| # taz.de -- Das Lesachtal als Reiseort: „Der Honig kommt von der Erika“ | |
| > Wandern und süßes Nichtstun: Das österreichische Lesachtal ist mit seinem | |
| > kleinteiligen Tourismus überraschend modern. | |
| Bild: Das Lesachtal in Österreich erstreckt sich über etwas mehr als 20 Kilom… | |
| „Der Weg ins Paradies ist lang und beschwerlich“, sagt Eva-Maria | |
| Oberluggauer lachend beim Empfang im familiengeführten [1][Almwellness | |
| Ressort Tuffbad]. Im weinroten Dirndl empfängt die Chefin des Hauses die | |
| Gäste persönlich. Die Besucher haben enge Kurven, verstopfte Straßen oder | |
| verspätete Busverbindungen auf sich genommen, um hierher zu kommen: ins | |
| abgelegene [2][Lesachtal], laut Werbung das naturbelassenste Tal | |
| Österreichs. | |
| Hier im sonnigen Kärnten herrscht Ruhe. Hier rauscht allenfalls der | |
| Bergwald oder der Bergbach. Wald zieht sich über die steilen Hänge des etwa | |
| 40 Kilometer langen Tals. Dazwischen propere Bauernhäuser, sauber gemähte | |
| Wiesen und Almen. Alles wie reingewaschen. Keine Seilbahn, kein Lift stört | |
| die Idylle. | |
| Ein wahres Eldorado für Wanderer und jene, die Stille abseits vom Rummel | |
| touristischer Gebiete suchen. Kurvenreich schlängelt sich die schmale | |
| Hauptstraße durchs Tal. Kapellen, Kreuzwege und vielfach der gekreuzigte | |
| Jesus am Wegrand demonstrieren die Daseins- und Jenseitssicht der | |
| Lesachtaler. Im Wallfahrtskloster Maria Luggau tut sogar die Jungfrau Maria | |
| ihre Wunder. Lifestyle, gewachsen in jahrhundertelang gefestigten Bahnen. | |
| Das hat sich seit 1995 nicht verändert, als ich schon einmal hier war. | |
| Damals wurde das Lesachtal zur „Landschaft des Jahres“ der Naturfreunde | |
| Internationale gekürt. Zweck dieser Naturfreunde-Aktion war es, „Konzepte | |
| für eine nachhaltige Entwicklung der ausgewählten Regionen“, in diesem | |
| Falle der Alpen, zu entwickeln. An diesem Konzept hält man auch heute im | |
| Tal noch fest. | |
| ## Brot als Weltkulturerbe | |
| Achtsamkeit, Nachhaltigkeit und Regionalität, das [3][Lesacher Brot ist | |
| Weltkulturerbe] und das Tal hat sich als Slow-Food-Region auszeichnen | |
| lassen – „diese Werte werden auch hier im Tuffbad über alles andere | |
| gestellt und täglich von jedem Mitarbeiter gelebt“. Wohl auch deshalb, | |
| erklärt uns unsere Gastgeberin Eva-Maria Oberluggauer, blieben ihre | |
| Mitarbeiter*innen sehr lange im Betrieb und es gäbe kaum Fluktuation. | |
| Der Großteil der Mitarbeiter kommt aus den umliegenden Dörfern des | |
| Lesachtals. | |
| Kein Wunder, ist das Tuffbad mit 120 Betten doch der tourisitische | |
| Leitbetrieb. „Der Honig kommt von der Erika, der Käse von der Kathrin, | |
| Kräuter von der Klara, Wein vom Georg, „sagt Oberluggauer. Alles sehr | |
| überschaubar. | |
| Verändert hat sich im Tal allerdings der Zustand der bewaldeten Berge: nach | |
| einem großen Sturm 2018, der viele Bäume umriss, wütet der gefräßige | |
| Borkenkäfer und hinterlässt kahle Hänge. Verändert hat sich auch das | |
| Tuffbad, dass sich zu einem der besten Wellnessresorts Österreichs | |
| herausgeputzt hat. Was die Padres aus dem nahen Wallfahrtsort Maria Luggau | |
| vor gut 250 Jahren entdeckten, sorgt im Tuffbad heute für Wellness von | |
| innen wie von außen: eine Heilquelle spendet (zertifiziertes) Mineralwasser | |
| zum Trinken, aber ebenso zum Schwimmen im Infinitypool. Die offizielle | |
| Bezeichnung: „Calcium-Magnesium-Sulfat-Hydrogencarbonat-Mineralwasser“. | |
| „Wenn die Bauernhöfe existieren, wird auch das Lesachtal bleiben“, meinte | |
| 1995 der Landwirt und Privatzimmervermieter Franz Unterguggenberger, damals | |
| Vizepräsident der Landwirtschaftskammer Kärnten. Für ihn wie für die | |
| meisten Lesachtaler war Tourismus immer nur Zuerwerb. Er prägt nicht | |
| gänzlich die Infrastruktur. Das hat auch geographische Gründe: Das Tal | |
| liegt abseits der Hauptverkehrswege, und wegen schwieriger geologischer | |
| Bedingungen stand der massentouristische Ausbau nie wirklich zur | |
| Diskussion. Kein Großprojekt, kein Großkonzern und auch keine | |
| Verschuldungsmisere belasten das Tal. | |
| „Gästezimmer, die mit der Substanz des heimischen Waldes ausgebaut wurden, | |
| für Urlauber, die meist von der Frau des Hauses betreut werden“, sagt die | |
| Bäuerin Kathrin Unterweger vom Jörgishof. „Es bereichert mich sehr, Gäste | |
| zu haben, das bringt neue Ideen in diese abgelegenen Höhen“, sagt sie. Die | |
| selbstbewusste Frau, dreifache Mutter, bewirtschaftet mit ihrem Mann einen | |
