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# taz.de -- Beim Gaufest im bayrischen Feldwies: Die Kraft der Tracht
> Trachtenvereine gelten als geschlossene Gesellschaft. Doch allen, die neu
> in der Dorfgemeinschaft sind, kann das Mitmachen helfen, anzukommen.
Bild: Gaufest in Feldwies: Luan Klemmer (links) und Freund Moritz Keller, beide…
Feldwies taz | Claudia Klemmer sucht einen Platz. Es ist ein Sonntag Ende
Juli, in [1][Feldwies am Chiemsee] feiert der Chiemgauer Trachtenverband
sein Gaufest – und alle Tische im Bierzelt sind reserviert. Claudia
Klemmer, 41 Jahre alt, in Polen geboren, im Ruhrgebiet aufgewachsen, 2019
in das oberbayerische Dorf gezogen, weiß für einen Moment nicht, wo sie und
ihr Mann hier hingehören.
Die Stimmung im Zelt ist sowieso angespannt. Drei Jahre lang hat der
Trachtenverein des 2.000-Seelen-Orts Feldwies das Fest vorbereitet, eine
schöne Holzbar im Freien gezimmert, einen Pizzastand vor dem Zelt
aufgestellt. Doch seit Tagen regnet es in Strömen. Die Chiemgauer Alpen,
die ein pittoresker Hintergrund sein sollten, ragen dunkel aus den Wolken,
der Pegel des nahen Sees steigt und steigt, die Parkplatzwiese ist schon
überschwemmt.
„Es ist enorm, mit wie viel Einsatz und Hingabe sich die Mitglieder hier
ehrenamtlich engagieren“, sagt Claudia Klemmer, noch immer auf Platzsuche.
„Nur das Wetter ist enttäuschend.“ Der Festgottesdienst wurde vom Freien
ins Bierzelt verlegt, hunderte Menschen drängen jetzt unter den weiß-blauen
Planenhimmel. Doch die Frage bleibt: Wie soll der bunte Trachtenzug am
Nachmittag durchs Dorf ziehen? Was bringt die prächtigste Tracht, wenn sie
verschwindet unter Plastiküberzügen und Schirmen?
Tracht kommt von tragen. Als mit der Aufklärung ständische Kleiderordnungen
fielen, durfte auch das „einfache Volk“ Farben und feinere Stoffe tragen.
Tracht reimt sich auf Macht. Zur „Festigung des Nationalgefühls“ in seinem
noch jungen Reich befahl der aufgeklärte bayerische König Maximilian II.
Joseph Mitte des 19. Jahrhunderts, dass die „in den einzelnen Theilen des
Königreiches herkömmlichen Trachten“ in Zeiten der aufkommenden
Industriemode erhalten werden sollten.
## Bayerische Herrscher und die Tracht
In fast jedem bayerischen Dorf stellen sich
„Gebirgstrachtenerhaltungsvereine“ seitdem dieser Aufgabe, organisiert sind
sie in Dachvereinigungen, den sogenannten Gauverbänden. Im Feldwieser
Festzelt feiern sich heute zum 87. Mal die Vereine des [2][„Chiemgau
Alpenverbands – Für Tracht und Sitte“], am überdachten Eingang des
Festzelts haben sie ihre goldbestickten, regennassen Samtfahnen
aufgestellt.
Auch heute noch versprechen sich die bayerischen Herrscher etwas von der
Tracht. Als Markus Söder 2022 den US-Präsidenten vom Münchner Flughafen
abholte, standen Trachtler:innen Spalier. Auch als der Ministerpräsident
Mitte Juli dem Bundeskanzler die Zugspitze zeigte, tanzten Trachtenpaare im
Gipfelnebel. Die Trachtenvereine im Freistaat gelten als CSU-Bastionen und
als geschlossene Gesellschaft. Doch scheint es, als öffnete sich diese
Gesellschaft mehr und mehr.
Liv Klemmer ist 10 Jahre alt, trägt ihre blonden Haare in Zöpfen
geflochten, ein schwarzes Dirndl mit hellblau-seidiger Schürze und einen
Hut mit weißem Adlerflaum darauf. Ihr Bruder Luan (8) trägt zur Lederhose
die hellgrünen Wadenstrümpfe des Feldwieser Vereins und einen Gamsbart auf
dem Hut, ein Büschel aus den Rückenhaaren der Alpengämse.
