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# taz.de -- Wo Russland militärisch steht: Drohnenproduktion auf Rekordniveau
> Russland wird in den kommenden Monaten im Krieg gegen die Ukraine seine
> Feuerüberlegenheit zu Land und in der Luft behalten. Wenn der Krieg
> andauert.
Bild: Parade in Moskau, 9. Mai 2025: Viele Russ*innen, die ein Ende des Krieges…
Berlin taz | Bislang gibt es keine Anzeichen dafür, dass die russische
Sommeroffensive in der Ukraine scheitern wird. Moskau bleibt in
Schlüsselpositionen zahlenmäßig überlegen: Artillerie und Munition, Panzer,
Luftwaffe, Raketen sowie bei der Infanterie. Zu einem bis vor einem halben
Jahr kaum vorstellbaren Albtraum wird nun, dass Russland die Ukraine bei
Drohnen überholt hat. Und zwar sowohl bei den teuren Langstreckendrohnen
für Angriffe auf das Hinterland als auch bei den vergleichsweise billigen
Drohnen, die an der Front eingesetzt werden.
Nato-Generalsekretär Mark Rutte hat sich neulich der New York Times
gegenüber verwundert über das industrielle Potenzial des größten Landes der
Welt geäußert: „Russland stellt sich in einer Geschwindigkeit neu auf, die
in der jüngeren Geschichte beispiellos ist. Sie produzieren jetzt in drei
Monaten dreimal so viel Munition wie die gesamte Nato in einem Jahr.“
Das Seltsame an dieser „Statistik“ ist, dass Rutte keine Maßeinheit genannt
hat. Spricht er von Patronen oder von ballistische Raketen? Eine
detaillierte Berechnung der wichtigsten Produktionskapazitäten der
Nordatlantischen Allianz und Russlands, die der Militärexperte von Radio
Liberty, Evgenij Legalov, durchgeführt hat, hat gezeigt, dass in
Wirklichkeit beide Seiten im Wettrüsten gleichauf liegen. Das bedeutet,
dass Russland, das nicht gegen die Nato, sondern nur gegen die Ukraine
Krieg führt, in den kommenden Monaten seine Feuerüberlegenheit zu Land und
in der Luft behalten wird.
## Russland dringt in weitere Gebiete vor
Die materielle Überlegenheit macht sich an der Front bemerkbar. Während die
russische Armee von Februar bis April dieses Jahres durchschnittlich 170
Quadratkilometer pro Monat erobert hat, waren es von Mai bis Juli schon
526, also dreimal so viel, wie das [1][ukrainische Analyseprojekt
Deepstate] berichtet.
Das ist zwar weniger als 1 Prozent des ukrainischen Staatsgebiets, aber die
russischen Aggressoren sind jetzt in zwei weitere Gebiete vorgedrungen:
Seit Mai hat die Infanterie die ukrainischen Verteidiger im Norden des
Gebietes Sumy zurückgedrängt, was [2][den Beschuss von Sumy] jetzt
erleichtert. Außerdem haben die russischen Streitkräfte die Grenze zum
Gebiet Dnipropetrowsk überschritten, auch wenn dies bislang eher
propagandistische als operative Bedeutung hat.
## Erklärtes Kriegsziel: vollständige Eroberung des Donbass
Militäranalysten sind sich einig, dass sich die Russen in den kommenden
Monaten auf die Eroberung des restlichen Teils der Donbass-Region – der
Agglomeration Slowjansk-Kramatorsk – konzentrieren werden. Die Eroberung
des gesamten Donbass ist seit Februar 2022 das erklärte und unveränderte
Ziel der russischen „Spezialoperation“. Ablenkungsangriffe an anderen
Frontabschnitten, insbesondere im Norden und Südosten, also in den Gebieten
Charkiw und Saporischschja, sind möglich.
Die Hafenstadt Odessa bleibt für die Angreifer eine harte Nuss, auch wenn
der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj auf dem
Ukraine-Südosteuropa-Gipfel im Juni erklärte, dass Putins Plan darin
bestehe, bis an die Grenzen der Republik Moldau und Rumäniens vorzustoßen.
Die Überquerung des breiten Dnipro-Unterlaufs oder eine Anlandung vom Meer
aus sind für die russische Armee zu teuer und zu riskant. Zumal die
Ukrainer bereits einen beträchtlichen Teil der feindlichen Flotte versenkt
oder aus der Hafenstadt Sewastopol auf der Krim nach Osten – nach
Noworossijsk – vertrieben haben.
