# taz.de -- Heißer Herbst in Frankreich: Bayrou geht volles Risiko | |
> Frankreichs Regierungschef François Bayrou stellt am 8. September im | |
> Parlament die Vertrauensfrage. Ein Generalstreik bringt ihn in Zugzwang. | |
Bild: Straßenblockade von Landwirten in der Nähe von Agen im Südwesten Frank… | |
Paris taz | Frankreichs Premierminister François Bayrou tritt die Flucht | |
nach vorn an. Mit Zustimmung von Staatspräsident Emmanuel Macron setzt er | |
für den 8. September in der Nationalversammlung [1][eine | |
Vertrauensabstimmung] über seine Regierungspolitik auf die Tagesordnung. | |
Mit dieser überraschenden Ankündigung vom Montagnachmittag geht Bayrou aufs | |
Ganze. | |
Dass er bei dieser Abstimmung eine Mehrheit erhält, erscheint angesichts | |
der Kräfteverhältnisse und der Reaktionen der Parteien unwahrscheinlich. | |
Denn alle Oppositionsparteien von ganz links bis ganz rechts haben | |
angekündigt, dass der Premier und seine Regierung bei diesem Votum von | |
ihnen nicht die geringste Unterstützung erwarten könnten. | |
Im Gegenteil: Der Wortführer der linken Partei La France insoumise (LFI), | |
Jean-Luc Mélenchon, sagte, seine Fraktion werde anschließend, das heißt | |
nach einem Sturz der Regierung am 8. September, gleich auch noch eine | |
Prozedur zur Amtsenthebung von Staatspräsident Emmanuel Macron beantragen. | |
Bayrou wirkt mutig, doch er spielt wie französischen Medien am Dienstag | |
fast einhellig unterstreichen, auf Risiko. Doch hat er eine andere Wahl? | |
Seit seiner Ernennung im Dezember 2024 verfügte er nie über eine stabile | |
Mehrheit, er saß er von Anfang an auf einem Schleudersitz. | |
## Druck der Straße | |
Und jetzt kommt auch noch der Druck der Straße hinzu. Am 10. September will | |
eine bisher sehr heterogene Bewegung aus Protest „alles blockieren“. | |
Begonnen hatte das in den sozialen Netzwerken, wo wütende Bürger dazu | |
aufriefen, an diesem Stichtag alles stillzulegen. Seither mehren sich diese | |
Appelle und finden ein enormes Echo in unterschiedlichen sozialen Kreisen | |
und Berufskategorien. | |
Schon früh ist Mélenchons LFI mit einem Appell zum Generalstreik auf den | |
Zug aufgesprungen, gefolgt von den Grünen und den Kommunisten. Die | |
Zielsetzungen dieser an der Basis entstanden Revolte, die dem Beginn der | |
Protestbewegung der Gelbwesten ab Ende 2018 ähnelt, bleiben noch konfus. | |
Die großen Gewerkschaftsverbände und die Sozialisten zögern daher, diese | |
unkontrollierbare Initiative zu unterstützen. | |
Die Gelbwesten sind der Staatsführung in unliebsamer Erinnerung geblieben. | |
Mit ihren Forderungen nach mehr Kaufkraft, direkter Demokratie und | |
Partizipation und Berücksichtigung der Interessen der vernachlässigten | |
ländlichen Bevölkerungen, hatten sie die Staatsmacht zum Zittern gebracht. | |
Gemeinsam war ihnen die Wut gegen „die da oben“, die „Eliten“, „Reich… | |
und „Privilegierten“. | |
Bayrou weiß, dass die Unzufriedenheit und die Wut im Land unvermindert groß | |
sind. Fast 70 Prozent der Leute befürworten laut einer Umfrage den Appell, | |
am 10. September alles stillzulegen, nur 26 Prozent sind dagegen (vier | |
Prozent sind unentschieden). Der Gefahr, von Streiks, Demonstrationen, | |
Straßenbarrikaden und Ungehorsam am 10. September in die Enge getrieben zu | |
werden, will der Regierungschef zuvorkommen. Als wäre es ihm lieber, selber | |
in den Abgrund zu springen, als sich stoßen zu lassen. | |
## Zwei Feiertage weniger | |
Dramatisch ist die Situation laut Bayrou aber vor allem für die ganze | |
Nation: Frankreich drohe [2][eine verhängnisvolle Schuldenspirale], allein | |
der Schuldendienst für diese Last (mehr als 3.000 Milliarden Euro) könne | |
bald unerträglich werden. Nur die von ihm geplanten 44 Milliarden | |
Einsparungen im Staatshaushalt für 2026 könnten diese tödliche Gefahr noch | |
abwenden, warnte Bayrou bei seiner Pressekonferenz. Alle müssten mithelfen: | |
mit dem Verzicht auf zwei Feiertage, eingefrorenen Altersrenten und | |
Ausgaben fast aller Ministerien. | |
Der Premier appellierte an das Verantwortungsbewusstsein der Bürger, die | |
bisher von den Staatsausgaben profitiert hätten: „Die Wahrheit ist, dass | |
die Schulden von jedem von uns kommen.“ Dank der finanziellen Unterstützung | |
bei der Corona-Epidemie hätten die Menschen profitiert, nun müssten sie | |
Opfer bringen. Wer dies nicht wahrhaben wolle, mache sich schlicht des | |
„Verrats“ schuldig. | |
26 Aug 2025 | |
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## AUTOREN | |
Rudolf Balmer | |
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