# taz.de -- Bewegungstermine in Berlin: Der Frieden bleibt unbequem | |
> In Berlin setzen sich weiter Menschen für einen gerechten Frieden in | |
> Nahost ein – auch wenn das unmöglich scheint. Ihr Kampf muss weitergehen. | |
Bild: Als sich die Gemeinde Umm Al-Khair versammelt, um Odeh Hadalin zu betraue… | |
Täglich rauschen Todesmeldungen aus Gaza und der Westbank durch die | |
Social-Media-Feeds. Jede einzelne ist ein verzweifelter Versuch von | |
Angehörigen, Freund:innen oder Genoss:innen, der Statistik der | |
palästinensischen Toten ein Gesicht zu geben. Doch in ihrer Masse sind sie | |
längst zu einem Strom geworden. Die Gesichter verschwimmen, sie sind kaum | |
noch als Individuen ausmachen. Zumindest für jene, die sie nicht kannten. | |
Doch das ändert sich schlagartig, sobald es eine Verbindung gibt – und sei | |
sie auch noch so dünn. Dann wird aus dem anonymen Fluss wieder ein | |
schmerzhafter Stich ins Herz. Am Dienstag verbreitete sich die Meldung, | |
dass der Aktivist Odeh Hadalin, bekannt durch seine Mitwirkung [1][an der | |
Oscar-prämierten Dokumentation No Other Land], im Dorf Umm al-Kheir in der | |
Westbank von israelischen Siedlern erschossen wurde. | |
Ich durfte Hadalin vor einigen Jahren kennenlernen – zumindest ein | |
bisschen. Wie so viele andere Menschen aus aller Welt führte er auch mich | |
vor einigen Jahren durch Umm al-Kheir: einem Beduinendorf aus Zelten und | |
Behelfsbauten, direkt neben einer israelischen Siedlung gelegen, in der | |
Häuser im Stil US-amerikanischer Vorstädte stehen. Als ich aus Jerusalem | |
ankam, wollte er mich abholen – doch die Straße, auf der der israelische | |
Bus hielt, durfte er nicht betreten. Schon damals hatte er Angst, | |
erschossen zu werden. | |
Ich kann nicht allzu viel über den Menschen Odeh Hadalin sagen. Er brachte | |
den Kindern des Dorfes Englisch bei und war ein großer Fußballfan. Vor | |
allem aber war er ein Mensch, der von einem aufrichtigen Wunsch nach | |
Frieden und Gerechtigkeit angetrieben war. Sein Motiv war nicht die Rache, | |
was er wollte, war Sicherheit für sein Dorf und für alle | |
Palästinenser:innen. Er war einer jener Menschen, mit denen ein gerechter | |
Frieden möglich gewesen wäre – trotz aller erlebter Ungerechtigkeit. | |
## Gerechtigkeit, obwohl die Gerechten ermordet werden? | |
Aber es hilft nichts: Hadalin ist jetzt tot. Sein vermuteter Mörder, | |
[2][laut dem Guardian]: Yinon Levi, ein israelischer Siedler, den die | |
Trump-Regierung von der US-Sanktionsliste gestrichen hat. Yinon Levi wurde | |
festgenommen, aber Medienberichten zufolge bald darauf wieder in einen | |
Hausarrest entlassen. Zudem hat die israelische Armee die Trauerfeier für | |
Hadalin gestürmt und dabei mehrere Menschen aus Umm al-Kheir verhaftet, | |
darunter zwei internationale Aktivist:innen. Die Zerstörung des | |
Beduinendorfs, die Hadalin nur wenige Tage vor seinem Tod [3][in einem | |
berührenden Text im +972 Magazine beschrieben hat], wird wohl weitergehen. | |
Bei der anhaltenden Vernichtung des palästinensischen Lebens durch Israel | |
scheint die Frage berechtigt: Was macht es mit dem Traum von Frieden, wenn | |
Menschen wie Hadalin ermordet werden? Ist es nicht grotesk, Aussöhnung und | |
Vergebung zu fordern, während die Gerechten erschossen werden? Sucht man | |
einen Grund, warum auf Palästina-Demos so wenig von Frieden die Rede ist, | |
