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# taz.de -- „Zeit-Magazin“ über Dimes Square: Jegliche Distanz verloren
> Das „Zeit-Magazin“ hat der neorechten Dimes-Square-Szene in Manhattan
> eine Titel-Reportage gewidmet. Der Text lässt jede Distanz vermissen.
Bild: Dimes-Square in New York
Es gibt Texte, deren Lektüre augenblicklich Unbehagen auslöst. Die
Titel-Reportage des Zeit-Magazins der letzten Woche von Marlene Knobloch
„Wie wurde rechts cool?“ ist so ein Text. Einer, der Wort für Wort ins Hirn
sickert wie vergorene Milch: eigentlich passiert nichts, wenn man sie
trinkt, schlecht wird einem nur vom Gedanken daran.
In der Reportage beschreibt die Autorin in dringlich-leidendem, aber eben
auch coolem Tonfall „Wie [sie] versuchte auf die hipste rechte Party New
Yorks zu kommen“ – und wie sie am Ende abgewiesen wird. Auf den zehn Seiten
dorthin ergeht Knobloch sich in Begehrlichkeiten und Details. Zentrum der
Geschichte ist die sogenannte Dimes-Square-Szene, eine neurechte, Trump
huldigende Subkultur, in deren Zentrum Akteure wie die beiden Hosts des
„Red Scare“-Podcasts Dasha Nekrasova, Anna Khachiyan und der ultrarechte
Blogger Curtis Yarvin stehen.
Wer darf mitspielen? Wie sehen die aus? Welche Kultur wird konsumiert,
welche Meinungen werden verbreitet? Und wie? Eben kurz: Wie wurde rechts
zur begehrenswerten Subkultur? Was im ersten Moment klingt wie eine
Vice-Reportage oder ein Moritz-von-Uslar-Text der nuller Jahre, kommt ohne
Sensation, ohne Provokation und ohne gewollten Bruch daher.
Das Unangenehme des Textes liegt in seiner Subtilität. In der
unscheinbaren, zuweilen langweiligen Tonalität, mit der auch „Warum wurde
Vapen cool?“ oder „Wie komme ich ins Berghain?“ aufgeschrieben werden
könnten. Es könnte eine Szene aus einem neuen deutschen autofiktionalen
Midcult-Roman sein, der sich in einem konfliktären Ende ergeht, nur, dass
es sich um eine Reportage in der auflagenstärksten Wochenzeitung
Deutschlands handelt – und das konfliktäre Ende ausbleibt.
## Erfüllt von Wehmut
Dass die Dimes-Square-Szene ein beachtenswertes soziokulturelles Milieu
ist, will man neurechte Tendenzen verstehen, steht außer Frage, wie auch
Texte in der [1][FAZ] oder der [2][taz] zeigten. Wenn Knobloch jedoch Sätze
aufschreibt wie „Als ich Fotos von diesem Salon sah und die Geschichten
hörte, erfüllte mich Wehmut“, scheint die Autorin jegliche Distanz verloren
zu haben. Der süße Coverboy auf der Titelseite, die Beschreibungen der
wilden Nächte, die leichte Abwertung ihres eigenen, „linken“
Freundeskreises reihen die Neurechten gleichberechtigt ein in die leichte,
glänzende Welt des aufgeklärten Wochenend-Konsums.
Dass Pose und Gegenkultur durch Medienrezeption zu konsumierbaren Attitüden
gerinnen, ist altbekannt. Doch während linke Subkulturen dabei stets
Kommodifizierung argwöhnten, ist dies bei dieser rechten „Avantgarde“, wie
Knobloch sie beschreibt, nicht Angst, sondern Ziel. Das kapitalistische
Spektakel fürchtet die Kapitalisierung nicht, die Durchdringung der Massen
ist ihre Bestrebung.
Es ist an der Zeit, rechtslibertäre Bewegungen als das darzustellen, was
sie sind: pseudorebellisch.
15 Jul 2025
## LINKS
[1] https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/dimes-square-in-new-york-ju…
[2] /Hippe-Neoreaktionaere-in-New-York-City/!5939891
## AUTOREN
Hilka Dirks
## TAGS
Zeitung
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Schwerpunkt USA unter Trump
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