| # taz.de -- Suchtkranke in Schleswig-Holstein: Rauswurf nach kurzer Entgiftung | |
| > Die Versorgung von Suchtkranken ist schlecht in Schleswig-Holstein. Das | |
| > legt zumindest die Geschichte des suchtkranken Sven S. aus Rendsburg | |
| > nahe. | |
| Bild: Alkoholsucht: eine chronische Krankheit, aber immer noch stigmatisiert | |
| Rendsburg taz | Ein suchtkranker Mann bittet in der [1][Rendsburger | |
| Schön-Klinik] um einen Entzug. Er darf jedoch immer nur wenige Tage | |
| bleiben, seine Lage verschlechtert sich. Ein Einzelfall? Suchthilfe- und | |
| Angehörigenverbände kritisieren die langen Wartezeiten auf Entzugsplätze. | |
| Das Gesundheitsministerium sieht kein Problem. | |
| Als Sven S. sich kürzlich wieder telefonisch bei einer langjährigen | |
| Vertrauten des Rendsburgers meldet, war das für sie eine Erleichterung: | |
| „Ich hatte Angst um sein Leben“, sagt die Frau. Schließlich kenne sie S.s | |
| Krankheitsgeschichte und bestätigt vieles von dem, was er selbst der taz | |
| erzählt. | |
| Durch Erlebnisse in seiner Kindheit ist der Mann traumatisiert, er kam früh | |
| mit Alkohol und illegalen Drogen in Kontakt. Zuletzt aber war er längere | |
| Zeit abstinent. Dann kam ein Rückfall, ausgelöst durch den Tod eines | |
| Freundes. Auch die Kriege und Krisen der Welt hätten ihn belastet, sagt | |
| seine Vertraute: „Sven ist ein liebevoller, empathischer Mensch, ihn | |
| triggern solche Berichte.“ | |
| Rückfälle sind nicht schön, aber kommen vor. Als langjähriger Suchtkranker, | |
| sagt S. der taz, habe er gewusst, was zu tun ist: sich in eine Klinik | |
| begeben, entgiften und entziehen. Aber in der Rendsburger Klinik, die zur | |
| Schön-Gruppe gehört, sei er „schlimmer behandelt worden als ein Hund“, | |
| schildert er. Immer wieder sei er dort „vor die Tür gekippt“ worden. Zum | |
| Beweis zeigt er die Aufnahmebelege: Zwischen Februar und Juli wurde er | |
| demnach mehrfach, aber immer nur für einen Tag oder zwei Tage im | |
| Krankenhaus aufgenommen. | |
| ## Kaum genug Zeit für psychische Stabilisierung | |
| In diesem Zeitraum baut der Körper Drogen und Alkohol ab. Doch es reicht | |
| meist nicht, um einen Suchtkranken psychisch zu stabilisieren. S., so | |
| berichtet er, trank nach jeder Entgiftung wieder und sei bei seinem | |
| nächsten Gang ins Krankenhaus als „hoffnungsloser Fall“ bezeichnet worden. | |
| „Aber hätten sie mich einmal richtig behandelt, ich wäre längst geheilt“, | |
| sagt er. | |
| Als er in Rendsburg keine Hilfe erhielt, wandte er sich an Kliniken im | |
| weiteren Umkreis: „Ich habe besoffen alle abtelefoniert.“ In Hamburg fand | |
| er Aufnahme, aber wieder nur für eine rasche Entgiftung. Behandelt wurden | |
| laut seiner Schilderung weder die psychische Krise, die zum Rückfall | |
| geführt hatte, noch körperliche Krankheiten, etwa eine Thrombose und ein | |
| Rückenleiden. „Ich hätte sterben können“, sagt Sven S. Inzwischen wird er | |
| im Fachkrankenhaus Rickling in der Nähe von Neumünster behandelt. | |
| Die Schön-Klinik Rendsburg will „aus Gründen des Datenschutzes“ zu dem Fa… | |
| nichts sagen, teilt ein Sprecher mit. Generell sei der Klinik eine | |
| „hochwertige und bedarfsgerechte Versorgung psychiatrisch und | |
| psychosomatisch erkrankter Menschen wichtig“. Doch das frühere | |
| Kreiskrankenhaus hatte 2023 nach der Übernahme durch die Schön-Gruppe | |
| [2][Beschäftigte des nicht medizinischen Personals entlassen.] | |
| Eine Reihe von Ärzt:innen hatte in der Folge gekündigt. Besonders | |
| betroffen war die Psychiatrie: Die Station 81, in der Suchtkranke behandelt | |
| werden, schloss überraschend im Mai, mehrere regionale Suchthilfe-Stellen | |
| warnten vor einer Verschlechterung der Lage. Nun teilt die Klinik mit, dass | |
| „Maßnahmen zur langfristigen Sicherstellung der Versorgung sehr gut | |
| voranschreiten“. Es sei gelungen, die freien Stellen neu zu besetzen. | |
| ## Gesundheitsministerium sieht Versorgung gesichert | |
| Also nur ein Einzelfall, bedingt durch eine akute Personallage einer | |
| Klinik? Das CDU-geführte Gesundheitsministerium sieht kein Problem bei der | |
| Behandlung Suchtkranker in Schleswig-Holstein, im Gegenteil: „Eine aktuelle | |
| Versorgungsbedarfsanalyse zeigt, dass eine Vielzahl an Angeboten für die | |
| Behandlungen bei problematischen Konsumverhalten bestehen“, teilt ein | |
| Sprecher mit. Die Lage sei „insgesamt gut“. | |
| Klarer Widerspruch kommt von der Landesstelle für Suchtgefahren. „Es fehlen | |
| Plätze, nicht nur hier im Land, sondern bundesweit“, sagt deren | |
| Geschäftsführer Björn Malchow. Idealerweise sollte auf eine Entgiftung ein | |
| Entzug folgen, danach beginnt der Prozess der Entwöhnung. | |
| Aber die Wartezeiten betrügen meist mehrere Wochen, teils Monate. Viel zu | |
| lang für Menschen in akuter Notlage: „Einen Diabetiker würde man nicht | |
| wochenlang warten lassen, bis die Medikamente neu eingestellt werden. Auch | |
| Sucht ist eine chronische Krankheit, wird aber immer noch stigmatisiert.“ | |
| Es fehle an Personal und an Plätzen. So sei es praktisch unmöglich für | |
| Patient:innen und Suchtberatungsstellen, rasch ein freies Bett zu | |
| finden. „Grundsätzlich sehe ich, dass das System an vielen Stellen | |
| bröckelt“, stellt Malchow fest. | |
| Hinzu kommt, dass das Gesundheitsministerium mittelfristig weitere Betten | |
| in der Psychiatrie abbauen und mehr auf ambulante Angebote setzen will. | |
| Schwierig sei das [3][bei Suchtkrankheiten] – und eine Belastung für | |
| Betroffene und deren Familien, sagt Rüdiger Hannig vom Verband der | |
| Angehörigen psychisch erkrankter Menschen. „Die Leute lösen sich abends | |
| nicht in Luft auf. Sie sind zu Hause – und dann?“ Kliniken nähmen | |
| Betroffene nur auf, wenn jemand in Lebensgefahr sei. Aber gerade bei | |
| langjährig Suchtkranken sei es wichtig, den Moment zu nutzen, in dem jemand | |
| wirklich bereit zum Entzug sei. | |
| „Dieses Fenster der Möglichkeiten steht nur kurz offen“, sagt Hannig. Es | |
| bräuchte dringend Plätze, die für Notfälle wie Sven S. freigehalten werden. | |
| 15 Aug 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Esther Geißlinger | |
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