Es waren die Kinder der Klemmers, die den Trachtenverein für sich entdeckt
haben, es sind die Kinder, die jetzt im Bierzelt ihren Eltern einen Platz
zuweisen. Claudia Klemmer hat ein einfaches Dirndl an, ihr Mann eine helle
Lederhose. Die beiden werden hinter den Mitgliedern in „ordentlicher“
Vereinstracht platziert, aber weit vorne im Zelt.
## Auch ihr Bruder Luan hat Feuer gefangen
„Liv ist ein offenes Kind“, sagt Claudia Klemmer, endlich sitzend. Als die
Familie 2019 der Arbeit wegen von Witten bei Dortmund nach Bayern zog, habe
die damals Vierjährige in der Kita drei Freundinnen aus Trachtenfamilien
gewonnen. Als nach der Coronapandemie die wöchentlichen Tanzproben der
Trachten-Kindergruppe wieder losgingen, schauten die vier Freundinnen bei
den Proben zu – und blieben dem Verein seitdem treu. Auch ihr Bruder Luan
hat über Kitafreunde Feuer gefangen für die „Trachtensach’“ – ihre El…
haben die beiden mitintegriert.
Etwas fremd seien ihr die Kleidung und die Musik anfangs ja gewesen, sagt
Claudia Klemmer. „Aber schon in der ersten Trachtenprobe hatte ich
überhaupt nicht das Gefühl, dass wir weniger dazugehören, weil wir aus NRW
kommen.“
Vater Mario Klemmer ist in Thüringen geboren, seine Familie reiste 1986 aus
der DDR aus in den Westen. Er brennt für die bayerische Natur, steigt oft
schon vor Sonnenaufgang allein auf die Berge, doch auch mit dem
Trachtenverein kann Klemmer mittlerweile etwas anfangen. „Man sieht sich
beim Preisplatteln, bei den Proben, bei den Festen“, sagt er, „einsam ist
keiner in so einer großen Gemeinschaft.“ Mario Klemmer wendet das Liedblatt
zum Festgottesdienst vor sich auf dem Biertisch und scherzt: „Aber
eigentlich bin ich evangelisch.“
Punkt 10 Uhr, Alphörner blasen zum Beginn der katholischen Festmesse. Auf
der Bühne steht ein Kreuz aus bunten Feldblumen, der örtliche
Gartenbauverein hat den improvisierten Altar mit Schilf und Rohrkolben
dekoriert, eine gemalte Kulisse zeigt den Chiemsee, wie er sich heute
draußen partout nicht zeigen will. Schon am frühen Morgen ging in den
Vereins-Whatsapp-Gruppen die Kunde, dass der Gottesdienst auf freier Wiese
abgesagt ist und was zu tun sei. Flexibilität können die Trachtenvereine,
anpacken auch. Viele Mitglieder verdienen als Unternehmer:innen ihr
Geld oder als selbstbewusste Handwerker:innen.
## Statt Weihrauch Bratenrauch
Statt Weihrauch weht jetzt Bratenrauch um die Nasen der Trachtengemeinde,
im Küchenzelt sind sie angewiesen, den Schweinebraten leise vorzubereiten,
die Vorständin des Feldwieser Trachtenvereins tritt ans Mikrofon und bittet
darum, die Maßkrüge für die Dauer der Messe unter den Tisch zu stellen.
Wenn die Andacht bei anderen Festen in Konkurrenz steht zum Bierzelt, kommt
heute wegen des Wetters niemand davon: Kyrie, Gloria, „Großer Gott, wir
loben dich“.
Vor lauter Langweile vergleichen ein paar Trachtenjungen die Blumen auf
ihren abgenommenen Filzhüten. Wer hat die schönste Geranie, Rose, Nelke
neben dem Gamsbart stecken? Wer die meisten Preisabzeichen? Ein gewisser
Wettbewerb gehört dazu zum Trachtenverein, auf verschiedenen Ebenen tritt
man an, um bester Plattler, beste Dreherin, bestes Tanzpaar zu werden.
