# taz.de -- Abschiebung jesidischer Familie: Gericht zeigt sich ungerührt | |
> Allen Ankündigungen zum Trotz: Eine in den Irak abgeschobene jesidische | |
> Familie aus Brandenburg muss im Land der Mörder ihrer Angehörigen | |
> bleiben. | |
Bild: Deutsche „Solidarität“ mit verfolgten Jesid:innen: Abschiebeflug von… | |
Berlin taz | Alle Proteste halfen nichts. Eine in den Irak abgeschobene | |
jesidische Familie aus Brandenburg hat nach einer Gerichtsentscheidung | |
keine Möglichkeit zur Rückkehr nach Deutschland. Das Verwaltungsgericht | |
Potsdam lehnte jetzt den Antrag der Familie ab, die Abschiebung | |
rückabzuwickeln und ihnen die Wiedereinreise nach Deutschland zu gewähren. | |
Der Beschluss sei unanfechtbar, teilte ein Gerichtssprecher am Donnerstag | |
mit. | |
Die Familie mit vier minderjährigen Kindern aus Lychen in der Uckermark war | |
am 22. Juli in den Irak ausgeflogen worden, obwohl ein Gericht ihre | |
Ausreisepflicht am selben Tag aufgehoben hatte. Als die Entscheidung in dem | |
Eilverfahren fiel, saß die nach übereinstimmenden Angaben in Lychen bestens | |
integrierte Familie bereits im Flugzeug nach Bagdad. | |
Der Fall hatte in und weit über Brandenburg hinaus für Schlagzeilen | |
gesorgt. Politiker:innen von SPD, Grünen und Linken protestierten, | |
Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) kündigte eine | |
„kritische Aufarbeitung“ der Abschiebung an, [1][Innenminister René Wilke | |
(parteilos, für SPD) ging mit Blick auf das Urteil im Eilverfahren sogar | |
noch weiter]. | |
Unmittelbar nach der Abschiebung erklärte Wilke: „Angesichts der Verkettung | |
der Umstände, des konkreten Schicksals der Familie und des Gebotes, | |
Rechtskonformität herzustellen, habe ich die zuständigen Behörden in | |
Brandenburg damit beauftragt, in Abstimmung mit den Behörden des Bundes auf | |
die zügige Rückholung der Familie hinzuwirken, sofern die gerichtliche | |
Entscheidung Bestand hat.“ | |
## Abschiebestopp erst in Bagdad wirksam | |
Das Verwaltungsgericht zeigte sich nun ungerührt. Die Entscheidung vom 22. | |
Juli sei den Beteiligten erst nach der Landung in Bagdad bekannt gegeben | |
worden und sei damit auch erst in diesem Moment „wirksam“ geworden. Das | |
Gericht hätte auch sagen können: Pech gehabt. Wörtlich heißt es: „Eine | |
Rückwirkung des Änderungsbeschlusses auf die Zeit vor seiner Bekanntgabe | |
ist nach Auffassung des Gerichtes nicht gegeben.“ | |
Anders als die 2022 aus dem Nord-Irak nach Deutschland gekommene Familie | |
und ihre Anwältin gehen die Potsdamer Richter:innen auch nicht davon | |
aus, dass die Abschiebung überhaupt rechtswidrig war. Nach einer | |
Entscheidung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf) vom März | |
2023 seien die Lychener:innen ausreisepflichtig gewesen. Der Asylantrag | |
wurde als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt. | |
Die Jesid:innen sind eine religiöse Minderheit, die ab 2014 im Irak | |
während der Terrorherrschaft des Islamischen Staats bestialisch verfolgt | |
wurde. Der Bundestag hatte 2023 die Verbrechen des IS als Völkermord | |
anerkannt. | |
Vergeblich hatte die Familie dabei rund zwei Jahre lang versucht, sich vor | |
Gericht gegen die Ablehnung ihres Asylantrags zu wehren. „Einen Asylantrag | |
von Menschen, die einen Genozid überlebt haben und deren Herkunftsregion | |
immer noch zerstört ist, kann man nicht mit guten Argumenten als | |
offensichtlich unbegründet ablehnen“, sagte die Rechtsanwältin der Familie | |
mit Blick auf die Entscheidung des Bamf. | |
Die Ablehnung durch das Bamf sei rechtens gewesen, befand nun noch einmal | |
das Verwaltungsgericht. Man sei „weiterhin der Auffassung, dass den | |
Antragstellern keine Schutzrechte zukommen“. Die Kläger:innen hätten im | |
Irak keine „individuelle Verfolgung“ erlitten, die „Gefahr einer solchen | |
Bedrohung etwa durch die Terrororganisation IS“ bestehe nicht mehr. Und | |
überhaupt gebe es „keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass Jesiden | |
eine Gruppenverfolgung durch den IS oder eine staatliche Verfolgung im Irak | |
droht“. | |
## Leere Worte zum Jahrestag des Genozids | |
Am vergangenen Sonntag [2][jährte sich der Beginn des Genozids an den | |
Jesid:innen im Irak zum elften Mal]. Der Beauftragte der Bundesregierung | |
für Religions- und Weltanschauungsfreiheit, Thomas Rachel (CDU), erklärte | |
aus diesem Anlass: „Unsere Gedanken gelten den Ermordeten und dem | |
unermesslichen Leid der Überlebenden und der Angehörigen.“ | |
Bis heute wirkten die traumatischen Erlebnisse der Überlebenden nach, die | |
Zerstörungen in den Heimatregionen der jesidischen Gemeinschaft seien immer | |
noch groß, so Rachel weiter. Und: „Es mangelt oftmals an | |
Zukunftsperspektiven für die betroffenen Familien.“ | |
Die Anerkennung des Völkermords durch den Bundestag 2023 nannte Rachel ein | |
„wichtiges Zeichen für die jesidische Gemeinschaft“. Kein Wort verlor er | |
stattdessen über das mit dem Beschluss verbundene Schutzversprechen | |
gegenüber den Jesid:innen. Schon im Juli [3][hatte ein Bruder der | |
Abgeschobenen zur taz gesagt]: „Aktuell fühlt sich das für mich wie eine | |
bloße Floskel an.“ | |
8 Aug 2025 | |
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## AUTOREN | |
Rainer Rutz | |
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