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# taz.de -- Politik-Analyst über Mullah-Herrschaft: „Irans Regime ist kein u…
> Iran ist geschwächt, doch sein Geheimdienst plant weiterhin Anschläge,
> auch in Deutschland. Matthew Levitt erklärt, wie der Westen Druck machen
> kann.
Bild: Kämpfer der iranischen Revolutionsgarden zogen im Januar durch Teherans …
taz: Herr Levitt, [1][vor Kurzem haben dänische Behörden in Aarhus einen
Mann mit afghanischen Wurzeln festgenommen, der mutmaßlich Anschlagsziele
in Deutschland ausspioniert hat]. Wie groß ist die Gefahr, die von Iran für
Europa und insbesondere für Deutschland ausgeht?
Matthew Levitt: Ich gehe davon aus, dass solche Anschläge zunehmen werden.
Diesen Trend beobachten wir seit einigen Jahren. Teheran befindet sich nach
dem jüngsten 12-Tage-Krieg in einer Zwickmühle: Einerseits will das Regime
nichts riskieren, was neue Feindseligkeiten auslösen könnte. Andererseits
muss es zeigen, dass es nicht besiegt ist – dass es seine Feinde weiterhin
erreichen und treffen kann und dass es einen Preis hat, sich mit dem Regime
anzulegen.
taz: Wer steht dadurch besonders im Visier Teherans?
Levitt: Verschiedene Gruppen. Iran hat schon versucht, hochrangige
Vertreter der US-Regierung und israelische Beamte zu töten. Außerdem stehen
Juden außerhalb Israels sowie iranische Dissidenten weltweit im Fadenkreuz
Teherans. In dem aktuellen Fall in Deutschland war der Verdächtige offenbar
vor allem damit beauftragt, jüdische Einrichtungen und Personen
auszuspionieren.
taz: Längst nicht alle Juden und Jüdinnen sind auch Israelis. Warum
denkt das iranische Regime, der Angriff auf jüdische Einrichtungen in
Europa treffe Israel?
Levitt: Iran hat historisch gesehen keinen Unterschied gemacht zwischen
Israelis und Juden. Die Führung in Teheran erkennt, dass der jüdische Staat
sich für jüdische Gemeinschaften weltweit verantwortlich fühlt. Und
anscheinend glaubt man dort auch, dass man Juden auf diese Weise effektiv
treffen kann – ähnlich wie sie auch iranische Regimekritiker ins Visier
nehmen.
taz: Teheran orchestriert seit Jahren Anschläge gegen Dissidenten in
Europa. Welche Strategie verfolgt das Regime mit diesen Taten?
Levitt: Es fürchtet, dass Dissidenten im Ausland, wo sie freier reden und
handeln können, Unruhe in der Heimat schüren. Ich glaube, das ist momentan
besonders wichtig, weil Teheran die Auswirkungen der Angriffe auf die
Stimmung im eigenen Land fast mehr fürchtet als die Schäden an seinem
Atomprogramm. Der jüngste 12-Tage-Krieg hat nämlich gezeigt, dass das
Regime kein unantastbarer Riese ist. Auch das Korps der Revolutionsgarden
ist keineswegs unbesiegbar. Tatsächlich sind in diesem Krieg viele von
denen getötet worden, die zuvor in Iran abweichende Meinungen brutal
unterdrückt hatten. Es ist also kein Wunder, dass das Regime nun im Ausland
verstärkt gegen Andersdenkende vorgeht.
taz: Iran führt solche Anschläge im Ausland selten selbst durch, sondern
bedient sich oft Doppelstaatlern aus anderen Ländern. Warum dieser
indirekte Weg?
Levitt: Teheran versucht, Anschläge im Ausland mit einer sogenannten
angemessenen Bestreitbarkeit zu verüben. Trotzdem ist natürlich klar, dass
Iran selbst dahinter steckt. Diese Botschaft soll ankommen. Das Regime will
lediglich das Risiko minimieren, dafür zur Rechenschaft gezogen zu werden.
