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# taz.de -- Kritik an Journalisten-Tötung in Gaza: Ein Mord wird zum Politikum
> Die israelische Armee tötete den Journalisten Anas al-Sharif in Gaza. Nun
> wachsen Zweifel an den vermeintlichen Belegen einer Hamas-Mitgliedschaft.
Bild: War sich seit Juli 2025 bewusst, im Visier israelischer Streitkräfte zu …
Tunis taz | Nach der gezielten Tötung des palästinensischen
[1][Journalisten Anas al-Sharif] durch einen Luftangriff der israelischen
Armee herrscht im Gazastreifen und in diplomatischen Kreisen Empörung. In
der Nacht auf Sonntag hatte eine Drohne das Medienzelt vor dem
Al-Schifa-Krankenhaus in Gaza-Stadt ins Visier genommen, indem sich
al-Sharif, vier weitere Journalisten des [2][katarischen TV-Senders Al
Jazeera] sowie ein freier Journalist befanden.
Stunden zuvor hatte die Bombardierung begonnen: Am Freitag hatte das
israelische Sicherheitskabinett die Eroberung von [3][Gaza-Stadt]
beschlossen, die Journalisten hatten in den Stunden vor ihrem Tod von den
zahlreichen Opfern berichtet, die in das Al-Schifa-Krankenhaus eingeliefert
wurden.
Die israelische Armee (IDF) bestätigte am Montag den gezielten Angriff mit
insgesamt sieben Toten. Al-Sharif galt als alleiniges Ziel des Angriffs,
heißt es. Die IDF behauptet, Al-Sharif sei nicht nur Journalist, sondern
auch Anführer einer Raketenzelle der Hamas. Er habe auch ein Gehalt von der
Hamas bezogen, so die IDF.
Die Armee hat bereits im vergangenen Jahr mehrere Excel-Tabellen und
Dokumente samt vermeintlichem Dienstgrad, ID- und Telefonnummer
veröffentlicht, die beweisen sollen, dass al-Sharif seit Dezember 2013
aktiver Kämpfer des Ostdschabalija-Bataillons der Hamas gewesen sei.
Verifizieren ließen sich die Dokumente bislang nicht, einige Medien halten
sie für unglaubwürdig.
## Fotos zeigen Anas al-Sharif zusammen mit Jahia Sinwar
Warum die israelische Armee al-Sharif erst jetzt tötete, bleibt unklar.
Kritiker vermuten, dass damit eine wichtige journalistische Stimme aus Gaza
zum Schweigen gebracht werden soll. Sein Arbeitgeber Al Jazeera weist die
Vorwürfe vehement zurück und fordert wie der UN-Generalsekretär António
Guterres eine unabhängige Untersuchung.
Der 28-jährige al-Sharif studierte an der Al-Aksa-Universität in Gaza
Journalismus und berichtete seit dem Einmarsch der israelischen Armee in
den Gazastreifen Ende Oktober 2023 immer wieder direkt aus dem
Kampfgeschehen. Zwischen Casablanca und Bagdad liefen seine Aufsager vor
der Kamera seit zwei Jahren fast täglich auf den Mobiltelefonen unzähliger
Zuschauer. 2024 war er Teil eines Reuters-Teams, das in der Kategorie
„aktuelle Fotoberichterstattung“ mit dem renommierten Pulitzer-Preis
ausgezeichnet wurde.
Mehrere Fotos zeigen Anas al-Sharif zusammen mit dem im Oktober 2024
getöteten Hamas-Anführer Jahia Sinwar sowie anderen ranghohen Funktionären.
Laut [4][der britischen BBC] arbeitete al-Sharif vor dem aktuellen Krieg
für ein Medienteam der Hamas.
Auch ein Screenshot eines angeblichen Beitrags von seinem offiziellen
Telegram vom 7. Oktober 2023, dem Tag des Hamas-Überfalls auf Israel, macht
seit seiner Tötung in den sozialen Medien die Runden. „9 Stunden und die
Helden ziehen immer noch durch das Land, töten und nehmen Gefangene…Gott,
Gott, wie großartig ihr seid“. Das soll er am Nachmittag des Angriffs
geschrieben haben, samt drei grüner Herzen – die Farbe der Hamas.
