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# taz.de -- Berliner Stadtautobahn: Da kann sich mehr bewegen als ein Stau
> Wenn auf der neuen Straße nur Staus drohen, kann man sie doch besser
> gleich anders nutzen. Wieso sollte die Stadt sich nicht auch ohne Auto
> dran freuen?
Bild: Wenn nichts mehr geht beziehungsweise rollt
Nur wenige Tage nach Eröffnung eines neuen Abschnitts der Berliner
Stadtautobahn zwischen Neukölln und Treptow zeigt sich das
verkehrspolitische Desaster. Trotz Ferienzeit stehen die Autos auf dem
Teilstück der A100 im Stau – bis zu 90 Minuten brauchen die motorisierten
Verkehrsteilnehmer:innen für das 3,2 Kilometer lange Teilstück.
Selbst im Schlendertempo wäre man zu Fuß schneller.
Verbesserung ist nicht in Sicht, denn die Autobahn endet im Nadelöhr. Wer
weiter nach Norden in Richtung Friedrichshain will, muss über die
Elsenbrücke, die noch für die kommenden Jahre eine Baustelle ist –
frühestens 2028 soll ein Neubau fertig sein. Wie also umgehen mit dem
Dilemma, unter dem auch der Busverkehr über die Brücke massiv leidet? Eine
bestechend pragmatische Antwort hat der Verkehrsforscher Andreas Knie nun
darauf gegeben: [1][„Warum öffnen wir die Autobahn solange nicht für den
Fuß- und Fahrradverkehr?“]
Die Idee ist nicht nur eine naheliegende Lösung für das programmierte
Dauerchaos, sie ist eine, die geradezu visionär ist für eine Stadt, deren
Kapital und Ruf gerade nicht darauf basiert, dass man hier per Auto mitten
durch die City rasen kann. Was Berlin stattdessen auszeichnet, ist die
Möglichkeit, sich frei zu entfalten und sich den Stadtraum kreativ
anzueignen. Deshalb kommen die Menschen hierher, von Buxtehude bis New
York.
Man stelle es sich einmal bildlich vor: Fußgänger:innen, die mit ihrem
Feierabendbierchen oder dem Hund die Strecke entlang flanieren,
Sprayer:innen, die aus grauen Betonwänden bunte Kunstwerke machen, und
Kinder, die die Fahrbahn mit Straßenkreide verschönern, Feiernde, die die
größtenteils in einem Trog verlaufende Autobahn zum Dancefloor machen, dazu
Skater:innen und Radfahrer:innen, alles dokumentiert von staunenden
Tourist:innen. Bilder dieses freiheitsliebenden, unkonventionellen Berlins
würden um die Welt gehen; von einer Stadt, die sich ewig neu erfindet.
## Asphaltierte Unorte
Wie gut sich die Berliner:innen asphaltierte Unorte zunutze machen
können, lässt sich auf dem Tempelhofer Feld schon lange bestaunen. Tausende
sind hier auf dem ehemaligen Flughafengelände mitten in der Stadt jeden
Tag, um zu gärtnern, Sport zu treiben, in die Ferne zu schauen und den
verkehrsgeplagten Straßen zu entfliehen. Die Autobahn, die nur einen
Bruchteil der Fläche des alten Flughafens ausmacht, wäre ruckzuck von vorne
bis hinten bespielt und genutzt, wie sollte es auch anders sein, wenn
ansonsten überall Freiflächen verschwinden und selbst das Feld von
[2][einem bauwütigen Senat bedroht wird.]
Wie erhaben das Gefühl sein kann, eine Autobahn anders als mit dem Auto zu
nutzen, zeigt sich gelegentlich auf den [3][Fahrrad-Sternfahrten] über die
dann für Autos gesperrte Stadtautobahn. Und ältere Semester erinnern sich
auch noch an autofreie Sonntage infolge der Ölkrise. In manchen Regionen
lebt die Tradition bis heute fort – und immer sind es Volksfeste.
Doch die ganze schöne Vision hat wie immer ihren Haken. Diejenigen, die
neue Autobahnen in Zeiten des drohenden Klimakollapses immer noch für eine
gute Idee halten, ob in Bundesregierung, dem Senat oder der Autobahn GmbH,
versuchen, den Verkehrsinfarkt für ihre Interessen zu instrumentalisieren.
Für sie taugen die Staus dazu, eben auch noch für den Bau eines weiteren
Abschnitts von Treptow nach Friedrichshain zu plädieren. Es würden ja nur
noch schätzungsweise 20 Jahre Stau vergehen, bis die Autos sich dann eine
Abfahrt weiter ballen. Welch brillante Zukunftsvorstellung. Klar ist,
Berlin hat Besseres verdient. Holen wir uns die Auto-Stadt zurück!
5 Sep 2025
## LINKS
[1] /Berliner-Stadtautobahn-A100/!6107706
[2] /Senat-will-das-Tempelhofer-Feld-bebauen/!6098181
[3] /Radverkehr-in-Berlin/!5938284
## AUTOREN
Erik Peter
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Schwerpunkt Stadtland
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