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# taz.de -- Gipfeltreffen in China: Kim Jong Un ist zurück auf der Bühne der …
> 20 Stunden mit dem Zug: Nordkoreas Machthaber hat von allen Staatschefs
> die längste Anreise nach Peking. Doch der Trip dürfte sich für ihn
> lohnen.
Bild: Kim Jong Un (M) freut sich: Ankunft seines Zuges in Peking am 02.09.2025
In der chinesischen Hauptstadt ist es fünf Uhr Nachmittag, als der grün
bemalte Zug in den ikonischen Hauptbahnhof von Peking einfährt. Hinaus
steigt Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un. Trotz 20-stündiger Anreise steht
ihm die gute Laune ins Gesicht geschrieben. Sein kugelsicherer Privatzug
ist zwar mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 60 Kilometern pro
Stunde ziemlich behäbig, aber dafür umso komfortabler: In den Waggons
finden sich geräumige Konferenzzimmer mit Plüschsofas, eine medizinische
Notfalleinrichtung, und natürlich darf der nordkoreanische
Parteivorsitzende überall nach Belieben qualmen.
Man könnte den ersten Peking-Besuch von Kim seit 2019 als triviale
Angelegenheit abtun. In vielen südkoreanischen Medien wird genau das getan:
Da ist die Rede von Kims eigens angefertigter Zugtoilette, die verhindern
soll, dass seine Exkremente nach draußen gelangen und dort von
Geheimdiensten analysiert werden könnten. Auch wird der wahnsinnige Luxus
des Machthabers in allen Details beschrieben – etwa, dass sein Privatzug
auch stets eine schwarze Mercedes-Limousine mit sich führt.
Doch der Hintergrund von Kim Jong Uns Rückkehr auf die internationale Bühne
der Politik ist ernst. Der nordkoreanische Führer reist zu einer
Militärparade am Mittwoch. Das ist seine erste Teilnahme an einer
multilateralen Veranstaltung seit 2011. Damals hatte er die Macht von
seinem verstorbenen Vater Kim Jong Il übernommen.
## Kommt es zu historischem Treffen?
Noch historischer wäre die Reise, sollte es – wie erwartet – zu einem
Dreiertreffen mit Chinas Staatschef Xi Jinping und dem russischen
Präsidenten Wladimir Putin kommen. Dann nämlich wären die Staatsoberhäupter
aus Peking, Moskau und Pjöngjang erstmals seit 66 Jahren wieder vereint.
Traditionell hat Nordkorea seine zwei großen Nachbarn gegeneinander
ausgespielt, um für die eigenen Bedürfnisse maximale Zugeständnisse
herauszuholen. So oszillierte Pjöngjang stets zwischen den Einflusssphären
Chinas und der Sowjetunion – je nachdem, welche Großmacht die
interessanteren Konzessionen bot.
In den letzten Jahren war dies zweifelsohne Moskau. Der Ukrainekrieg hat
nämlich auch in Ostasien für eine Zeitenwende gesorgt. Nordkoreas Kim hat
sich so radikal wie kein zweiter Staatschef an die Seite Putins gestellt:
Pjöngjang lieferte Munition und Artillerie im großen Stil, entsandte
[1][rund 13.000 Soldaten] zur „Befreiung von Kursk“ und weitere 10.000
Arbeiter, die sich auf russischen Baustellen verdingen.
Im Gegenzug lieferte Putin seinem neuen Verbündeten Sicherheitsgarantien,
Militärtechnologie und jede Menge Auslandsdevisen. Für Nordkoreas
Staatsführung stellte sich der Ukrainekrieg als diplomatischer Jackpot
heraus. Sie kann so ihre Volkswirtschaft ebenso wie ihr
[2][Nuklearprogramm] weiterentwickeln, ohne auf eine Lockerung der
westlichen Sanktionen hoffen zu müssen.