wird man hier ansetzen müssen: Bei der von Israel mit deutscher | |
Unterstützung immer weiter befeuerten Gewaltspirale, betrieben von dem | |
wahnsinnigen Gedanken, man könne den Widerstand gegen die Besatzung und den | |
Terrorismus ausbomben. | |
Und trotzdem – der Frieden bleibt eine zwingende Notwendigkeit. Denn die | |
Erde dreht sich unerbittlich weiter, wer je einen Menschen verloren hat, | |
weiß das. Soll also irgendwann mal eine Generation von palästinensischen | |
und israelischen Kindern nicht der Gewaltspirale zum Opfer fallen, darf der | |
Traum von Menschen wie Hadalin nicht sterben. Egal, wie hoffnungslos es | |
wirkt: Die Arbeit von Friedensaktivist:innen bleibt alternativlos. | |
## Für den Frieden auf die Straße | |
Einer dieser Friedensorganisationen, die unermüdlich gegen die | |
Gewaltspirale ankämpfen, ist die israelische Organisation Standing | |
Together. Wie jede Woche findet auch am kommenden Freitag (1. August) eine | |
[4][Mahnwache der Berliner Sektion von Standing Together] vor der Amerika | |
Gedenkbibliothek statt. Friedensaktivist:innen kommen hier zusammen, | |
um gegen das Aushungern von Gaza und für einen gerechten Frieden für alle | |
Menschen in Palästina und Israel zu demonstrieren. Die Mahnwache findet von | |
17 bis 18 Uhr am Blücherplatz 1 statt. | |
Die Palästina-Bewegung ruft indes unter dem Motto [5][„Gaza is starving – | |
Open Rafah Crossing now!“] für Samstag, den 2. August, auf die Straße. Die | |
Proteste sind Teil einer internationalen Mobilisierung, um die ägyptische | |
Regierung unter Druck zu setzen, den Grenzübergang Rafah nach Gaza zu | |
öffnen – damit die humanitären Hilfsgüter, die sich dort stauen, nach Gaza | |
gebracht werden können. Ort und Zeit der Demonstration werden im Laufe der | |
Woche verkündet werden. | |
Aber nicht nur in Israel und Palästina, auch in Deutschland muss der Kampf | |
gegen Rechtsextremismus fortgeführt werden. Dafür gibt es am Samstag (2. | |
August) gleich zwei Gelegenheiten. Am Roederplatz in Lichtenberg startet um | |
17 Uhr erneut eine Stadtteildemonstration unter dem Motto: [6][„Nach den | |
Rechten sehen“]. Denn die rechte Gewalt spitzt sich in Lichtenberg zu – von | |
Attacken von Jungnazigruppen gegen Linke bis zu Femiziden. | |
In Mitte rufen antifaschistische Gruppen derweil dazu auf, sich einer | |
Querdenken-Demonstration entgegenzustellen. Angeblich, um für den | |
Weltfrieden zu demonstrieren, mobilisiert nämlich unter anderem der | |
rechtsextreme Verleger Jürgen Elsässer zu dem x-maligsten Revivalversuch | |
der Bewegung. Zu erwarten ist die übliche Mischung aus AfDlern, | |
Verschwörungsgläubigen und/oder Antisemit:innen. Der Gegenprotest unter dem | |
Motto [7][„Gegen rechte Friedenslügen“] startet um 12:30 Uhr am | |
Neptunbrunnen am Alexanderplatz. | |
30 Jul 2025 | |
## LINKS | |
[1] /Dokumentarfilm-No-Other-Land/!6055395 | |
[2] https://www.theguardian.com/world/2025/jul/29/palestinian-awdah-hathaleen-o… | |
[3] https://www.972mag.com/umm-al-khair-multigenerational-trauma/ | |
[4] https://www.instagram.com/standing.together.berlin/?hl=de | |
[5] https://www.instagram.com/p/DMqFqz0NeGy/?img_index=1 | |
[6] https://www.instagram.com/p/DMhqiH_IlaE/?img_index=1 | |
[7] https://www.instagram.com/p/DMfXPrisrLV/?img_index=1 | |
## AUTOREN | |
Timm Kühn | |
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