| # taz.de -- Ehemaliger NPD-Vorsitzender gestorben: Er relativierte den Holocaust | |
| > Der langjährige NPD-Vorsitzende Udo Voigt ist tot. Er war ein führender | |
| > Rechtsextremer, als es noch eine Scham gab, sie zu wählen. Seinen Traum | |
| > verwirklicht nun die AfD. | |
| Bild: Udo Voigt, 2011 | |
| Hamburg taz | [1][Einmal hat die taz Udo Voigt in seinem Brüsseler Büro | |
| besucht.] Es war 2015, Voigt war im Vorjahr ins EU-Parlament gewählt | |
| worden. Seine Stimme war bestimmend, aber nicht herrisch. In den Büroräumen | |
| nebenan saßen andere Rechtsextreme Europas zusammen, von dort klang das | |
| Gewirr der Stimmen lauter, anweisender. Sie drängen durch die Tür des Raums | |
| 154 in Voigts Büro. | |
| An seinem Schreibtisch wählte Udo Voigt die Worte und die Lautstärke ganz | |
| bewusst. Moderat und doch radikal, so wollte er auftreten. Der langjährige | |
| Vorsitzende der [2][NPD], heute Die Heimat, beteuerte: „Wir wollen ein | |
| Deutschland der Deutschen“. | |
| Fast zehn Jahre später ist Voigt verstorben. Nach kurzer Krankheit sei der | |
| „Kapitän“ auf seine „letzte Reise“ gegangen, erklärte Peter Scheiber, | |
| Bundesvorsitzender von Die Heimat. Von 2014 bis 2019 konnte Voigt mit | |
| europäischen Geldern Anti-EU-Politik betreiben. Über Brüssel und Straßburg | |
| vernetzte der Diplom-Politologe die nationale Internationale. In all den | |
| Jahren davor und danach hatte der nun mit 73 Jahren Verstorbene keinen | |
| größeren parlamentarischen Handlungsrahmen. Für „die deutsche Stimme in | |
| Europa“, so der Parteijargon, der wohl größte individuelle | |
| Parlamentserfolg. | |
| Bei den ganz großen Rechtsextremen im Europaparlament war Voigt allerdings | |
| unerwünscht. Die Fraktion um [3][Marine Le Pen] wollte mit dem damaligen | |
| NPD-Vorsitzenden nichts zu tun haben. Mit dem Vater Jean Marie Le Pen, ließ | |
| er wissen, konnte er ganz gut, mit der Tochter nicht mehr. Sie selbst war | |
| da schon bemüht, den heutigen Rassemblement National zu „ent-dämonisieren�… | |
| Die NPD, erklärte sie, sei rechtsradikal. | |
| Der „Dämon“ wechselte als Bundesvorsitzender jedoch selbst zwischen | |
| Modernisierung und Radikalisierung. Auf dem Bundesparteitag 1996 konnte | |
| Voigt sich knapp als Bundesvorsitzender durchsetzen. Bis 2011 hatte er den | |
| Vorsitz inne, wurde 2019 Vize. Die NPD war nach dem knappen Scheitern an | |
| der Fünf-Prozent-Hürde bei der Bundestagswahl 1969 parlamentarisch auf | |
| Bundesebene in die Bedeutungslosigkeit getrudelt. Nach der Amtsübernahme | |
| konnte Voigt den Abwärtsstrudel stoppen. Trotz Parteikonflikten, | |
| Finanzproblemen und V-Leute-Skandalen blieb er nicht nur Vorsitzender, er | |
| leitete auch die Landtagswahlerfolge ein. In Sachsen und | |
| Mecklenburg-Vorpommern konnte seine Partei für jeweils zwei | |
| Legislaturperioden in die Parlamente einziehen. | |
| ## SA-Papa war wohl sein Vorbild | |
| Dabei brachte ein Double-Bind der NPD den Erfolg: Der gebürtige Rheinländer | |
| ließ in der Partei die Argumentation der selbsternannten Intellektuellen | |
| der Neuen Rechten zu und öffnete die Verbände gleichzeitig für bekennende | |
| Kader der militanten Kameradschaften. Die widersprüchlichen Positionen | |
| dieser beiden Milieus führten allerdings stets zu Konflikten, persönlichen | |
| Anfeindungen und private Fehden: Einerseits „Wir verherrlichen nicht mehr | |
| den Nationalsozialismus und reden von Kultur“, andererseits „Wir zeigen die | |
| Hakenkreuzfahne und sprechen von Rassen“. | |
| Mittendrin stand Voigt, der sich 1984 nach einer Intervention des | |
| Militärischen Abschirmdienstes statt für eine Karriere als | |
| Bundeswehroffizier für eine Karriere als Parteikader entschied. Was die | |
| Familie gedacht hat? Sein Vater, ein überzeugter SA-Mann, soll dem Sohn ein | |
| Vorbild gewesen sein. Die Ambivalenz von Moderat und Radikal verkörperte | |
| Voigt immer wieder selbst. Voigt, der im Berliner Bezirk Treptow-Köpenick | |
| ein Mandat für die Bezirksversammlung hatte, war wegen Volksverhetzung | |
| verurteilt und relativierte den Holocaust. Ein Wahlslogan mit ihm auf einem | |
| Motorrad lautete: „Gas geben“. | |
| Zwei Verbotsverfahren überstand die NPD mit Voigt. Im ersten Verfahren | |
| schützten mögliche V-Leute vor einem Verbot, im zweiten Verfahren die | |
| sinkende Bedeutung der Partei. Voigts Traum von einer „nationalen | |
| Sammlungspartei“ rechts von der Union verwirklichte sich in einer anderen | |
| Partei. Die [4][AfD] wurde der Albtraum der NPD. Der neue Name „Die Heimat“ | |
| brachte 2023 kaum Zuspruch. Das Scheitern von Voigt und Co dürfte aber auch | |
| eine Diskursverschiebung bedingt haben. Vor der AfD-Gründung bestand noch | |
| eine Scham, Rechtsextreme zu wählen. Diese Scheu ist vorbei. Voigt wirkte | |
| dem zu. | |
| 20 Jul 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Andreas Speit | |
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