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# taz.de -- Folgen für die Klimaneutralität: Fossile Druckbetankung
> Die dreifache Menge an dreckiger Energie muss Europa in den USA kaufen.
> So steht es im Zollabkommen. Aber wie soll das funktionieren?
Bild: Hier soll ganz viel Gas aus den USA ankommen: LNG-Terminal Wilhelmshaven
Weniger fossile Energie, nicht mehr – das ist seit Langem die Ansage der
Europäischen Union und auch der Bundesregierung. Ohne diese Voraussetzung
gibt es ja keine Klimaneutralität, die hierzulande schon in 20 Jahren
erreicht sein soll. Da löst [1][das Zollabkommen zwischen den USA und der
EU] – vorsichtig gesagt – Erstaunen aus. Denn ein Teil der Vereinbarung von
Ende Juli besagt, dass Europa riesige Mengen fossiler Energie aus
Nordamerika importieren soll.
Das wirft Fragen auf: Wie will die [2][Europäische Kommission] die privaten
Energiefirmen davon überzeugen, so viel auf der anderen Seite des Atlantiks
einzukaufen? Und was wären die Folgen für das Ziel der Klimaneutralität?
Zuerst versprach EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen US-Präsident
Donald Trump in die Hand, Energie im Wert von 750 Milliarden US-Dollar
abzunehmen (momentan etwa 640 Milliarden Euro). Dann tauchte diese bis Ende
2028 umzusetzende Vereinbarung auch in der schriftlichen Version des
Abkommens auf.
Es geht um jeweils 250 Milliarden US-Dollar 2026, 2027 und 2028. Zum
Vergleich: Im vergangenen Jahr bezogen die EU-Staaten Erdöl, Gas, Kohle und
Uran im Wert von etwa 80 Milliarden Dollar aus den USA. Es geht also um
eine Verdreifachung.
Weil der europäische Energieverbrauch in den kommenden paar Jahren aber
keinesfalls so stark steigen wird, ließe sich dieses Ziel nur erreichen,
wenn der US-Anteil an allen fossilen EU-Importen stark zunähme – und zwar
von ungefähr 25 Prozent jährlich auf etwa 60 bis 65 Prozent. Wobei sich das
nicht genau sagen lässt, weil der Kurs des Dollars schwankt.
## Fast 17 Prozent des Erdgases kommen aus Russland
Klar ist trotzdem, dass die gewaltige Zunahme überhaupt nur funktionieren
kann, wenn die US-Lieferungen Importe aus anderen Quellen verdrängen. Sie
könnten zum Beispiel alle russischen Lieferungen ersetzen, die es noch
gibt. Im vergangenen Jahr bezogen europäische Energieunternehmen noch fast
17 Prozent ihrer Erdgasimporte von der aggressiven Macht im Osten.
Damit Schluss zu machen, wäre wirtschaftlich und politisch sinnvoll. Es
würde aber nicht reichen. Auch die Lieferungen beispielsweise aus Katar,
Nigeria und Algerien müssten stark reduziert werden.
Die EU-Kommission betont, ein solcher Prozess sei möglich – und verweist
auf die Entwicklung der Importe von [3][LNG], also Flüssiggas, seit 2021.
Damals standen US-Firmen für 28 Prozent der entsprechenden EU-Einfuhren,
2024 waren es schon 45 Prozent, auf Kosten der genannten Länder.
Wenngleich eindrucksvoll, ist das dennoch meilenweit von einer
Verdreifachung aller US-Importe fossiler Energie entfernt. „Eine derartig
massive Umschichtung in den Bezugsquellen ist nicht plausibel“, sagt
Energieexperte Hans-Wilhelm Schiffer. Ein Argument für seine These: Die
Energiehändler haben viele Verträge für die kommenden Jahre längst
geschlossen und würden sie jetzt nicht wegen des USA-EU-Abkommens über den
Haufen werfen.
Davon abgesehen stellt sich aber die Frage, was die EU-Kommission
ihrerseits tun könnte, um die Vereinbarung zu erfüllen. Denn nicht sie
kauft die Energie, sondern private Firmen. Ein wichtiges Instrument sei
bereits vorhanden, erklärt die Kommission. Die nach Russlands Angriff auf
die Ukraine 2022 gegründete Vermittlungsplattform AggregateEU bringt
Anbieter und Nachfrager zusammen.
