# taz.de -- Strafvollzug in Kuba: Systematische Zwangsarbeit in Kubas Gefängni… | |
> 60.000 Häftlinge leisten in Kuba Zwangsarbeit. Das sagt eine Studie der | |
> NGO Prisoners Defenders. Knastprodukte werden auch in die EU importiert. | |
Bild: Wachtturm des Gefängnisses Combinado del Este in Kubas Hauptstadt Havanna | |
Hamburg taz | Ovadys Armas Vásquez war ein Zwangsarbeiter. Als Köhler | |
musste er aus den dornigen Ästen des Marabú Holzkohle produzieren. 12 | |
Stunden am Tag, ohne Schutzkleidung oft in der glühenden Sonne, immer unter | |
prekären sanitären Verhältnissen. Die Dornen des Marabú, dieser invasiven | |
in dichten Büschen wachsenden Art, die Tausende von Hektar ehemaliger | |
Zuckerfelder in Kuba übernommen hat, bohrten sich durch seine Schuhe. | |
Vásquez hatte den Fehler gemacht, sich offen zu äußern, so gab er im | |
Interview mit Prisoners Defenders an. Gegenüber einer Gruppe von | |
Oppositionellen habe er gesagt, dass er sein Leben geben würde, um die | |
Diktatur zu stürzen. Das Video wurde der kubanischen Staatssicherheit | |
zugespielt, Vásquez festgenommen, verhört, gefoltert und schließlich in das | |
Arbeitslager im Zentrum Kubas gekarrt, wo er Holzkohle produzieren musste. | |
Vásquez, damals 32, lebt heute im Asyl in den USA. Sein Fall war einer der | |
prominenten auf der Onlinepressekonferenz von Prisoners Defenders | |
anlässlich der Vorstellung der [1][Studie „Das Geschäft mit dem kubanischen | |
Strafvollzug: 60.000 Häftlinge missbraucht als Zwangsarbeiter“]. Die | |
Studie basiert auf 53 Interviews mit Häftlingen, die eingewilligt haben, | |
dass Prisoners Defenders ihre Daten auswerten darf, sowie auf weiteren 107 | |
Interviews mit Insassen von Haftanstalten und teilweise auch mit | |
Angehörigen, die anonym bleiben wollten, so Javier Larrondo. | |
Larrondo ist Gründer und Präsident der in Madrid ansässigen | |
Nichtregierungsorganisation. Prisoners Defenders und hat gute Kontakte in | |
die kubanische Opposition. Zwischen April und August sei die Studie | |
erstellt, angeregt worden sei sie von Gesprächen mit dem | |
UN-Sonderberichterstatter zu Sklaverei, Tomoya Obokata, so Larrondo. Als | |
das Rechercheteam nach den ersten 16 Interviews im April nachweisen konnte, | |
dass Kuba Produkte aus Zwangsarbeit wie die bereits erwähnte Holzkohle, | |
aber auch Zigarren exportiere, sei sie ausgeweitet worden. | |
## Der Weg der Holzkohle | |
En Detail wird die Produktion von Zigarren für den Export am Beispiel der | |
Vollzugsanstalt Quiviván, rund 40 Kilometer von Havanna entfernt, | |
nachgewiesen. Doch auch in der größten Haftanstalt von Santiago de Cuba, | |
Boniato, und in mindestens fünf weiteren Vollzugsanstalten werden Zigarren | |
von Häftlingen produziert – darunter die Luxusmarke Cohíba, so die Studie. | |
Folgerichtig wirft die spanische Nichtregierungsorganisation dem | |
kubanischen Staat vor, von Zwangsarbeit in den Gefängnissen der Insel zu | |
profitieren. Gravierend sei die Tatsache, dass Holzkohle im Wert von rund | |
60 Millionen Euro nach Spanien exportiert werde und von dort weiter in | |
Länder wie Portugal, Italien, aber auch Deutschland verteilt werde. | |
Detailliert hat die NGO den Weg der Holzkohle nachgezeichnet, Unternehmen | |
benannt, aber auch die Gesetze der einzelnen Länder, die Zwangsarbeit | |
verbieten. „Europa muss sicherstellen, dass die aus Kuba importierten | |
Produkte nicht aus Sklavenarbeit stammen“, fordert Larrondo und setzt mit | |
der Forderung die EU-Kommission, aber auch einzelne Länder wie Spanien | |
unter Druck. | |
Unstrittig ist, dass die [2][Situation in kubanischen Vollzugsanstalten] | |
internationalen Standards nicht entspricht. Das haben UN-Organisationen, | |
Amnesty International und andere Menschenrechtsorganisationen, die seit | |
Jahrzehnten keine Haftanstalt besuchen durften, in den letzten Jahren immer | |
wieder moniert. Kubanische Menschenrechtsorganisationen wie CubaLex und | |
Justicia 11J verweisen auf Gewalt, fehlende medizinische Versorgung sowie | |
die steigende Zahl von Toten hinter Gittern. | |
## Ex-Gefangener: Arbeit ist oft Vergünstigung | |
24 Menschen starben zwischen Januar und Juni 2025 laut Justicia 11J in | |
kubanischen Gefängnissen. Ob es dabei einen Zusammenhang mit der | |
Zwangsarbeit gibt, ist vollkommen unklar. Klar sei, so Giselle Morfi von | |
CubaLex, dass „Zwangsarbeit generelle und systematische Praxis in Kuba | |
ist“, die gegen die Konvention 29 gegen Zwangsarbeit der Internationalen | |
Arbeitsorganisation (ILO) verstoße. In Kuba gebe es keine unabhängigen | |
Beschwerde- und Überprüfungsmechanismen, weshalb die Dimension von | |
Zwangsarbeit kaum messbar sei. | |
[3][Juan Elias Navarro], kritischer Blogger aus Santiago de Cuba, der im | |
Juli 2021 verhaftet wurde und nach rund vier Wochen Gefängnis wieder | |
freikam, zeigt sich gegenüber der taz überrascht von der Dimension, die | |
Zwangsarbeit, in Kuba laut der Studie habe. „Ich kenne Häftlinge, die die | |
Arbeit verweigert haben. Sie bekamen daraufhin keine Haftvergünstigungen, | |
mussten ihre Strafe absitzen. | |
„Arbeit in Boniato, dem größten Gefängnis von Santiago de Cuba, ist oft | |
eher Vergünstigung als Strafe“, berichtet der 63-Jährige. Eine Ansicht, die | |
auch kubanische Sozialwissenschaftler wie Pavel Vidal und Omar Everleny | |
Pérez teilen. Beide überrascht die von Prisoners Defenders genannte | |
Dimension von 60.000 Zwangsarbeitern im kubanischen Vollzugssystem – nicht | |
aber die Tatsache, dass Häftlinge in Kuba arbeiten müssen. | |
Fortan wird hinterfragt werden müssen, unter welchen Bedingungen in Kuba | |
hinter Gittern gearbeitet wird und wer von dieser Arbeit profitiert. Daran | |
wird auch die EU nicht vorbeikommen. | |
19 Sep 2025 | |
## LINKS | |
[1] https://www.prisonersdefenders.org/2025/09/15/el-negocio-penitenciario-de-c… | |
[2] /Haftanstalten-in-Kuba/!6054186 | |
[3] /Kuba-vor-geplanten-Oppositionsdemos/!5811047 | |
## AUTOREN | |
Knut Henkel | |
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