Deshalb bedient es sich meist terroristischer oder krimineller
Stellvertreter, die die Drecksarbeit erledigen. Teheran nimmt dabei in
Kauf, dass im schlimmsten Fall ein Agent festgenommen wird. In der Regel
schafft es das Regime sogar, solche Leute wieder freizubekommen – indem es
im Gegenzug westliche Staatsbürger unter Spionagevorwürfen inhaftiert. Ich
garantiere Ihnen: Die Regierungen in Dänemark und Deutschland befürchten im
Moment genau das: dass Iran plötzlich dänische oder deutsche Bürger
festnimmt und sie als vermeintliche Spione anklagt.
taz: Sie haben eine Karte mit allen Operationen zusammengestellt, die mit
Iran in Verbindung gebracht werden können. Dabei fällt auf: Gerade in
Deutschland häufen sich Anschlagspläne und Spionagefälle. Warum
ausgerechnet hier?
Levitt: Deutschland spielt an sich keine besondere Rolle. Teheran schlägt
überall dort zu, wo sich Ziele und Gelegenheiten bieten. Aber als ich diese
Karte erstellte, war ich selbst überrascht, wie oft die Iraner im Westen zu
Anschlägen bereit sind, in den USA, in Kanada und besonders in Westeuropa,
vor allem in Deutschland und Frankreich. Teheran agiert dort, wo es
Auslandsgemeinden gibt, die logistische Unterstützung leisten können.
Deutschland ist in den vergangenen Jahren konsequent gegen mehrere Akteure
und Einrichtungen mit Verbindungen zu Iran oder zur Hisbollah vorgegangen.
Das hat Teherans Arbeit hier erschwert. Vielleicht mussten die Iraner im
Fall des Manns aus Afghanistan deshalb auf jemanden zurückgreifen, der gar
nicht in Deutschland lebt.
taz: Seit Langem wird in Europa darüber diskutiert, [2][die iranischen
Revolutionsgarden (IRGC) als Terrororganisation einzustufen]. Wäre es
angesichts der jüngsten Ereignisse nicht an der Zeit, diesen Schritt zu
gehen?
Levitt: Ja. Ich plädiere schon lange dafür. Die IRGC haben zahlreiche
Anschläge in Europa verübt, es gibt also gute Gründe dafür. Und ich denke,
dass parallel dazu, nicht stattdessen, Gespräche auf nationaler Ebene
geführt werden sollten. Nehmen wir doch den aktuellen Fall des
festgenommenen Afghanen: Deutschland sieht sich durch gewisse iranische
Aktivitäten so alarmiert, dass es die Auslieferung eines mutmaßlichen
Agenten aus Dänemark beantragt hat, der hierzulande Menschen und
Einrichtungen ausspioniert haben soll. Allein das sollte mindestens als
Anlass für eine ernsthafte Debatte dienen, ob die Revolutionsgarden – und
vielleicht auch andere Teile von Irans Auslandsapparat – offiziell als
terroristisch einzustufen sind.
taz: [3][Deutschland, Großbritannien, Frankreich und die USA erhöhen den
Druck auf Teheran], bis Ende August einem neuen Atomabkommen zuzustimmen.
Würde eine Einstufung der Revolutionsgarden als Terrororganisation die
Chancen auf ein neues Abkommen nicht erheblich schmälern?
Levitt: Im Gegenteil. Das würde ein Abkommen sogar wahrscheinlicher machen.
Iran setzt seine Aktivitäten fort, weil es keine Konsequenzen gibt und
westliche Staaten Angst haben, das Kind beim Namen zu nennen. Teheran muss
verstehen, dass solch ein Verhalten nicht toleriert wird. Diese Frage
sollte völlig separat von der Nuklearfrage betrachtet werden. Man darf sich
von Irans zunehmendem Terror im Ausland nicht davon abhalten lassen,
parallel auch beim Atomprogramm Druck zu machen – zumal wichtige Fristen
näher rücken.
taz: Sie meinen den sogenannten Snapback-Mechanismus, der bald endet. Iran
musste nach dem ersten Abkommen von 2015 sein Atomprogramm auf friedliche
Nutzung beschränken. Im Gegenzug wurden internationale Sanktionen
aufgehoben, können jedoch bei Verstößen durch den Snapback-Mechanismus
binnen 30 Tagen wieder aktiviert werden, ohne dass ein Veto möglich ist.