Das war bisher ein Beitrag, um russische Energielieferungen zu ersetzen.
Die Plattform fasst sowohl angebotene als auch nachgefragte Mengen zusammen
und ermöglicht damit größere Lieferverträge, sodass kleinere wie große
Unternehmen zu guten Konditionen kaufen können. Laut Kommission ließe
sich das Verfahren im Hinblick auf die USA ausbauen.
## Bürgschaften und Langfristverträge
Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) steht
ausufernden Fossilgeschäften zwar kritisch gegenüber, doch sie beschreibt
einen weiteren Weg: „Die EU könnte den Abschluss langfristiger Kaufverträge
europäischer Firmen für US-Energie erleichtern“, indem zum Beispiel „die
Europäische Investitionsbank finanzielle Garantien und Absicherungen“
gewähre.
„Es braucht Bürgschaften für Langfristverträge“, sagt dazu Timm Kehler,
Vorstand des Verbands Die Gas- und Wasserstoffwirtschaft e. V. Eine solche
Förderung bezeichnet er als „investitionsfreundliches regulatorisches
Umfeld“. Garantien, Absicherungen, Bürgschaften – diese Begriffe bedeuten,
dass die EU bereit wäre, privaten Unternehmen irgendwann Geld dafür zahlen,
mehr fossilen Treibstoff aus den USA abzunehmen.
Die grüne Europaparlamentarierin Anna Cavazzini betont einerseits: „Die EU
hat wenig Möglichkeiten, die Importe fossiler Energie aus den USA zu
befördern.“ Andererseits warnt sie davor, dass eine Variante darin
bestünde, [4][„die Methanverordnung] zu ändern“.
Laut dieser Regulierung müssen Energieimporteure kontrollieren, wie viel
klimaschädliches Methan beispielsweise bei Produktion und Transport von
Erdgas entweicht. Auch Geldbußen sind vorgesehen. Die könnte man
US-Importeuren erlassen, was Lieferungen erleichtern würde.
Das alles sind Maßnahmen, bei denen die EU den Rahmen setzen und die
Unternehmen sachte lenken würde. Zur Not erscheinen aber auch härtere
Eingriffe möglich. Gesehen hat man das nach dem russischen Angriff 2022. Da
wies die Bundesregierung Trading Hub Europe, den Verband der
Gasnetzbetreiber, an, ohne Rücksicht auf die Kosten [5][die unterirdischen
Gasspeicher zu füllen]. Warum soll so etwas nicht auf EU-Ebene denkbar
sein, um genug US-Energie abzunehmen und die Zollvereinbarung mit Trump
umzusetzen?
Und die langfristigen Folgen? Die EU-Kommission betont, das Abkommen stehe
der Energiewende und der Klimaneutralität 2050 nicht entgegen.
DIW-Wissenschaftlerin Kemfert widerspricht: „Der Ausbau der erneuerbaren
Energien wird behindert.“ Denn wenn riesige, zusätzliche Mengen fossiler
Energie in den Markt gedrückt werden müssen, könnte es zum Beispiel
naheliegen, die Bedingungen für Anbieter von Ökostrom politisch zu
verschlechtern.
Der Wirtschaftsprofessor Guntram Wolff bleibt dennoch entspannt. „In der
Praxis glaube ich nicht, dass es eine ernsthafte Strategie gibt, in diesem
Umfang spezifisch aus den USA zu kaufen“, sagt Wolff. „Mir scheint die
Strategie zu sein, dem US-Präsidenten etwas zu versprechen, diese
Versprechen aber nur sehr begrenzt zu halten.“
14 Sep 2025
## LINKS
[1] /Zolldeal-zwischen-Europa-und-USA/!6099419
[2] /Nach-Zoll-Deal-mit-Donald-Trump/!6109227
[3] /EU-Sanktionen/!6104998
[4] /EU-Energieminister-entscheiden-am-Montag/!6091287
[5] /Sorge-vor-Engpaessen-im-Winter/!5859342
## AUTOREN
Hannes Koch
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