Die Bibellesung trägt in der Messe eine Frau im schwarzen Röcki vor, dem
seidigen Miederkleid der verheirateten Trachtlerinnen, auf dem Kopf trägt
sie den steifen „Priener Hut“ mit Goldbesatz. Sie erzählt von Abraham, der
mit Gott verhandelt, wie viele Anständige er in Sodom und Gomorrha finden
müsste, damit die sündigen Städte nicht vernichtet werden. Von 50 Gerechten
handelt Abraham den Allmächtigen schrittweise auf 10 herunter. Altes
Testament trifft auf altbayerisches Lebensgefühl.
„Als Trachtler ist man nie allein“, hatte der Gauvorstand schon früher am
Morgen auf der Bühne gesagt und den Landrat (Freie Wähler!), die
Bürgermeister:innen (schwarze, ein roter, ein grüner!) und den
evangelischen (!) Ortspfarrer im Publikum begrüßt. „Liebe Gott!“, steht a…
dem ledernen Ranzen eines Trachtlers, gestickt in traditionellem
Pfauenkiel. „Heimat, Werte, Tracht, Gemeinschaft“, beschwor der Gauvorstand
in dieser „schnelllebigen Zeit“. Und natürlich auch den christlichen
Glauben: „Ein Gaufest ohne Gottesdienst ist für mich nicht vorstellbar.“
## „Unmoral und Sittenlosigkeit“
Dabei hatte die Kirche anfangs doch große Probleme mit der
Trachtenvereinskultur. 1883 gründete der Lehrer Josef Vogel in Bayrischzell
den ersten bayerischen Trachtenverein. Hauptzweck laut Satzung und ganz im
Sinne des Königshauses: „Wiederauffrischung der im Verschwinden begriffenen
kleidsamen Volkstracht“.
Doch die Trachtentreffen und Ausflüge von jungen Handwerkern und
Dienstbotinnen gefielen den katholischen Kirchenmännern gar nicht. „Unmoral
und Sittenlosigkeit“ unterstellten sie angesichts von kurzen Lederhosen und
„tänzerischen Aktivitäten“ unter Biereinfluss. Bis 1920 wurde vielen
Vereinen zudem eine sozialistische Gesinnung nachgesagt. „Diesem
nichtbürgerlichen Kulturmilieu mit Tendenz zur Flucht aus der kirchlichen
Überwachung verweigerten Kirchenvertreter die Weihe der Vereinsfahnen bis
in die 1930er Jahre“, schreibt der Kulturwissenschaftler Manfred Seifert.
Wie so eine Tracht eigentlich aussehen sollte, da inspirierten Land und
Stadt sich gegenseitig.
In den gehobenen Schichten Münchens waren es [3][die Brüder Wallach,
alpenbegeisterte jüdische Kaufleute aus Bielefeld], die ab 1900 die Tracht
mit ihrem „Volkstrachtengeschäft“ popularisierten. Zum 100-jährigen
Jubiläum des Oktoberfestes 1910 kostümierten die Wallachs unentgeltlich den
historischen Landestrachtenzug. „Bis zur Entdeckung von Tracht und Dirndl
als politisch programmatische wie rassistische Waffe durch die
Nationalsozialisten dienten Tracht und Dirndl unter künstlerisch affinen
Menschen als Spiel mit einem binnenexotischen Chic“, schreibt die
Ethnologin Elsbeth Wallnöfer. Die Tracht bot Behagen im Unbehagen der
Moderne.
1930 schneiderten die Brüder Wallach die Bühnenkostüme für die [4][Operette
„Im weißen Rößl“], die ausgerechnet in Berlin zum Erfolg wurde und das
Dirndl europaweit zum Renner machte. Die Wallachs orientierten sich an
historischen Zeichnungen, nicht so sehr an den Modellen der Tiroler
Nationalsozialistin Gertrud Pesendorfer, die während der NS-Zeit als
„Reichsbeauftragte für Trachtenarbeit“ eine „erneuerte Tracht“ erfand.
## Max Wallach ermordeten die Nazis in Auschwitz
Juden wie den Wallachs verboten die Nazis schließlich, die Volkskultur zu
nutzen, „obwohl diese sie zum Teil besser dokumentierten als alle
Volkskundler damals und nachher“, schreibt Wallnöfer. Die Trachtenvereine
schalteten die Nazis gegen den Willen der Vorstände gleich, Max Wallach
ermordeten sie in Auschwitz.
