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# taz.de -- Neue Amazon-Serie „Das Gift der Seele“: Vergifteter Glamour
> „Das Gift der Seele“ zeigt, wie untergründig die Oberschicht sein kann.
> Eine mitreißende Lovestory und außergewöhnliches Familiendrama.
Bild: Laura und ihr Sohn Danny
„So hat er noch nie über eine Frau gesprochen“, erzählt Laura ([1][Robin
Wright]) ihrer Freundin. Denn Sohn Danny (Laurie Davidson) schwärmt
verzückt von seiner neuen Liebe Cherry (Olivia Cooke).
Das Traumpaar ist der Prototyp gut betuchter Londoner Hipster: Anfang
dreißig, attraktiv und erfolgreich. Er Chirurg aus reicher Familie, sein
Vater Finanzfachmann, Mutter Laura ist angesehene Galeristin. Cherry kommt
aus einfacheren Verhältnissen, hat sich aber zur Immobilienmaklerin
hochgearbeitet. Alles scheint perfekt, aber Dannys Mutter kann Cherry auf
den Tod nicht ausstehen. Sie verdächtigt die neue Freundin ihres Sohnes,
was ihre Herkunft anbelangt zu lügen. Sie soll recht behalten.
Die Amazon-Serie „Das Gift der Seele“ ist eine Adaption des gleichnamigen
Psychothrillerbestsellers von Michelle Frances. Cherrys Familie ist nicht
so gutbürgerlich, wie sie vorgibt. Für ihre Mutter, die eine Fleischerei
betreibt, schämt sie sich, als die ihren Freund Danny trifft. Cherry fällt
es schwer, in den besseren Kreisen mitzuhalten. Im Job geht sie knapp an
einer Beförderung vorbei, die stattdessen ihre inkompetente Kollegin
bekommt, weil „deren Mutter der Firma nützlich sein kann“, erklärt ihr
Boss.
Der klassische Schwiegermutter-Schwiegertochter-Konflikt zwischen Laura und
Cherry als Dreh- und Angelpunkt in diesem rasant erzählten Sechsteiler ist
aber etwas Besonderes. Die Geschichte wird mehrfach aus verschiedenen
Perspektiven erzählt. Wenn Laura ihrer Schwiegertochter in spe aus Versehen
Kaffee übers Kleid schüttet, schreit Cherry aus ihrer Perspektive laut und
aggressiv „Fuck!“.
Kurze Zeit später sehen wir diese Szene aus der Sicht Cherrys, die fast
kleinlaut erklärt, es wäre alles okay und sich dabei sicher ist, dass Laura
das mit Absicht getan hat. „Das Gift der Seele“ zeigt auf drastische und
ungemein unterhaltsame Art, wie unterschiedlich Menschen Ereignisse
erleben.
Danny und Cherry kommen im Spanienurlaub Stunden zu spät zum Edel-Dinner
und machen sich über Laura lustig. Kurz danach dieselbe Szene und die
beiden entschuldigen sich zerknirscht. Das funktioniert wunderbar und setzt
die Klassenschranken der snobistischen Laura gegen die Working-Class-Cherry
herrlich in Szene. Nur wird bald klar, dass Cherry keinen Deut weniger
durchtrieben und manipulativ ist als ihre Gegenspielerin. Ist sie doch eine
Stalkerin, die nur in die Oberschicht einheiraten will?
Alles ändert sich durch einen tragischen Unfall, der das Glück der jung
Verliebten von einem Moment auf den anderen zu beenden scheint. Ist das der
große Moment für Laura, die endlich ihren geliebten Sohn beschützen und
Cherry in die Wüste schicken kann? Das Eskalationspotential dieser
Geschichte ist bemerkenswert und dramaturgisch toll umgesetzt. An Spannung
ist das bis zur letzten Szene kaum zu überbieten. Wegen der vielen
überraschenden Wendungen wäre es schade, zu spoilern. Das würde den
Suchtfaktor beim Zusehen mindern.
„Das Gift der Seele“ ist ebenso mitreißende Lovestory, Londoner
Großstadtgeschichte, außergewöhnliches Familiendrama und die Serie erzählt
pointiert von sozialen Klassenunterschieden, ohne in plattes
Reichen-Bashing abzurutschen. Ein wenig erinnern Infamie, emotionale
Abgründe und Ignoranz der Personen an die HBO-Erfolgsserie [2][„White
Lotus“], nur dass hier noch mehr gelogen und betrogen wird. Auch wenn die
Figuren mitunter etwas überstilisiert sind, ist das gelungene
Fernsehunterhaltung.
10 Sep 2025
## LINKS
[1] /6-Staffel-von-House-of-Cards/!5545073
[2] /Aimee-Lou-Wood-aus-The-White-Lotus/!6077460
## AUTOREN
Florian Schmid
## TAGS
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