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# taz.de -- Gefährliche Migrationsroute: Tödliches Flüchtlingsdrama vor Jeme…
> Über 100 Tote werden befürchtet, nachdem ein Boot voller Äthiopier sank.
> Hunderttausende versuchen jährlich die Flucht, oft ohne Erfolg.
Bild: Der Hafen Obock in Dschibuti ist häufiger Ausgangspunkt für die Überfa…
Berlin taz | Es ist eines der größten Flüchtlingsdramen dieses Jahres und
wirft ein Schlaglicht auf eine der gefährlichsten Fluchtrouten der Welt.
Wie die UN-Migrationsorganisation IOM (Internationale Organisation für
Migration) am Montag bekannt gab, ist in der Nacht von Samstag zu Sonntag
vor Jemens Südküste ein Boot mit 157 Menschen gesunken, fast alles
Migranten aus Äthiopien. Nach Angaben jemenitischer Behörden wurden 54
Leichen an der Küste bei Khanfar östlich von Aden angeschwemmt. Bis
Montagmittag bargen Helfer 76 Tote und 32 Überlebende. Die IOM meldete 68
Tote und 74 Vermisste. Deutlich über 100 Tote sind also zu befürchten.
Das Unglück ist das schwerste seit Jahren auf einer Route, die jedes Jahr
Hunderttausende Menschen aus den bitterarmen Ländern am Horn von Afrika
einschlagen – auf der Suche nach einem besseres Leben in den reichen
Ölstaaten der Arabischen Halbinsel, vor allem Saudi-Arabien. Die meisten
Migranten kommen aus Äthiopien, dem mit 120 Millionen Einwohnern größten
Land der Region, das seine Bevölkerung nicht ernähren kann und in Teilen
von Krieg gezeichnet ist. Viele Familien investieren ihre gesamten
Ersparnisse darin, um einen jungen Angehörigen nach Saudi-Arabien zu
schicken, damit er dort Geld verdient.
2023 verließen 184.000 Menschen Äthiopien in Richtung der Küstenländer
Dschibuti und Somaliland, um von dort nach Jemen und weiter nach
Saudi-Arabien zu gelangen. Im Jahr 2024 stieg die Zahl auf 234.000, im
ersten Quartal 2025 waren es laut IOM bereits 65.000. Besonders viele
fliehen derzeit aus der Nordregion Tigray, das vor mehreren Jahren bereits
Schauplatz eines verheerenden Krieges und einer Hungersnot mit mehreren
Hunderttausend Toten war und [1][wo dieses Jahr eine erneute bewaffnete
Konfrontation ausgebrochen ist]. Die meisten kommen nicht weiter als
Dschibuti.
Eine weitere wichtige Herkunftsregion ist die Nachbarregion Amhara, wo
ebenfalls ein bewaffneter Aufstand tobt. Auch aus der Zentralregion Oromo
rund um die Hauptstadt Addis Abeba führt eine Migrationsroute nach
Somaliland und dort zum Hafen Bosasso in Puntland, eine autonome Teilregion
Somalias.
Die Zahl der Bootsflüchtlinge, die tatsächlich Jemen erreichen, ist jedoch
deutlich geringer als die der Ausreisenden aus Äthiopien. Sie sank zuletzt
sogar, was an verstärkten Hafenkontrollen [2][und der zunehmenden
internationalen Marinepräsenz] liegt. Im Roten Meer bekämpfen die USA und
europäische Länder mit Marineeinheiten, die in oder um die französische
Militärbasis in Dschibuti stationiert sind, die Huthi-Miliz. Diese regiert
in Jemens Hauptstadt Sanaa und sieht sich im Krieg gegen Israel.
## 200 Kilometer lange Überfahrt
Die afrikanischen Flüchtlingsboote müssen daher Umwege nehmen. Sie landen
an Jemens Südküste östlich von Aden, wo Jemens international anerkannte
Regierung ansässig ist. Aden selbst und die Küste entlang der Meerenge zum
Roten Meer sind engmaschig überwacht, dort sind irreguläre Überfahrten
zwecklos, also gehen die Fahrten weiter nach Osten.
Das jetzt gesunkene Boot havarierte vor der Küste des südjemenitischen
Bezirks Abyan, früher eine Hochburg des jemenitischen Arms der Terrorgruppe
al-Qaida und zuletzt das Hauptziel der Flüchtlingsboote. Wo die Reise
begann, ist bislang unklar, aber am häufigsten ist es der Hafen Obock in
Dschibuti, weit weg von den Marinebasen. Die Route von dort an Jemens
Südküste ist über 200 Kilometer lang, deutlich mehr als die nur 26
Kilometer, die an der schmalsten Stelle Dschibuti von Jemen trennen.
Die lange Strecke und das Umgehen großer Häfen machen die Überfahrten
lebensgefährlich. 2024 ertranken laut IOM 462 Migranten, weil sie in
seeuntüchtigen, überfüllten Booten bei schlechtem Wetter unterwegs waren.
Menschenschmuggler zwingen die Migranten zudem oft, auf hoher See ins
Wasser zu springen und an die Küste zu schwimmen, um die Boote außer
Sichtweite zu halten. Insgesamt wurden 558 Migranten als tot oder vermisst
gemeldet. Im ersten Quartal 2025 waren es bereits 263, und seither kamen
weitere Unglücke hinzu. Zuletzt berichtete die IOM am 11. Juni von acht
Ertrunkenen und 22 Vermissten vor Dschibutis Küste.
Die gesamte Region ist für irreguläre Migration in den vergangenen
anderthalb Jahren deutlich komplizierter geworden. In Dschibuti sind
internationale Streitkräfte stationiert und das faktisch unabhängige
Somaliland strebt die Anerkennung durch die USA an und geht hart gegen
irreguläre Reisen vor. Gleichzeitig bekämpft [3][die benachbarte autonome
Region Puntland] mit Unterstützung der USA die dort vermutete Führung des
globalen „Islamischen Staates“ (IS). Im nordjemenitischen Huthi-Gebiet
starben Ende April mindestens 68 Menschen bei einem US-Luftangriff, der ein
Migrantenlager traf.
Im rechtlosen Grenzgebiet zu Saudi-Arabien, dem eigentlichen Zielland der
Geflüchteten, dokumentierte Human Rights Watch 2023 brutale Folter und
Hinrichtungen illegal eingereister Äthiopier. Auch wenn sie das überstehen,
leben die Migranten nicht sicher. Allein 2024 nahmen saudische Behörden
nach eigenen Angaben eine Million Migranten fest. Im ersten Quartal dieses
Jahres schob Saudi-Arabien laut IOM fast 24.000 Migranten nach Jemen oder
Äthiopien ab – doppelt so viele wie im Vorquartal.
4 Aug 2025
## LINKS
[1] /Kaempfe-in-Aethiopien/!6071757
[2] /Jemen-Huthis-und-der-Kolonialismus/!5988763
[3] /Somalia-zerfaellt-noch-weiter/!6001447
## AUTOREN
Dominic Johnson
## TAGS
Bootsunglück
Migration
Jemen
Afrika
Äthiopien
Jemen
Menschenhandel
Bürgergeld
Schwerpunkt Flucht
Giorgia Meloni
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