## Russische Drohnenproduktion auf Rekordniveau
Noch wichtiger aber ist wohl die Wende in der Luft, die wir gerade in
diesen Wochen beobachten. Noch am 7. Juni hatte der Leiter der
Kommunikationsabteilung der ukrainischen Luftstreitkräfte, Yurii Ihnat,
erklärt, dass Russland in naher Zukunft nicht in der Lage sein werde, 1.000
Drohnen pro Tag zu starten. Doch nun brechen die Russen in dieser Hinsicht
einen Rekord nach dem anderen: In der Nacht vom 8. auf den 9. Juli wurde
die Ukraine von 728 Drohnen angegriffen, Raketen noch nicht mitgezählt. Die
meisten dieser Drohnen können mit Mitteln der elektronischen Kriegsführung
zum Absturz gebracht werden, aber die glühenden Trümmer verursachen
Zerstörungen und Brände.
Äußerst effektiv ist dabei der Einsatz von Fake-Drohnen: Diese billigen
Geräte machen bis zu einem Drittel der auf die Ukraine fliegenden
Drohnenschwärme aus, überlasten jedoch die ukrainische Luftabwehr und
zwingen sie, teure Munition aus amerikanischen Patriot-Systemen zu
verbrauchen. Am 4. Juli ordnete Selenskyj die Massenproduktion von
Abfangdrohnen an. Wie jedoch der erneute Raketen- und Drohnenangriff auf
Kyjiw in der Nacht zum 31. Juli zeigt, bei dem mehr als dreißig Menschen
getötet und über 150 verletzt wurden, sind diese noch kein Allheilmittel.
Eine neue Taktik bei Drohnenangriffen ist, dass die Russen weniger als
bislang wirtschaftliche oder militärische Einrichtungen beschießen, sondern
mehr Wohngebiete. So entgehen sie den großkalibrigen Maschinengewehren
mobiler Abwehrgruppen, die normalerweise Drohnen in bis zu 2 Kilometern
Höhe treffen können. Deshalb fliegen die russischen Kamikazedrohnen jetzt
in 3 Kilometer Höhe und stürzen dann einfach ab. Jetzt verursacht ein
Treffer weniger Opfer und Zerstörung als zuvor.
## Ukrainer sehen Zukunft ihres Landes pessimistisch
Die Ukraine ihrerseits greift verstärkt das russische Hinterland an:
Militärflugplätze, Rüstungsfabriken und Ölraffinerien sowie Bahnhöfe werden
zum Ziel von Drohnenangriffen. Wie jedoch der in der Ukraine lebende
russische Militärexperte Kirill Michailow der taz sagte, gibt es bislang
keine Beispiele dafür, dass das militärisch-wirtschaftliche Potenzial eines
Gegners aus der Luft zerstört werden konnte, denn selbst die
Flächenbombardements der Deutschen während des Zweiten Weltkriegs waren
seinerzeit nicht gänzlich effektiv.
Obwohl der Einsatz hochpräziser Waffen gegen den russischen Goliath von den
westlichen Verbündeten gebilligt und konsequent ausgeweitet wird, können
sie dessen Kampfkraft nur langfristig entscheidend beeinträchtigen. Doch
hat die Ukraine dafür Zeit? Nach Angaben des Kyjiwer Internationalen
Instituts für Soziologie (KIIS) sahen im Mai und Juni fast die Hälfte der
befragten Ukrainer – 47 Prozent – ihr Heimatland in zehn Jahren zerstört
und dünn besiedelt. Noch im Dezember 2024 waren es nur 28 Prozent, trotz
der damaligen Vorstöße der Russen an der Front.
Gleichzeitig gaben im Juli 2025 laut einer Meinungsumfrage [3][des Moskauer
Levada-Zentrums] 77 Prozent der befragten Einwohner Russlands an, die
Aktionen der russischen Armee in der Ukraine zu unterstützen. Gleichzeitig
wünschten sich jedoch zwei Drittel der Russen die Aufnahme von
Friedensverhandlungen. Mit anderen Worten: Viele der Russen, die ein Ende
des Krieges wünschen, stehen dessen Fortsetzung tolerant gegenüber. Und da
die Armee, wenn auch langsam, vorrückt, ist in den kommenden Monaten kaum
mit einer grundlegenden Änderung dieser passiv-aggressiven Stimmung zu
rechnen.
Aus dem Russischen [4][Gaby Coldewey]
8 Aug 2025
## LINKS
[1] https://deepstatemap.live/en#6/49.4383200/32.0526800
[2] /-Nachrichten-im-Ukraine-Krieg-/!6096406
[3] https://www.levada.ru/en/
[4] /Gaby-Coldewey/!a23976/
## AUTOREN
Alexander Gogun
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