# taz.de -- UN-Verhandlungen in New York: Neue Ära globaler Steuerpolitik | |
> Bisher haben die Industrieländer den Ton bei den globalen Steuern | |
> angegeben. Nun wollen die Vereinten Nationen Regeln für Multis | |
> verhandeln. | |
Bild: Google-Verwaltungsgebäude im Zentrum von Dublin | |
Berlin taz | Zum ersten Mal verhandeln noch bis Ende der Woche alle | |
Mitglieder der Vereinten Nationen in New York gemeinsam ein globales | |
Steuerregime unter dem Dach der UN. Bislang lag die Gestaltung bei der | |
OECD, der Organisation der Industriestaaten. | |
In nur zwei Jahren sollen drei rechtlich bindende Abkommen fertig | |
ausgehandelt sein: die UN-Rahmenkonvention und zwei Zusatzprotokolle – zur | |
[1][Besteuerung von Digitalkonzernen] und zur Beilegung von | |
Steuerstreitigkeiten. Die internationalen Regeln sollen Staaten eine | |
progressive Besteuerung ermöglichen, mehr Transparenz schaffen und die | |
Kooperation von Steuerbehörden verbessern, um Steuervermeidung und illegale | |
Finanztransfers zu minimieren. | |
Eine zentrale Forderung von Entwicklungsländern – die den Prozess | |
angestoßen haben – ist, dass Unternehmen dort Steuern zahlen, wo sie | |
Gewinne erwirtschaften. Nicht, wo ihre Zentralen sind. Auch die | |
[2][Besteuerung von Überreichen] und klimaschädlichen Industrien steht auf | |
der Agenda. | |
Während viele Länder des Globalen Südens neue Regeln schaffen wollen, | |
bemüht sich der Globale Norden, die OECD-Regeln zu erhalten. Etwa die | |
[3][globale Mindeststeuer, die 2021 ins Leben gerufen wurde]. 140 Länder | |
schlossen sich an, die EU hat die Umsetzung in nationales Gesetz bis 2023 | |
vorgeschrieben, Deutschland hat das auch getan. Ende Juni [4][kündigten die | |
G7-Staaten jedoch einen Deal mit den USA an], wonach diese von den | |
OECD-Regeln ausgenommen werden sollen. Das sollte die Initiative retten, | |
hat aber eher ihr Scheitern besiegelt. | |
## Reichen 15 Prozent? | |
Viele Entwicklungsländer sehen gerade darin das Problem. Denn in der OECD | |
sitzen sie nicht mit am Tisch. Außerdem halten sie den vorgesehenen | |
Steuersatz von 15 Prozent bei der globalen Mindeststeuer für zu niedrig. | |
Das größte Problem ist jedoch die Reihenfolge, wo multinationale Konzerne | |
besteuert werden dürfen: [5][erst in den Steueroasen], wo die Firmen | |
registriert sind, dann in ihren Heimatländern und zuletzt dort, wo sie | |
wirtschaftlich tätig sind – und das sind eher die Entwicklungsländer. | |
Die globale Mindeststeuer wirke, weil sie Steueroasen zwingt, ihren | |
Steuersatz zu erhöhen, sagt Christoph Trautvetter von der Zivilorganisation | |
Netzwerk Steuergerechtigkeit. Irland verlange jetzt beispielsweise 15 | |
Prozent statt wie früher 12,5 [6][oder faktisch oft eher 0 Prozent]. Und | |
auch die Bermudas und die Vereinigten Arabischen Emirate führen diesen | |
Steuersatz ein. „Aber es reicht nicht, wenn Microsoft in Irland 15 Prozent | |
Steuern zahlt, sie sollen diese Steuern hier in Deutschland zahlen – da, wo | |
die Gewinne auch herkommen“, sagt Trautvetter. Besonders Entwicklungsländer | |
gingen im aktuellen System leer aus. Die Reihenfolge, wer wann Zugriff hat, | |
könne ohne Weiteres geändert werden. „Für die jetzige Lösung spricht der | |
politische Anreiz: Sie zwingt die Steueroasen mitzumachen. Für den | |
Heimatstaat des Unternehmens spricht, dass es am leichtesten zu verwalten | |
ist. Dem Quellenstaat, also dort, wo Unternehmen wirtschaftlich tätig sind, | |
Vorrang einzuräumen, ist kompliziert und politisch heikel, aber das | |
gerechteste.“ Trautvetter findet darüber hinaus auch, dass der | |
Mindeststeuersatz wenigstens 25 Prozent betragen müsse und dass es bei den | |
jetzigen Regeln zu viele Ausnahmen gibt. | |
## Sündenfall Digitalsteuer | |
„Ideal wäre es, das aktuelle System der OECD zu ersetzen und mit einer | |
einfachen formelhaften Aufteilung der Gewinne und Übergewinne zusätzlich | |
höher zu besteuern“, so der Steuerexperte. Überall, wo Konzerne Gewinne | |
machen, weil etwa Menschen ihre Dienste im Internet nutzen, würden sie dann | |
Abgaben zahlen – berechnet am jeweiligen Anteil der Nutzenden. | |
Bis dahin sei es aber sinnvoll, schrittweise vorzugehen und auf den | |
OECD-Regeln aufzubauen, meint Trautvetter. Dazu gehört [7][auch die | |
Digitalsteuer], die ebenso Teil der OECD-Initiative war. Allerdings sollten | |
die Regeln erst angewandt werden, wenn Länder mit insgesamt 60 Prozent der | |
betroffenen Unternehmen mitmachten. Die meisten Digitalkonzerne sitzen aber | |
in den USA, die also blockieren können – und das auch schon unter | |
Ex-Präsident Joe Biden getan haben. [8][Die USA haben auch die | |
UN-Steuerkonvention bereits verlassen]. | |
Die EU und auch Deutschland haben sich nach anfänglicher Blockade auf den | |
Prozess eingelassen. Ein Sprecher des Finanzministeriums sagte der taz, die | |
Bundesregierung wolle sich „konstruktiv“ einbringen: „Sie unterstützt das | |
Ziel, eine inklusivere Beteiligung aller Staaten an globalen | |
Steuerprozessen zu ermöglichen.“ Zugleich heißt es, es solle „keine | |
parallelen Strukturen zu bestehenden Foren“ wie der OECD geben. | |
Trautvetter sieht den Prozess als Chance, die OECD-Initiative zu | |
verbessern. Hier könne der notwendige Druck gegen die USA aufgebaut werden. | |
„Das Bewusstsein ist da in der Politik, dass es aktuell unfair ist. Aber | |
die Europäische Union und andere fürchten Repressionen von den USA, wenn | |
sie die Mindeststeuer oder Digitalsteuer gegen sie durchsetzen.“ Deshalb | |
brauche es eine breite Allianz, „die hoffentlich in der UN in New York | |
entsteht“, sagt Trautvetter. | |
12 Aug 2025 | |
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[6] /Apple-muss-Steuern-nachzahlen/!6032795 | |
[7] /G20-einigen-sich-auf-Mindeststeuer/!5784807 | |
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## AUTOREN | |
Leila van Rinsum | |
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