## Vorwürfe der IDF gegen al-Sharif sind unbestätigt
Viele User spekulieren darüber, dass der Screenshot ein gezielter Fake sein
könnte, um al-Sharif zu diskreditieren. Der Beitrag ist auf seinem
Telegram-Kanal zwar nicht auffindbar, wurde aber offenbar [5][durch die
Waybackmachine archiviert]. Dieselbe Nachricht veröffentlichte al-Sharif
scheinbar im Gruppenchat des Telegram-Kanals ungefähr zur selben Zeit des
Screenshot-Beitrags – und diese ist bis heute über einen [6][offiziellen
Telegram-Link öffentlich einsehbar].
Bestätigen lassen sich die Vorwürfe der IDF gegen al-Sharif jedoch bislang
nicht. Deshalb werden die Forderungen einer unabhängigen Untersuchung immer
lauter. Viele sehen in den Vorwürfen der IDF lediglich den Versuch, einen
Journalisten zu Unrecht als Terroristen zu brandmarken, um von dem Tod von
[7][laut Reporter ohne Grenzen] mehr als 200 Journalisten im Gazastreifen
seit Kriegsbeginn abzulenken.
Unter vielen UN-Diplomaten herrscht Einigkeit: Der Angriff auf das
Pressezelt vor dem Al-Schifa-Krankenhaus erfülle den Tatbestand eines
Kriegsverbrechens. Sollte die israelische Regierung keine von unabhängigen
internationalen Organisationen verifizierte Dokumente vorlegen, würden
Richter in den Haag aktiv werden, heißt es.
Die UN-Vertreter Algeriens, Chinas, Russlands verurteilten am Montag
explizit den Angriff auf Anas al-Sharif und seine Kollegen scharf.
Europäische Diplomaten riefen die israelische Regierung allgemein zur
Zurückhaltung auf.
## Live-Schaltung aus einem Flüchtlingslager in Gaza
Die Regierung in Washington war vor dem Angriff von der israelischen
Regierung sogar informiert worden, heißt es – und schwieg. Ein Indiz dafür,
dass man sich in Jerusalem bewusst war, welche gravierenden Auswirkungen
der Angriff auf die weltweite Wahrnehmung des israelischen Vorgehens haben
würde.
Anas al-Sharif war sich spätestens seit Juli bewusst, im Visier
israelischer Streitkräfte zu stehen. Am 24. Juli kritisierte die
amerikanische Organisation Committee to Protect Journalists (CPJ) den
IDF-Pressesprecher Avichay Adraee für dessen Vorwürfe, al-Sharif hätte als
Hamas-Kämpfer vor dem Krieg rund 200 Euro pro Monat erhalten und sei ein
Terrorist.
Kurz zuvor hatte al-Sharif eine tränenreiche Live-Schaltung aus einem
Flüchtlingslager in Gaza voller hungernder Familien die Klickzahlen der
arabischen Al-Jazeera-Website in die Höhe schnellen lassen.
„Wir sind zunehmend alarmiert über die Anschuldigungen gegen Anas al-Sharif
und fordern die internationale Staatengemeinschaft auf, ihn zu schützen“,
so CPJ Direktorin Sara Qudah.
Anas al-Sharifs eigene Lageanalyse sah ähnlich aus: „Die Vorwürfe, dass ich
für die Hamas tätig sei, ist nicht nur eine Kampagne, um meinen Ruf zu
zerstören. Es ist eine direkte Bedrohung für mein Leben.“
Al-Sharif bestritt stets, irgendeiner politischen Bewegung anzugehören.
Viele feiern ihn auch nach seinem Tod, weil er lediglich darüber
berichtete, was er sah: die Zerstörung des Gazastreifens.
12 Aug 2025
## LINKS
[1] /Krieg-in-Gaza-/!6105952
[2] /Westjordanland/!6056674
[3] /Merz-Isreael-Entscheidung/!6102756
[4] https://www.bbc.com/news/live/c1dxndnkq6yt
[5] https://web.archive.org/web/20231127012006/https:/t.me/anas1020304050/22098
[6] https://t.me/c/1766075169/9006
[7] https://www.reporter-ohne-grenzen.de/pressemitteilungen/meldung/rsf-verurte…
## AUTOREN
Mirco Keilberth
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