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# taz.de -- Agrarreform in Niedersachsen: Ministerin will Investoren vom Acker …
> Niedersachsens Landwirtschaftsministerin hat ein Agrarstrukturgesetz
> vorgestellt. Damit soll der Anstieg der Bodenpreise im Land gestoppt
> werden.
Bild: Wohl eher nicht branchenfremd: Traktor auf niedersächsischem Feld
Hannover/Hamburg taz | Man sollte vorsichtig sein, wenn Minister auf Charts
mit steil ansteigenden Graphen zeigen – mit ein paar optischen Tricks lässt
sich leicht eine Dramatik suggerieren, die es so gar nicht gibt. Die
Dramatik, die Landwirtschaftsministerin Miriam Staudte (Grüne) am Mittwoch
auf einer Pressekonferenz [1][zum Agrarstrukturgesetz nachzeichnet,] ist
aber ausnahmsweise unumstritten.
Die Kauf- und Pachtpreise für landwirtschaftliche Flächen sind in
Niedersachsen gewaltig gestiegen. Pachtpreise von 307 Euro pro Hektar im
Jahr 2010 auf 548 Euro pro Hektar im Jahr 2023. Beim Ackerland fällt die
Kurve (anders als beim Grünland) sogar noch dramatischer aus: 80 Prozent
Preissteigerung in 13 Jahren.
Das, erklärt Staudte, produziert eine ganze Reihe von Problemen:
Berufseinsteigerinnen können solche Investitionen nicht stemmen, kleine bis
mittelständische Betriebe haben Mühe, ihr Pachtland zu halten und beim
ständigen Überbietungswettbewerb mitzuziehen. Die Folge: Intensivere
Bewirtschaftung, hohe Flächenkonzentrationen, branchenfremde Investoren.
Wem oder was man dafür die Schuld gibt, unterscheidet sich ein wenig – je
nachdem, mit welchem Branchenvertreter man spricht. Da sind zum einen die
Käufer und Pächter, die [2][nach der Finanzkrise Land als Wertanlage
entdeckt] haben.
## Steigender Flächenpreis hat viele Ursachen
Dann die Lebensmittelkonzerne, die damit liebäugeln, ihre Produktionsketten
vom Acker bis zur Auslage zu kontrollieren. Und die Energiewende, die dank
öffentlicher Förderung stabilere und langfristigere Erträge bietet als jede
Ernte. Von der Biogasanlage über Photovoltaik und Windkraft bis zum
Batteriespeicher – alles benötigt Flächen.
Einen Kontrollmechanismus gibt es allerdings auch schon länger.
Verkaufspläne für Flächen von mehr als einem halben Hektar müssen bei den
Landkreisen angezeigt werden. Dort beugen sich dann Mitglieder des
„Grundstücksverkehrsausschusses“ über den Deal – und können ihn
gegebenenfalls stoppen.
Diese Ausschüsse – deren Mitglieder von der Landwirtschaftskammer und vom
Landkreis nominiert und vom Kreistag gewählt werden – sollen nun mehr Macht
bekommen. Ihre entscheidenden Hebel sind dabei eine Preisbremse und eine
Begrenzung der Betriebsgrößen.
Wenn der Kaufpreis mehr als 50 Prozent über dem Verkehrswert liegt (eine
Pacht entsprechend über der Durchschnittspacht), soll das Geschäft
untersagt werden können. Wenn die Betriebsgröße durch den Zukauf auf mehr
als das Achtfache der durchschnittlichen Betriebsgröße in Niedersachsen
wächst, gilt dasselbe.
## Wachstum weiter möglich
Damit, sagt die Ministerin, ist Wachstum für regionale Betriebe immer noch
möglich – vermieden werden soll eine extreme Flächenkonzentration, vor
allem bei Betrieben, bei denen es keinen räumlichen Zusammenhang zwischen
Betriebsstandort und Fläche gibt.
Das Landvolk mahnt prompt, man müsse aufpassen, die Ausschüsse nicht zu
überlasten und zusätzliche Bürokratie zu schaffen. Die Ministerin hält
dieses Risiko für gering: „Wir haben an anderen Stellen deutliche
Entlastungen vorgenommen und die Ausschüsse prüfen nach wie vor nur neu
abzuschließende Verträge.“ Nach Auskunft von Andreas Tietz vom
Thünen-Institut werden jährlich nur etwa 0,3 Prozent der niedersächsischen
Agrarflächen zum Verkauf angeboten.
Ottmar Ilchmann von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL)
in Niedersachsen begrüßt den Gesetzentwurf grundsätzlich, sieht aber in der
Besetzung der Ausschüsse, die auch grundsätzlich nicht öffentlich tagen,
eine mögliche Schwachstelle.
Mit seinem eigenen Betrieb im südlichen Ostfriesland sieht er sich der
Konkurrenz großer Mastbetriebe aus den Nachbarkreisen ausgesetzt. Viele
Betriebe hätten jahrelang mehr Tiere auf ihren Flächen gehalten als die
Düngemittelverordnungen erlauben.
Verstärkte Kontrollen der Einhaltung des Grenzwertes für Stickstoff
erzeugten nun eine höhere Bereitschaft, Flächen zu vergrößern. Den dadurch
gewachsenen Bedarf würden größere Betriebe momentan gern durch Zupacht in
benachbarten Gemeinden abdecken. Von den Ausschüssen würden so große,
etablierte Betriebe oft bevorzugt, lokale Kleinbauern hätten dann das
Nachsehen.
Christoph Willeke, landwirtschaftspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion,
hat Verständnis für diese Sorgen, betont aber auch die hohe Fachkompetenz
in den Ausschüssen. Auch Landwirte mit kleineren Betrieben hätten gute
Chancen, dafür aufgestellt zu werden.
## Vorbild Baden-Württemberg
Eine härtere Nuss hat der Gesetzentwurf bei sogenannten „Share Deals“ zu
knacken. Das sind Geschäfte, bei denen nicht die Flächen selbst, sondern
nur Anteile an einer Gesellschaft erworben werden, die die Flächen hält.
Durch diese Hintertür konnten sich branchenfremde Investoren bisher eher
unbesehen einkaufen. Dafür soll das Gesetz eine Genehmigungspflicht
schaffen.
Damit, behauptet die Ministerin, liegt Niedersachsen ziemlich weit vorn. Im
Zuge der Föderalismusreform ist 2006 die Gesetzgebungskompetenz für den
landwirtschaftlichen Grundstücksverkehr vom Bund auf die Länder
übergegangen.
Aber eigentlich hat bisher nur ein Land – Baden-Württemberg – ein
entsprechendes Gesetz geschaffen. Dort ging es darum, Aufkäufe durch Bauern
aus der benachbarten Schweiz einzudämmen.
[3][In einigen ostdeutschen Ländern scheiterten] Regulierungsversuche am
Widerstand von Großstrukturen, die ein Erbe der DDR sind. Das
niedersächsische Agrarstrukturgesetz muss nun noch im Landtag beraten und
beschlossen werden.
4 Sep 2025
## LINKS
[1] https://www.ml.niedersachsen.de/Agrarstrukturgesetz/agrarstrukturgesetz-fur…
[2] /Investitionen-in-Boden/!5800370
[3] /Brandenburgs-Landwirtschaft/!5622119
## AUTOREN
Nadine Conti
Lennart Sämann
## TAGS
Niedersachsen
Landwirtschaft
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