| # taz.de -- Bayrischer Regelungswahnsinn: Chipsverbot nach 20 Uhr | |
| > Das Münchener Kreisverwaltungsreferat schafft Regeln für den Chipsverkauf | |
| > in München. Das ist alles andere als „Liberalitas Bavarica“. | |
| Bild: Zwar feinst säuberlich gestapelt und dennoch nicht den Regeln entspreche… | |
| Neulich beim Konzert einer jungen, aufstrebenden und ziemlich harten | |
| Independent-Rockband in einem Münchner Jugendhaus: Einige ältere Besucher | |
| rauchen in der Pause draußen, knapp vor dem Begrenzungsstein des Areals und | |
| nicht dahinter. Die Sozialarbeiterin erteilt einen Rüffel – Jugendschutz, | |
| schlechtes Vorbild und so. Bitte 50 Zentimeter weiter treten. „Da kann ich | |
| sehr ungemütlich werden.“ Einer meint: „Und zum Kiffen müssen wir 50 Meter | |
| weggehen.“ Die Sozialarbeiterin verkauft übrigens selbst [1][Augustiner | |
| Helles, das gemeinhin Gustl genannt wird], auf dem Konzert. | |
| Womit wir beim Thema bayerische Regulierungswut, bayerische Kontrollen und | |
| bayerisches Bier sind. In München sorgt gerade ein Erlass des | |
| Kreisverwaltungsreferats (KVR), das ist eine Art städtisches | |
| Innenministerium, für Aufsehen, Verärgerung und Protest. Spätkioske dürfen | |
| in der Outdoor-Feierzone um das Hauptgebäude der | |
| Ludwig-Maximilians-Universität in der Maxvorstadt [2][nach 22 Uhr kein Bier | |
| mehr verkaufen]. Für Chips ist die Regelung noch schärfer, deren Abgabe ist | |
| nur bis 20 Uhr erlaubt. | |
| Welches KVR-Hirn den Schmarrn mit der zeitlichen Differenzierung | |
| aufgebracht hat und was damit bezweckt werden soll, bleibt schleierhaft. | |
| Das zumeist jüngere Feierpublikum meint jedenfalls, dass Chips besser zum | |
| Bier passen als die auch später noch erhältlichen Süßigkeiten. | |
| Das Aushungern und Austrocknen des Partyvolks hat aber – egal ob nach 20 | |
| oder 22 Uhr – eine klare Stoßrichtung: Es soll weniger gefeiert werden auf | |
| der offenen und kostengünstigen Straße, viel weniger. Die Anwohner, zu | |
| denen wir noch näher kommen werden, beschweren sich. Es geht um | |
| [3][Ruhestörung], also Lärm, um mit Müll verdreckte Straßen am Morgen | |
| danach. Es geht – um Großstadt. Und da muss man nicht die alt-abgestandene | |
| Debatte eröffnen, ob München eine solche ist oder eben nur ein großes Dorf. | |
| ## Ist das Entbürokratisierung | |
| „Liberalitas Bavarica“ lautet eine bayerische Verheißung, übersetzt wird | |
| das mit „Leben und leben lassen“. Damit ist es oftmals nicht weit her. | |
| [4][Die CSU will nach eigenem Bekunden zwar den Freistaat | |
| entbürokratisieren]. Doch was hier beim Thema Ladenöffnungszeiten, | |
| Spätverkauf und Gastronomiegesetzgebung zusammenläuft, ist kompliziertester | |
| Regelungswahnsinn. Ja, scharfe Gesetze und scharfe Kontrollen müssen sein – | |
| wenn es etwa um Mieterschutz geht, um Arbeitsrecht oder Steuer- und | |
| Umweltkriminalität. | |
| Auch in München ist es möglich, Spätis zu betreiben. Aber unter, sagen wir | |
| mal, erschwerten Bedingungen. Wer sich einlesen möchte, der google | |
| „bayerisches Ladenschlussgesetz“ sowie „erlaubnisfreie Gaststätte“. Da | |
| steht drin, welche Unterschiede es bei Süßigkeiten, Chips und Bier gibt. | |
| [5][Markus Söder möchte ins Weltall], München will die [6][olympischen | |
| Sommerspiele] holen. Doch in der Stadt, im Uni-Viertel, soll es keinen Lärm | |
| geben. Den gestopften Bürgern mittleren Alters, die so hip und offen tun, | |
| ist es am Starnberger See mit den ganzen uralten Ex-Managern viel zu | |
| langweilig. Sie leben im sanierten Luxus-Loft in der Maxvorstadt und wollen | |
| das Drumherum auch nach ihren Vorstellungen haben. Scampi beim | |
| Edel-Italiener – ja, gewissermaßen ein Grundnahrungsmittel. Junge | |
| Gustl-Trinker auf der Straße – nein. | |
| Es geht um die große Frage, wem die Stadt gehört und wer sie wie nutzt. | |
| Darüber muss verhandelt werden, ohne dass die Münchner Reichen ihre guten | |
| Drähte in die Politik nutzen können. Gleich um die Ecke in der Türkenstraße | |
| wurden die alteingesessenen Mieter in einigen schönen Altbauten auf | |
| brutalste Weise vertrieben und die Häuser abgerissen. Gerade jetzt | |
| entstehen dort die [7][„Maxhöfe“], 59 neue Eigentumswohnungen sind im | |
| Angebot, zwei Zimmer für über eine Million Euro, sechs Zimmer „über den | |
| Dächern der Maxvorstadt“ für knapp sechs. | |
| Solche Beispiele gibt es zuhauf. Ein einst im Besitz des Freistaats | |
| befindliches Haus nahe dem Hofgarten mit vielen Ein-Zimmer-Apartments und | |
| einkommensschwachen, älteren Mietern wurde an einen Immo-Hai verscherbelt. | |
| Der verkauft die Wohnungen einzeln, und wenn der Mieter noch drin ist, haut | |
| der neue Eigentümer ihn raus. Die Proteste dagegen sind begrenzt. Die | |
| feiernden Jungen stören mehr. | |
| 19 Aug 2025 | |
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| [1] /Der-Weg-des-Augustinerbiers/!5949082 | |
| [2] https://www.sueddeutsche.de/muenchen/muenchen-uni-viertel-maxvorstadt-bierv… | |
| [3] /Berliner-Nachtleben/!6099675 | |
| [4] https://www.csu-landtag.de/lokal_1_4_2194_CSU-Fraktion-zum-Dritten-Modernis… | |
| [5] https://www.br.de/nachrichten/bayern/soeder-traeumt-beim-bayerischen-mondgi… | |
| [6] /Der-NOlympia-Rap-/!6101352 | |
| [7] https://www.merkur.de/lokales/muenchen/maxvorstadt-ort43329/entmietungen-mu… | |
| ## AUTOREN | |
| Patrick Guyton | |
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