# taz.de -- Bevölkerungsrückgang in Japan: Weniger Menschen sind nicht automa… | |
> Mehr Menschen sind schlecht für die Artenvielfalt. Also erholt sich die | |
> Natur wieder, wenn die Bevölkerung schrumpft? Japan zeigt: nicht | |
> unbedingt. | |
Bild: Reisanbau in Japan – die überfluteten Felder sind wichtig für die Nah… | |
Berlin taz | Eine sinkende Zahl von Menschen in einer Region kann gut für | |
die Umwelt sein – muss aber auch nicht. Das hat [1][eine Studie im | |
Fachmagazin Nature herausgefunden], die ländliche Gegenden in Japan | |
untersucht hat, in denen die Bevölkerung schrumpft. | |
Die Forscher haben sich damit die Umkehrung eines weltweiten Trends | |
angeschaut. Denn Studien haben vielfach gezeigt, dass Ökosysteme unter | |
steigenden Bevölkerungszahlen leiden. [2][Erholt sich die Natur also | |
wieder], wenn die Bevölkerungszahl weltweit schrumpft? Das Beispiel Japan | |
zeigt: Das muss nicht stimmen. | |
Die japanische Bevölkerung nimmt seit 2010 ab, in vielen Regionen ging die | |
Zahl der Bewohner*innen schon in den 1990ern zurück. Um herauszufinden, | |
welchen Effekt das auf die Biodiversität hat, nutzten die Studienautoren | |
Daten, die Freiwillige seit 2004 gesammelt hatten. Darin enthalten waren | |
464 Vogel-, Insekten- und Froscharten sowie 2.922 Pflanzenarten. | |
Sie konzentrierten sich dabei auf 158 Orte in ländlichen Gegenden, in denen | |
landwirtschaftliche Flächen, Wälder, Flüsse und Grasland neben Dörfern und | |
Kleinstädten das Landschaftsbild prägen – genau die Regionen, in denen die | |
Bevölkerungszahl am drastischsten sank. | |
## Das menschliche Durcheinander ist wichtig für viele Arten | |
Es zeigte sich: Wo immer mehr oder immer weniger Menschen leben, [3][leidet | |
die Artenvielfalt]. Die Zahl der Tiere und Pflanzen blieb nur dort stabil, | |
wo auch die Zahl der Menschen etwa gleich blieb. | |
„Wahrscheinlich liegt das daran, dass Bauern in diesen Regionen das Land | |
auf die gleiche Weise beackern wie frühere Generationen“, erklärt der | |
britische Forscher Peter Matanle, der die Studie mit vier Kollegen aus | |
Japan geschrieben hat. | |
Wird ein Reisfeld zum Beispiel nicht mehr wie üblich im Frühjahr geflutet, | |
sondern liegt brach, können Frösche oder Insekten dort nicht ihre Eier | |
ablegen. Diese Eier oder die Larven fehlen dann den Vögeln als Futter. Auch | |
kleine Gärten oder Obsthaine verfallen, die im ländlichen Japan | |
traditionell gepflegt werden und Nahrung und Lebensräume für viele Arten | |
bereitstellen. | |
„Diese Nischen schrumpfen, obwohl es weniger Menschen gibt, weil sich die | |
[4][Art und Weise der Nutzung des Landes dann verändert]“, sagt Matanle. | |
„Überraschend viele Arten gedeihen in dem regelmäßigen Durcheinander, das | |
Menschen durch Ackerbau je nach Jahreszeit zum Beispiel durch das Fluten | |
von Reisfeldern verursachen, durch die Saat und durch die Ernte.“ | |
## Abwarten ist keine gute Idee | |
Häufig seien die neuerdings brachliegenden Flächen zudem isoliert zwischen | |
Feldern, die noch gepflegt werden. „Dann ist die natürliche Nachfolge | |
schwierig, sodass andere Arten in das Gebiet vordringen, die mehr mit den | |
verlassenen Flächen anfangen können“, sagt Matanle. | |
Daher sei es keine gute Idee, auf die natürliche Nachfolge zu warten und | |
nicht einzugreifen. „Dafür haben wir nicht mehr die Zeit“, sagt Matanle, | |
Erderhitzung und Artensterben seien schon zu weit fortgeschritten. | |
„Stattdessen sollten wir uns überlegen, wie eine Zukunft aussehen sollte, | |
in der wir die Artenvielfalt wiederherstellen, den Verbliebenen in den | |
Regionen mit geringem Bevölkerungswachstum ein würdevolles Leben | |
ermöglichen und die sich auftuenden Gelegenheiten ergreifen, den | |
Klimawandel zu bekämpfen.“ | |
Dabei könne es zum Beispiel helfen, Gebiete wieder zu bewalden, die | |
jahrhundertelang landwirtschaftlich genutzt wurden, aber vor der Besiedlung | |
durch den Menschen Wald waren. „Einige dieser Flächen könnten sogar in die | |
öffentliche Hand übergehen und zu Schutzgebieten werden“, schlägt Matanle | |
vor. | |
Was sie für Japan herausgefunden haben, sei für Deutschland und Europa | |
nicht direkt anwendbar, sagt Matanle, auch wenn ähnliche Prozesse | |
stattfinden könnten. Die Reisfelder und die privaten Obsthaine zum Beispiel | |
seien eine asiatische Besonderheit. Für den Nordosten Chinas, Taiwan und | |
Südkorea können die Ergebnisse der Studie aber durchaus nützlich werden. | |
25 Aug 2025 | |
## LINKS | |
[1] https://www.nature.com/articles/s41893-025-01578-w | |
[2] /Angriff-auf-das-Umweltbundesamt/!6099074 | |
[3] /Umweltbundesamt-zu-Kritik-der-Agrarlobby/!6099034 | |
[4] /Gesetz-zur-Wiederherstellung-der-Natur/!6096565 | |
## AUTOREN | |
Rosa Heine | |
Jonas Waack | |
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