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# taz.de -- Steigende Preise: Deutschland braucht eine gerechtere Mehrwertsteuer
> Der Staat verdient daran, dass Menschen Nahrung brauchen – bei armen
> Menschen umso mehr. Das muss unbedingt aufhören.
Bild: Die Amen essen, der Staat kassiert, ungerechter geht's nicht
Mal angenommen, wir müssten unser Steuersystem noch einmal ganz neu
erfinden. Vor uns liegt ein weißes Blatt Papier, das auf Vorschläge für ein
effizientes und gerechtes Steuersystem wartet. Was würden Sie besteuern?
Löhne, Häuser, Autos? Schenkungen und Erbschaften? [1][CO2-Emissionen und
fossile Kraftstoffe]? Und wie halten Sie es mit Grundnahrungsmitteln?
Eine Mehrwertsteuer auf [2][Brot, Butter und Brokkoli] würde verteuern, was
jeder braucht – und damit Menschen ausschließen. Derzeit verdient der Staat
mit, wenn wir Lebensmittel einkaufen.
Die Mehrwertsteuer ist eine der unsozialsten Steuern überhaupt. Wer wenig
hat, muss einen großen Teil seines Einkommens für Essen ausgeben. Wer viel
hat, nur einen Bruchteil. Einkommensschwache tragen daher proportional eine
viel höhere Steuerlast, wenn sie ihre Grundbedürfnisse decken. Den Kellner
und die Mechanikerin treffen die Steuer auf Brot und Butter also härter als
den Bundesligaprofi und die Bankmanagerin.
Dabei könnte eine Befreiung von der Mehrwertsteuer nicht nur für mehr
soziale Gerechtigkeit sorgen, sondern auch der Volkswirtschaft helfen. Denn
wir befinden uns gerade mitten in einer Konsumkrise. Der Einzelhandel klagt
über die schlechte Geschäftslage, die Kauflaune ist im Keller, die
Reallöhne verharren auf dem Niveau von 2019. Eine [3][Befreiung von der
Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel] wäre eine direkte und sofort
spürbare Entlastung. Jeder Einkauf würde günstiger, das verfügbare
Einkommen stiege – und damit auch die Möglichkeit, wieder Geld in die
Wirtschaft zurückzutragen. Den Bundeshaushalt würde das rund 13 Milliarden
Euro pro Jahr kosten, 2025 soll er insgesamt [4][488 Milliarden Euro
umfassen].
Gegner einer Mehrwertsteuersenkung befürchten, dass davon vor allem die
Supermärkte profitieren könnten, indem sie die Differenz einstecken. Dabei
gehört der deutsche Lebensmitteleinzelhandel zu den härtesten
Preiswettbewerben überhaupt, gerade bei Grundnahrungsmitteln wie Brot und
Butter. Unwahrscheinlich also, dass ein Händler die Steuerbefreiung einfach
für höhere Margen nutzen würde. Und wenn doch, dann funktioniert der Markt
im Einzelhandel offensichtlich nicht – das wäre wiederum ein Fall für das
Kartellamt.
Außerdem gibt es längst den Beweis, dass Steuersenkungen im
Lebensmitteleinzelhandel bei den Verbrauchern ankommen: Während der
Coronakrise hat die Bundesregierung die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel von
7 auf 5 Prozent gesenkt. Studien zeigen, dass der allergrößte Teil dieser
Senkung tatsächlich an die Verbraucher weitergegeben wurde – und das,
obwohl die Senkung sogar nur eine Krisenmaßnahme für sechs Monate war.
Ein Blick nach Europa macht zusätzlich deutlich, wie es laufen kann.
Spanien hat im Zuge der Inflationskrise Grundnahrungsmittel zeitweise
komplett von der Mehrwertsteuer befreit. Ärger wegen der
EU-Mehrwertsteuersystemrichtlinie gab es nicht.
Essen darf nicht arm machen. Niemand sollte zwischen Miete und Milch
abwägen müssen, die Steuer auf Grundnahrungsmittel sorgt aber genau dafür.
Sie ist unsozial, ökonomisch kontraproduktiv und moralisch schwer zu
rechtfertigen. Die Bundesregierung sollte deswegen endlich
Grundnahrungsmittel von der Mehrwertsteuer befreien und zeigen, dass sie
ökonomische Existenzängste und soziale Sorgen ernst nimmt.
6 Sep 2025
## LINKS
[1] /CO2-Steuer-statt-Emissionshandel/!6086358
[2] /Probleme-bei-der-Lebensmittelindustrie/!6075029
[3] /Obst-und-Gemuese-ohne-Mehrwertsteuer/!5849979
[4] /Bundeshaushalt-fuer-2025/!6097181
## AUTOREN
Maurice Höfgen
## TAGS
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