## Was Kim Jong Uns Ziel ist
Doch wie der südkoreanische Geheimdienst NIS am Dienstag mitteilte, dürfte
der Machthaber im Norden der Halbinsel das geopolitische Gleichgewicht
wieder etwas austarieren wollen. In Seoul vermutet man: Kim Jong Un wird
die Reise nutzen, um Xi Jinping nach wirtschaftlicher Unterstützung zu
bitten, damit Nordkoreas erdrückende Abhängigkeit von Russland gemindert
werden kann. Denn das hochparanoide und risikoscheue Pjöngjang ist sich
darüber im Klaren, dass der Ukrainekrieg eines Tages enden – und Nordkorea
dann für Russland keinen Wert mehr haben wird.
Innerhalb Chinas dürften Kim Jong Uns Avancen jedenfalls auf fruchtbaren
Boden stoßen. Insbesondere die nordöstlichen Provinzen Liaoning und Jilin,
die für chinesische Verhältnisse ökonomisch abgehängt sind, hoffen auf
einen Aufschwung ihres Bruttoinlandsprodukts durch günstige Arbeitskräfte
und Waren aus Nordkorea.
Zudem könnte Peking durch gesteigerte Zusammenarbeit wieder stärkeren
Einfluss auf den Paria-Staat nehmen. Dass Pjöngjang und Moskau zu nahe
aneinanderrücken könnten, war China stets ein Dorn im Auge. So zumindest
beschreiben es Nordkorea-Experten mit Sitz in Seoul, die zuletzt die
Volksrepublik besucht hatten.
Zudem dürfte Kim bei seinen Treffen mit Xi auch ein paar heikle
diplomatische Fragen ausloten: ob er nämlich von Peking das grüne Licht
für Verhandlungen mit Washington erhält. US-Präsident Donald Turmp hatte
zuletzt Ende August bei einem Gipfel mit dem [3][südkoreanischen
Präsidenten Lee Jae Myung] Interesse bekundet, Kim Jong Un noch in diesem
Jahr zu treffen.
Doch im Gegensatz zu den historischen Zusammenkünften in Singapur (2018)
und Hanoi (2019), als Nordkorea noch massiv unter Druck stand, sitzt das
Land nun am längeren Hebel. Es ist keineswegs mehr darauf angewiesen, dass
die USA ihre Sanktionen lockern. Aber um Trumps narzisstisches Bedürfnis zu
befriedigen, einen Friedensnobelpreis zu ergattern, könnte Kim versuchen,
wirtschaftliche Konzessionen zu erhalten.
## Neue Raketenfabrik
Und um seine Verhandlungsposition zu verbessern, hat Kim kurz vor seiner
Peking-Reise noch eine neue Raketenfabrik sowie eine weitere Anlage
inspiziert, in der Festbrennstoff hergestellt wird – jenes Material also,
mit dem Nordkorea seine Interkontinentalraketen betreiben möchte. Zudem
geht der südkoreanische NIS davon aus, dass Pjöngjang eine weitere
Mobilisierung von 6.000 Militärpersonen nach Russland vorbereitet.
Wie es aussieht, dürfte sich also die Peking-Reise für Kim Jong Un mehr als
lohnen – trotz der 20 Stunden, die er auch für seine Rückreise benötigen
wird. Dass er nicht seinen Jet gewählt hat, hat übrigens weniger mit
Flugangst zu tun, wie es bei seinem Vater Kim Jong Il der Fall war. Es
überwiegen Sicherheitsgründe: Kims Maschine ist mehr als 40 Jahre alt und
nicht mehr auf dem neuesten Stand.
Und dass er mit einem „Air China“-Flugzeug in Peking landet? Das wäre für
den nationalistischen Kim natürlich keine Option.
2 Sep 2025
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## AUTOREN
Fabian Kretschmer
## TAGS
Kim Jong Il
Kim Jong Un
Nordkorea
Russland
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
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Südkorea
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