, erklärt Trager. | |
„Wir konnten uns nach der Gründung nicht mehr vor Anfragen retten“, | |
erinnert sie sich an die ersten Monate. [2][Im Herbst 2015] organisierte | |
der Verein bis zu 120 Abendessen pro Woche, wöchentlich kamen neue | |
Teammitglieder dazu. „Die Dinners sind eine [3][Willkommensgeste] für alle, | |
die neu in Deutschland und Hamburg sind“, sagt Trager. „So treffen sich | |
Menschen, die sich sonst nie getroffen hätten.“ | |
Auf das Hoch folgte schnell ein Tief: Nach der [4][Kölner Silvesternacht | |
2015], als über 600 Frauen Opfer von sexuellen Übergriffen wurden, | |
veränderte sich die Migrationsdebatte in ganz Deutschland. Dass ein Teil | |
der Täter keine Deutschen waren, führte zu Diskussionen um Abschiebungen. | |
Die Offenheit gegenüber geflüchteten Menschen nahm ab. | |
Trager erinnert sich: „Nach der Nacht ist die Stimmung sehr umgeschlagen.“ | |
Immer weniger Hamburger*innen hätten sich als Gastgeber*innen | |
gemeldet. Also habe sich der Verein andere Formate suchen müssen, um | |
Menschen zusammenzubringen. Neben Welcome Dinners veranstalteten Trager und | |
ihr Team Picknicks im Park oder große Essen mit 60 Gästen zum Beispiel zum | |
Fastenbrechen. | |
Bis heute gelingt es dem Team aus 15 Ehrenamtlichen dennoch wöchentliche | |
Dinner zu vermitteln. Auch ehemalige Teilnehmende sind mittlerweile selbst | |
Mitglieder im Verein, so wie Ehsan Khavari. Er kam 2014 nach Hamburg und | |
sei, erzählt er, durch einen Zufall auf die Welcome Dinner gestoßen. Erst | |
nahm er an mehreren Dinners teil, dann entschied er, Mitglied zu werden. | |
„In einem neuen Land mit großen kulturellen Unterschieden ist es erst mal | |
schwer zurechtzukommen“, sagt Khavari. Er freue sich, mit den | |
Willkommens-Abendessen einen Beitrag für die Hamburger Gesellschaft zu | |
leisten. | |
„Integration ist aber ein langer Prozess, der viel | |
[5][Kooperationsbereitschaft auf beiden Seiten] braucht“, sagt Khavari. Es | |
brauche mehr Vereine, die sich für Integration engagieren – auch wenn es | |
anstrengend und ermüdend sei. Um es nicht unnötig kompliziert zu machen, | |
dürften dabei bürokratische Hürden die ehrenamtliche Arbeit nicht | |
erschweren, findet er. | |
## Suche nach Fördergeldern | |
Denn das sei bislang eine der größten Herausforderungen für den Verein, | |
berichtet auch Laura Trager. Gerade die Finanzierung sei schwierig. Zwar | |
habe Welcome Dinner immer wieder Fördergelder von Stiftungen bekommen und | |
erhielt 2025 auch Geld von der Sozialbehörde. „Das ist aber immer | |
projektgebunden und das passt nicht zu einem Verein mit konstant bleibendem | |
Angebot“, sagt Trager. „Wir wollen uns nicht jedes Jahr neu erfinden | |
müssen, um eine Förderung zu bekommen.“ | |
Das soll in Zukunft Laura Trager, Ehsan Khavari und ihre Kolleg*innen | |
aber nicht daran hindern, sich weiterhin für Gespräche auf Augenhöhe | |
einzusetzen. „Es wird kaum über erfolgreiche Integration berichtet“, | |
kritisiert Khavari. „Da ist es umso wichtiger, weiterzumachen.“ | |
Für Trager liegt die Verantwortung für eine langfristig erfolgreiche | |
Inklusion von in Deutschland Angekommenen bei der Politik. „Asylverfahren | |
müssen beschleunigt werden, sodass Geflüchtete schneller Zugang zu Arbeit | |
und Sprachkursen bekommen“, fordert die Ehrenamtliche. Danach liege es aber | |
auch an der Zivilgesellschaft, ob die Integration gelingt. „Ich fände es | |
schön, wenn sich mehr den Ruck geben und [6][sich ehrenamtlich | |
engagieren]“, sagt Trager, „oder ganz simpel: Einfach selbst ein Welcome | |
Dinner ausrichten“. | |
11 Sep 2025 | |
## LINKS | |
[1] https://welcome-dinner-hamburg.de/ | |
[2] /10-Jahre-Fluchtsommer/!6108521 | |
[3] /Willkommenskultur/!t5007822 | |
[4] /Faktencheck-zur-Silvesternacht/!5367335 | |
[5] /Willkommenskultur-und-wahre-Integration-/!6109849 | |
[6] /Tugend-Posting-auf-Social-Media/!6107794 | |
## AUTOREN | |
Amelie Müller | |
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