| Bio-Milchviehbetrieb auf 1.350 Meter Seehöhe mit Direktvermarktung und | |
| Urlaub am Bauernhof. Im Mai 2025 wurde sie zur neuen Bezirksobfrau gewählt. | |
| Ein Novum in der 140-jährigen Geschichte des Kärntner Bauernbundes: | |
| Erstmals übernimmt eine Frau dieses Amt. | |
| ## Das Tuffbad als Segen für die Beschäftigten | |
| Es sind kleinteilige gewachsene Verhältnisse, solide wie die Balken der | |
| Häuser. Überschaubar. Doch die Bergwirtschaft hat ausgedient. Sie lebt von | |
| Subventionen und wird heute hauptsächlich als Grundproduktion, die die | |
| Lebenshaltungskosten verbilligt, betrieben. Viele Einheimische müssen zur | |
| Arbeit außerhalb des Tals pendeln. Da ist das Tuffbad mit seinem | |
| Arbeitsplatzangebot ein Segen, den vor allem österreichische Gäste zu | |
| schätzen wissen. | |
| Hierher kommen nicht nostalgiegeplagte Baby-Boomer, die noch das Edelweiß | |
| in der Schrankwand kannten. Hierher kommen viele junge Paare. Das Tuffbad | |
| hat den Anschluss an modernen Bergurlaub geschafft. Während Wanderer auf | |
| knapp 300 km markierten Wegen die Bergkulisse zwischen den Karnischen Alpen | |
| und dem beeindruckenden Bergmasiv der Lienzer Dolomiten erkunden, geben | |
| sich die anderen dem süßen Nichtstun hin, sei es mit einer entspannenden | |
| Aromaöl-Therapie, die in den Varianten Lärche, Fichte und Weißtanne | |
| angeboten wird, einer Lesachtaler Heupackung, einer Kräuterstempelmassage | |
| oder einer Ziegenbutter-Nachtkerzenöl-Packung? | |
| Oder sie tauchen ein in das warme Wasser des Infinitypools mit dem Blick | |
| auf die saftigen Almwiesen und die Bergmassive rundum. | |
| Im Talkessel des Lesachtales hat sich trotzdem erhalten, was draußen in den | |
| Städten nicht mehr zählt: Bodenständigkeit und Brauchtum zwischen Gesangs- | |
| und Volkstanzgruppen. Ob Mann, ob Frau, sozialer Treffpunkt ist der Verein. | |
| „Da wird noch miteinander geredet“, meint Nikolaus Lanner, umtriebiger | |
| Vorsitzender des Tourismusverbands Lesachtal. In seinem | |
| Slow-Food-Restaurant „[4][Wanderniki]“ spielt er für Bekannte und Gäste | |
| schon sehr beschwingt „La Montanara“ auf seinem Akkordeon. | |
| Rückschrittlichkeit als Programm für die Zukunft? Die Naturfreunde hatten | |
| mehr im Blick. Gemeinsam mit Vertretern der Gemeinden, mit Verbänden und | |
| Initiativen vor Ort wollten sie modellhafte Projekte für eine nachhaltige | |
| Entwicklung der Region anregen. Damit sollten die Existenz der | |
| einheimischen Bevölkerung und die ökologische Stärke der Region gesichert | |
| werden. | |
| ## Kraftquellen als Wanderziel | |
| Mit Themenwanderwegen etwa zu den „Kraftquellen der Landschaft“, | |
| „Kräuterwanderungen“ oder unterwegs mit dem Chirurgen Dr. Georg Lexer, der | |
| die vier Spezialisten Dr. Alm, Dr. Wald, Dr Wiese und Dr. Wasser zur | |
| Heilung anpreist. „Wir haben unsere Landschaft zu bieten. Wir haben etwas, | |
| was der Gesundheit, der heute so viel beschworenen Vorbeugung hilft“, sagt | |
| der Arzt, der lange Jahre außerhalb des Lesachtals arbeitete. All das sei | |
| heute in Zeiten von Burnout und digitalem Stress sehr gefragt. | |
| Zurück in die Zukunft – ein touristisches Leitmotiv, das für Qualität steht | |
| und im Lesachtal aufgeht. Wie das Lesachtaler Brot. Die Brot-Sommelière von | |
| Slow Food, Anita Stöffler, erklärt wie der Sauerteig angesetzt werden muss | |
| und wie oft man diesen „füttern“ soll. Sie erklärt die Abfolge von Mische… | |
| Kneten, Gehen lassen, Backen, um das braune, rustikale Brot mit seiner | |
| säuerlichen Note und seinem Geschmack nach den nussigen Aromen des | |
| Leinsamen herzustellen. Und als regionales I-Tüpfelchen mischt sie einen | |
| Tropfen Zirbenöl unter. Das Mehl stammt selbstverständlich aus einer der | |
| Mühlen entlang des historischen Mühlenweges in der Nähe des Klosters Maria | |
| Luggau. | |
| Zurück in die Zukunft, also Reduzierung und Beschränkung als Modell für die | |
| Alpen blitzt zwar immer wieder in Konzepten und Strategien auf, aber | |
| bislang bringt der immer weiter steigende Tourismus in den Alpen vor allem | |
| erhebliche Herausforderungen mit sich, die sowohl die Umwelt als auch die | |
| lokale Bevölkerung betreffen. | |
| 20 Jul 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.almwellness.com/ | |
| [2] https://www.lesachtal.com/de | |
| [3] https://www.slowfood.travel/de/magazin/Rezepte/Lesachtaler-Brot_r_7785/ | |
| [4] https://www.wanderniki.at/ | |
| ## AUTOREN | |
| Edith Kresta | |
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