Im Feldwieser Bierzelt predigt der Priester jetzt darüber, dass die Tracht
verschiedene Regierungsformen überlebt habe. „Geschichte darf sich nicht
wiederholen in ihren dunklen Facetten“, sagt er. Gemeinschaftsbildende
Traditionen hätten aber nach wie vor ihren Wert. Brauchtum schaffe
Strukturen im Leben, wie auch das Gebet. Amen.
Draußen regnet es noch immer. Das ärgert viele im Zelt, besonders weil der
benachbarte, viel größere Gauverband bei seinem Fest am Wochenende zuvor
bei strahlendem Sonnenschein durch die Kreisstadt ziehen konnte. Trotzig
holen 4.000 Lungen zum Abschluss der Messe Luft. „Gott mit dir, du Land der
Bayern“, tönt es, „und erhalte dir die Farben deines Himmels weiß und
blau“. Die Bayernhymne, heute ist sie ein Stoßgebet des Chiemgau
Alpenverbands.
Mittagessen. Neben Schweinebraten und Hendl gibt es im Bierzelt
mittlerweile auch ein vegetarisches Gericht, alkoholfreies Bier ist keine
Schande mehr. Claudia Klemmer holt sich ein Stück Kuchen. Sie hat gern im
urbanen Ruhrgebiet gelebt, sagt Klemmer, das Landleben verlange mehr
Planung. Aber die Nachbarschaft habe es ihr leicht gemacht, in Feldwies
anzukommen. „Wir wurden außergewöhnlich herzlich aufgenommen. Das Dorf ist
wirklich von einem Wohnort zur Heimat geworden.“ Das berüchtigte „Mia san
mia“ hätten die Klemmers nicht zu spüren bekommen.
## Stärkt Körperspannung, Kondition und Koordination
Dass ihre Familie in den Trachtenverein geraten ist, bereut Claudia Klemmer
überhaupt nicht. „Wo viele Kinder unter Einsamkeit vor dem Bildschirm
leiden, bietet der Trachtenverein echte Nähe, Halt und Orientierung“, sagt
Klemmer. „Die Kleinen blicken zu den Großen auf, die Großen übernehmen
Verantwortung. Sie erfahren, wie es, ist Teil von etwas Größerem zu sein.“
An einem Tag wie heute könne man das besonders gut sehen.
Das Platteln der Jungen und das Drehen der Mädchen stärke die
Körperspannung, die Kondition und Koordination, sagt Claudia Klemmer. „Sie
stellen sich als 10-Jährige vor Hunderten auf die Bühne und entwickeln ein
starkes Selbstbewusstsein.“ Liv und eine ihrer Freundinnen gehen aber nicht
nur zur Trachtenprobe, einmal in der Woche tanzen sie auch zu HipHop.
Wer sich die teuren handgemachten Trachtensachen nicht leisten könne, dürfe
sich etwas aus der Kleiderkammer des Vereins leihen, sagt Claudia Klemmer.
Manchmal kommt die Tracht aber auch einfach zu einer Zugezogenen.
Mit am Tisch sitzt eine Bekannte der Klemmers, sie kommt ursprünglich aus
Sachsen, wurde auch von ihren Kindern angeworben und trägt sogar das
aufwendige Röcki, dazu die goldene „Kropfkette“ und im Ausschnitt rote
Rosen und grünen Asparagus.
## Die Sächsin nahm das Integrationsangebot an
In einer E-Mail habe der Verein sie eines Tages gefragt, ob sie das
Miederkleid einer alten Trachtlerin übernehmen wolle, die Sächsin nahm das
Integrationsangebot an. Claudia Klemmer ist noch nicht so weit. „Das Röcki?
Das wäre too much“, sagt sie lachend. Doch wer weiß, wann ihre E-Mail
kommt.
Wäre der Verein bei muslimischen Familien genauso offen? Bei einem
lesbischen Paar und ihren Kindern? „Die Kinder haben ja keine Vorurteile,
das wäre bei einer muslimischen Familie auch nicht anders“, sagt Claudia
Klemmer. Die Frage sei eher, ob Eltern Lust hätten, sich in den Verein
ziehen zu lassen.
