| # taz.de -- Finanznot der Krankenkassen: Milliardenklage gegen den Bund | |
| > Die Krankenkassen sind klamm. Auch, weil sie gesamtgesellschaftliche | |
| > Aufgaben, wie die Versorgung von Bürgergeldempfängern mitfinanzieren. Nun | |
| > klagen sie. | |
| Bild: Wer zahlt für jene, die keine Krankenkassenbeiträge zahlen können: Die… | |
| Berlin taz | Vor dem Hintergrund der Kostendiskussion bei der gesetzlichen | |
| Krankenversicherung erhöht der Spitzenverband der gesetzlichen | |
| Krankenversicherung jetzt den Druck: Am Donnerstag beschloss dessen | |
| Verwaltungsrat, gegen die Bundesrepublik Klage einzureichen. Konkret geht | |
| es um Leistungen für Bürgergeldempfänger*innen, für die die gesetzlichen | |
| Krankenkassen jedes Jahr Milliarden draufzahlen. Es spreche nichts gegen | |
| die Einbeziehung der Bürgergeldempfänger*innen in die gesetzliche | |
| Krankenversicherung, heißt es vom Spitzenverband, aber bezahlen müsse dafür | |
| der Staat. | |
| Das Prinzip der gesetzlichen Krankenversicherung ist einfach: Die | |
| Versicherten und ihre Arbeitgeber bezahlen gemäß ihres Einkommens einen | |
| Beitrag und erhalten dafür Leistungen zur Vorsorge oder im Krankheitsfall. | |
| Dem Solidarprinzip folgend sind die Leistungen für alle gleich, egal ob sie | |
| viel oder wenig einzahlen können, egal ob sie oft oder kaum krank werden. | |
| Daneben gibt es Menschen, die gar nicht in die gesetzliche | |
| Krankenversicherung einzahlen können, weil sie kein Einkommen haben – zum | |
| Beispiel arbeitslose, mittellose Menschen. Es ist eine sozialpolitische | |
| Entscheidung des Staates, dass diese Menschen ebenfalls Leistungen aus der | |
| Krankenversicherung erhalten, obwohl sie keine Versicherungsbeiträge zahlen | |
| können. Auch diese staatliche Daseinsvorsorge folgt dem Solidarprinzip. | |
| Die große Frage ist nur, wer für diese Leistungen bezahlt: allein die | |
| gesetzlich Versicherten und ihre Arbeitgeber – oder die Gesamtheit aller | |
| Steuerzahlenden? | |
| ## Die Politik sieht Handlungsbedarf – doch tut nichts | |
| Der Bund bezuschusst die medizinische Versorgung von | |
| Bürgergeldempfänger*innen mit einer Pauschale – derzeit sind das | |
| laut Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung 133 Euro monatlich | |
| pro Bürgergeldempfänger*in. Das deckt aber [1][laut einem Gutachten | |
| des IGES-Instituts] für Gesundheitsforschung nicht einmal 40 Prozent der | |
| tatsächlichen Kosten. Der Rest – jährlich über 9 Milliarden Euro – muss … | |
| den Beiträgen der gesetzlich Versicherten bezahlt werden. | |
| Im Grunde sieht auch die Bundespolitik hier seit längerem Handlungsbedarf. | |
| [2][Sowohl im Koalitionsvertrag 2018] als [3][auch in dem von 2021] hatte | |
| die jeweilige Koalition angekündigt, die Beiträge für hilfebedürftige | |
| arbeitslose Menschen aus Steuermitteln zu finanzieren. Passiert ist | |
| allerdings nichts und [4][im aktuellen Koalitionsvertrag] hat die | |
| schwarz-rote Regierung nicht einmal mehr die Absicht formuliert. | |
| Im Herbst werden die Bundeszuschüsse für die | |
| Bürgergeldempfänger*innen erneut zugewiesen – gegen diesen Bescheid | |
| will der Spitzenverband dann i[5][m Auftrag der Mehrzahl der insgesamt 94 | |
| gesetzlichen Krankenkassen klagen], und zwar in erster Instanz vor dem | |
| Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen. Die Erfolgsaussichten seien gut, | |
| das habe die bisherige Rechtsprechung des [6][Bundesverfassungsgerichts zur | |
| Zweckbindung von Versicherungsbeiträgen] gezeigt, sagte Susanne Wagenmann, | |
| Verwaltungsratsvorsitzende des Spitzenverbands am Donnerstag. | |
| Dass man sich bei der aktuell angestrebten Klage auf die Unterfinanzierung | |
| bei Bürgergeldempfänger*innen konzentriere, liege daran, dass hier | |
| die Summe so relevant und die Erfolgsaussichten so hoch seien, sagte | |
| Wagenmann. Man erhoffe sich aber vom Prozess eine hohe Strahlkraft, denn | |
| dies sei nur eine von vielen sogenannten versicherungsfremden Leistungen, | |
| die Kranken- und Pflegekassen sowie die gesetzliche Rentenversicherung | |
| anstelle des Staates finanzieren. | |
| Die Gesamtausgaben der gesetzlichen Kassen lagen im vergangenen Jahr | |
| [7][bei mehr als 327 Milliarden Euro] – mit steigender Tendenz. Für den | |
| Beginn des kommenden Jahres drohen deshalb erneut steigende Zusatzbeiträge. | |
| Die Klage wird darauf keinen Einfluss haben – zu erwarten sind Jahre der | |
| Prozessführung bis zum Bundesverfassungsgericht. Deshalb seien nach wie vor | |
| auch strukturelle Reformen etwa bei der Finanzierung von Arzneimitteln und | |
| Krankenhausleistungen nötig, so Wagenmann. Bundesgesundheitsministerin Nina | |
| Warken (CDU) hatte in dieser Woche angekündigt, eine Kommission werde bis | |
| zum Frühjahr Reformvorschläge vorlegen. Auch Leistungskürzungen seien nicht | |
| mehr ausgeschlossen. | |
| 11 Sep 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.iges.com/kunden/gesundheit/forschungsergebnisse/2024/arbeitslos… | |
| [2] https://www.bundesregierung.de/breg-de/suche/koalitionsvertrag-zwischen-cdu… | |
| [3] https://fragdenstaat.de/dokumente/142083-koalitionsvertrag-2021-2025/ | |
| [4] https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/koalitionsvertrag-2025-234… | |
| [5] https://www.gkv-spitzenverband.de/gkv_spitzenverband/presse/pressemitteilun… | |
| [6] https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2018/0… | |
| [7] /Steigende-Ausgaben/!6112114 | |
| ## AUTOREN | |
| Manuela Heim | |
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