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# taz.de -- Filmfestspiele Venedig: Lieber Duse als Duce
> Lidokino 9: Regisseur Pietro Marcello verbindet in seinem preiswürdigen
> Film „Duse“ das Leben der Diva Eleonora Duse mit dem Aufstieg des
> Faschismus in Italien.
Bild: Valeria Bruni Tedeschi als „Duse“ in Venedig
Über die Schauspielerin Eleonora Duse stand in dieser Zeitung bisher wenig
zu lesen. Was damit zusammenhängen mag, dass sie vor gut 100 Jahren
gestorben ist. In jüngerer Zeit wurde sie oft in Zusammenhang mit dem
italienischen Dichter Gabriele D’Annunzio erwähnt, mit dem sie mehrere
Jahre eine Beziehung führte.
Duse war allerdings einer der bekanntesten internationalen Stars ihrer
Zeit, sie wurde in einem Atemzug mit Kolleginnen wie Sarah Bernhardt
genannt. Mit ihrem ungekünstelten Stil und dem Verzicht auf Dinge wie
Schminke gehört sie zu den Vorläuferinnen des modernen Theaters.
Der Regisseur Pietro Marcello widmet seinen bei den Filmfestspielen von
Venedig im Wettbewerb gezeigten Film „Duse“ den letzten Jahren im Leben der
„Göttlichen“. Der Erste Weltkrieg geht gerade zu Ende, der Faschismus
erstarkt in Italien, und Eleonora Duse plant nach einer langen Pause ihre
Rückkehr ans Theater.
## Spielzeuglandschaft mit Zinnsoldaten
Schon in den ersten Minuten setzt Marcello mit auf unspektakuläre Weise
starken Bildern einen Auftakt für einen der poetischsten und zugleich
politisch wachsten Filme des Wettbewerbs. Man sieht anfangs eine
braun-düster gehaltene Spielzeuglandschaft mit Zinnsoldaten darin.
Dann wechselt die Szenerie zu einer grob metallenen Seilbahn in die
Dolomiten, in der Duse und ihre Assistentin durch wolkenreiche Höhen
fahren. Duse will im Kampfgebiet vor Soldaten sprechen, um sie
aufzumuntern, später lässt sie sich das Lazarett zeigen.
Danach fährt sie nach Venedig, wo sie mit Blick auf die [1][Friedhofsinsel
San Michele] wohnt. Dort überzeugt sie ihre Truppe, mit Henrik Ibsens „Die
Frau am Meer“ an ihre früheren Erfolge anzuknüpfen. Der Grund ist handfest:
Sie hat Geldsorgen. Duses Interpretation wird gefeiert, sie strebt eine
Tour an, wie es in der Vergangenheit bei ihr üblich war. Doch hat sie einen
Gegenspieler, im Film ist es eine Tuberkulose, die sie seit Längerem plagt.
## Valeria Bruni Tedeschi nimmt sich die Leinwand
Valeria Bruni Tedeschi, die mit ihrem zu Extremen neigenden Spiel von
manchen Cinephilen gefürchtet wird, macht ihre Eleonora Duse zum
Kraftzentrum des Films. Von plötzlichen Anfällen kindlicher Euphorie über
grazile Würde bis hin zu kaum beherrschtem Wahnsinn reichen die Register
für ihre Figur, mit denen sie nie übers Ziel hinausschießt, sondern sich
souverän entwaffnend die Leinwand nimmt.
Marcello hatte schon in Filmen wie der [2][Literaturverfilmung „Martin
Eden“ von 2019], ebenfalls in Venedig im Wettbewerb zu sehen, den
aufkommenden Faschismus in seine Geschichte eingearbeitet. Bei „Duse“
gehört dieser untrennbar zum Leben Duses dazu. So war ihr ehemaliger
Geliebter D’Annunzio (Fausto Russo Alesi) nicht bloß eine Inspiration für
den Faschismus, sondern auch ein williger Mentor Mussolinis.
Marcello zeichnet D’Annunzio dabei als ambivalente Figur, als dekadenten
Dichterfürsten, der im Alter seine Ideen durch den Faschismus verraten
sieht und lediglich eine „poetische Revolution“ angestrebt haben will,
anders als die Gewalt, mit der die Schwarzhemden des Duce die Straßen
Italiens terrorisieren.
Auch Eleonora Duse muss sich im Film irgendwann der Realität des Faschismus
stellen. Und auch in diesen schmerzlichen Szenen zeigt Valeria Bruni
Tedeschi ihre Stärke. Ein Preis für ihre Leistung wäre das Mindeste für
„Duse“.
4 Sep 2025
## LINKS
[1] /Buch-von-Daniel-Schreiber-ueber-Trauer/!5974807
[2] /Verfilmung-von-Martin-Eden/!5791644
## AUTOREN
Tim Caspar Boehme
## TAGS
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