Levitt: Im Oktober läuft die Snapback-Klausel aus, und anschließend
übernimmt Russland den Vorsitz im UN-Sicherheitsrat. Unter russischer
Präsidentschaft sind Fortschritte dann kaum zu erwarten.
taz: Was könnten die EU und Deutschland sonst noch tun, um den Druck auf
Teheran zu erhöhen?
Levitt: Auf der einen Seite sind unsere Mittel begrenzt. Auf der anderen
wurde Irans Atomprogramm jetzt weit zurückgeworfen. Das ist eine enorme
Chance. Teheran weiß nun, wie ernst es der Welt ist, und war sehr
enttäuscht, dass die deutsche Regierung die Angriffe auf seine
Nuklearanlagen so klar unterstützt hat. Das Regime steht innen wie außen
unter massivem Druck – und im Oktober droht wie gesagt das Wegfallen des
Snapback-Mechanismus. Gleichzeitig haben Länder wie Deutschland und
Dänemark gezeigt, dass sie Iran für Anschlagsversuche im Ausland zur
Rechenschaft ziehen. All das bietet die Gelegenheit, Teheran
unmissverständlich klarzumachen, dass es für solches Verhalten künftig zur
Verantwortung gezogen wird und dass es seinen Kurs ändern muss. Die
Sicherheitslage hat sich inzwischen gegenüber der von vor einem Jahr – als
Israel im Juli 2024 die Hisbollah angriff – um 180 Grad gedreht.
taz: In Deutschland [4][wird über diese Angriffe kontrovers diskutiert];
viele Experten halten sie für völkerrechtswidrig. Inwiefern spielt diese
Einschätzung aus Ihrer Sicht überhaupt eine Rolle?
Levitt: Wenn ein Staat Erkenntnisse hat, dass ein Regime – das seine
Vernichtung schwört und Stellvertreter auf ihn ansetzt – sein Atomprogramm
rasant vorantreibt, ist ein Präventivschlag eindeutig durch
Selbstverteidigung gedeckt. Im Falle Irans hat die Internationale
Atomenergie-Organisation dokumentiert, dass die Menge hoch angereicherten
Urans binnen zweieinhalb Monaten fast verdoppelt wurde und das Programm in
Richtung Waffenfähigkeit voranschritt. Es kann kein Zweifel bestehen:
Dieser Schlag war eine absolute Selbstverteidigungsmaßnahme.
taz: Soweit Sie das beurteilen können: Waren die Angriffe auf Iran und
speziell auf sein Atomprogramm im Sinne der Angriffsprävention erfolgreich?
Levitt: Keiner von uns Experten kann die tatsächlichen Schäden vor Ort
genau beurteilen. Wer ohne Geheimdienstinformationen absolute Gewissheit
vorgibt, ist nicht glaubwürdig. Meiner Einschätzung nach wurde dieses
Programm aber um mindestens ein paar Jahre zurückgeworfen, wahrscheinlich
noch weiter. Betroffen waren nicht nur Anlagen, sondern auch Personal. Es
gibt eine Menge Dinge, die wir nicht wissen. Was wir aber wissen: Das
Programm, wie es noch vor wenigen Monaten existierte, existiert nicht mehr.
Und die Iraner wissen, dass Israel und die USA bei einem Wiederaufbau
erneut zuschlagen würden – und dazu auch in der Lage sind.
10 Aug 2025
## LINKS
[1] /Mutmasslicher-Spion-festgenommen/!6097599
[2] /Terror-der-Revolutionsgarden-des-Iran/!6037542
[3] /Verhandlungen-ueber-Atomabkommen/!6101418
[4] /Israelische-Angriffe-auf-den-Iran/!6091233
## AUTOREN
Marc Tawadrous
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