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# taz.de -- Raus aus der Identitätskrise: Wie kommen die Grünen wieder nach v…
> Es sind schwierige Zeiten für die Grünen. Ein Weg raus aus dem Dilemma
> wäre volle Unterstützung – besonders für zwei Kandidaten.
Bild: Cem Özdemir beim Landesparteitag von Bündnis 90/Die Grünen in Baden-W�…
Auf die Frage, wie die Grünen nach der Niederlage bei der Bundestagswahl
wieder nach vorn kommen, höre ich derzeit in Berlin folgende Antwort:
„Hmmmm, äh, schwierig.“
Ja. Es ist aber gleichzeitig ganz einfach: Wie man im Fußball in der
Ergebniskrise einen Sieg braucht („Egal wie“), brauchen die Grünen einen
Wahlerfolg. Und wo ist die nächste Wahl? In Baden-Württemberg. In acht
Monaten.
Dort stellen die Grünen seit 14 Jahren den Ministerpräsidenten und die
Mehrheitsfraktion der Regierung. [1][Sie treten an mit Cem Özdemir, dem
drittbeliebtesten Politiker Deutschlands] und dem nach Winfried Kretschmann
bekanntesten und populärsten Politiker Baden-Württembergs (den
Gegenkandidaten der CDU kennt keine Sau). Da muss man doch was draus
machen?
Sollte man denken als naiver Außenstehender. Nun ist mir aber bei den
Bundesgrünen bisher noch keine untergekommen, die gesagt hätte: Wir lassen
den Linke-Realo-Quatsch und gehen alle zusammen voll drauf, die Kollegen
aus Baden-Württemberg stützen wir, damit drehen wir das Ding.
Ich will hier auf keinen Fall das unernste „Müssen wir linker
werden?“-Spiel mitspielen. Das zeigt nur grüne und linke Denkverweigerung
und die Unfähigkeit, die Komplexität der völlig veränderten Problemlage in
der Spätmoderne anzuerkennen. Linkes Häufchen: gut. Die Mitte: angepasste
Konformisten. [2][Das ist nichts anderes als unnötige anachronistische
Identitätskultur.]
## Volle Unterstützung für Özdemir und Bayaz
Doch worin genau liegt jetzt der Unterschied zwischen dem Wunsch nach einer
Welt der Verantwortungslosigkeit, den manche als „progressive“ Minderheit
inszenieren, und Winfried Kretschmanns Partei, die Verantwortung für die
gesamte Gesellschaft übernimmt?
Der Unterschied ist, dass man in einer Regierungskoalition mit
Andersdenkenden den sozialökologischen und gesellschaftspolitischen
Rollback der westlichen Gesellschaften nicht einfach mit Selbstbeschimpfung
und Haltungsgerede ignorieren kann, sondern mit ihm umgehen muss. Man muss
strukturreparierende Politik machen, die eine liberaldemokratische
Gesellschaft zusammenhält, welche den Fortschrittsgedanken derzeit eher
fürchtet als unterstützt.
Wenn es bei den Grünen selbst abschätzig heißt, dass sich Cem Özdemir „an
Wähler anbiedert“, dann heißt das gleichzeitig, dass er auch Menschen für
die Grünen gewinnen will, die die Grüne Jugend oder die Linkspartei nicht
so geil finden, aber im Gegensatz zu ihnen bereit sind, Zukunft zusammen
mit andersdenkenden Liberaldemokraten zu gestalten.
Also: Wenn Özdemir die Wahl gewinnt oder so stark ist, dass es keine
Regierung ohne die Grünen geben kann, dann ist die Partei bundesweit wieder
eine sichtbare Macht. Wenn die anderen Parteien (CDU, SPD, FDP) aber die
Chance haben, die Grünen aus Baden-Württemberg in die Opposition zu
schicken und damit die „führende Partei der linken Mitte“ als
Habeck-Illusion und Kretschmann-Intermezzo zu erledigen, dann werden sie
das tun. Und dann ist Schicht im Schacht.
[3][Es müsste also das oberste Interesse der Bundesgrünen sein, in den
nächsten Monaten Özdemir und Finanzminister Danyal Bayaz zu unterstützen],
wo es geht. Oder zumindest mal zu schweigen, wenn – etwa im Bundesrat –
Entscheidungen anstehen, die der sogenannten grünen Seele nicht
entsprechen. Aber werden sie das hinbekommen? Vor allem jene, die sich vor
der bösen Welt der Verschiedenen fürchten und emotional-kulturell das Ende
der grünen Volkspartei herbeisehnen?
Hm. Überlegt’s euch gut: Davon hängt nicht nur die Zukunft der Bundespartei
ab, sondern auch die der Bundesrepublik Deutschland.
23 Aug 2025
## LINKS
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## AUTOREN
Peter Unfried
## TAGS
Kolumne Die eine Frage
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Cem Özdemir
Baden-Württemberg
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Bündnis 90/Die Grünen
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Grüne Jugend
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