Ein junger Mann am Tisch erzählt, dass sie in seinem Heimatverein gerade
einen schwulen Vorplattler gewählt haben. Eine andere Frau weiß, dass im
Chiemgau Alpenverband fast alle Vereine von Frauen geleitet werden. Vor
wenigen Jahren noch sei das schwer vorstellbar gewesen.
Dem Bayerischen Trachtenverband zufolge haben die Vereine in den letzten 15
Jahren massiv an Mitgliedern verloren, vielleicht kann die neue Offenheit
da helfen. In Hessen wirbt die „Vereinigung für Tanz- und Trachtenpflege“
seit Juni ganz aktiv um zugezogene und geflüchtete Neumitglieder.
## Eine vielfältige Parade
In Feldwies hört es gegen 14 Uhr tatsächlich zu regnen auf, die Massen
drängen vor das Zelt, formieren sich im milden Sonnenlicht hinter zwei
jungen Trachtenfrauen, die hoch zu Ross den Zug anführen sollen. Es ist
eine vielfältige Parade. Die Amerangerinnen mit ihren hellgrünen Schürzen
finden sich als Block zusammen, ein anderer Verein mit pinken Krawatten und
Schürzen, die Tiroler erkennt man an den spitzen Hüten, die Trachtenfrauen
aus Reit im Winkl tragen kein schwarzes Röcki, sondern ein burgunderrotes.
Eine Gruppe trägt nichts Tierisches auf dem Hut, sondern Haferähren.
Zwischendrin: ein Münchner Kindl in schwarzgelber Mönchskutte, das seine
Leute sucht.
Auch beim Zug gibt es einen Wettbewerb: Welcher Verein läuft mit den
meisten Mitgliedern, welcher hat den kreativsten Motivwagen dabei? Die
Überseer:innen mit ihrer Fischerhütte und den Netzen? Soll der Wagen
mit den historischen Holzknechten die Punkte bekommen oder der mit den
Hufschmieden, die tatsächlich glühendes Eisen schlagen?
Gezogen werden die Anhänger von schweren Kaltblütern, neben denen die
Zwergponys noch winziger wirken, die ein Gefährt mit ganz kleinen
Trachtler:innen ziehen. Zwischendrin immer wieder Blasmusikkapellen, in
wieder eigener Tracht. Und: Gäste aus der italienischen Partnergemeinde
Monte San Biago sowie ein Schützenverein und ein Spielmannszug aus Greffen
in Nordrhein-Westfalen, Partnervereine der Feldwieser:innen, alle Mann im
blauen oder grünen Frack.
Der Zug wendet einmal, zieht als Gegenzug an den Nachkommenden vorbei,
dreht schließlich noch einmal um. Auf einer Kreuzung mitten im kleinen
Feldwies begegnen sich so die 4.000 bunten Trachtler:innen dreimal,
winken, grüßen, scherzen, sehen sich und werden gesehen. Mit Hals-Tattoo,
mit weißen und nicht weißen Gesichtern, altbekannten und neuen, mit
Augenklappe und im Rollstuhl, ein zweckfreier Zug, aber voller Sinn – und
kakofonisch, wo zwei Blaskapellen aufeinandertreffen. Das kann schon an den
Kölner Karneval erinnern, in seiner ernsthaften Lustigkeit, vielleicht
sogar an die Pride-Paraden. Um Stolz geht es hier auf jeden Fall.
Nach zwei Stunden Umzug wartet Claudia Klemmer mit ihrem Mann vor dem Zelt.
Liv und Luan sind zuvorderst mitgelaufen, begrüßen jetzt mit der
Kindergruppe klatschend alle zurückkehrenden Vereine im Zelt, schließlich
gehören sie zu den Gastgeber:innen. Weißbier um Weißbier, Maß um Maß –
Preis: 11,20 Euro – gehen jetzt über die Theken. Später, wenn die
erschöpften Kinder zu Hause sind, kehrt im Bierzelt wieder die kirchlich
gefürchtete „Unmoral“ ein, treu dem guten, alten Brauch.
19 Aug 2025
## LINKS
[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Feldwies
[2] https://chiemgau-alpenverband.de/
[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Trachtengesch%C3%A4ft_Wallach
[4] https://de.wikipedia.org/wiki/Im_wei%C3%9Fen_R%C3%B6%C3%9Fl
## AUTOREN
Stefan Hunglinger
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