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# taz.de -- Klimakrise und Finanzen: Klimaschutz ist bares Geld
> Finanzverwalter müssen nicht im Blindflug agieren, sondern sollten besser
> in Umweltstandards investieren. Denn Naturrisiken sind auch
> Finanzrisiken.
Bild: Mehr Hurrikane dur den Klimawandel, hier beschädigte Häuser in Florida …
Die Katastrophe bahnt sich massiv an: Die [1][rasche Erderwärmung und die
zunehmende Umweltzerstörung] bedrohen jeden Sektor der Weltwirtschaft.
Viele Anleger wie Hedge-Fonds-Manager machen wie gewohnt weiter, während
andere, darunter Verwalter langfristiger Vermögenswerte wie etwa
Pensionsfonds und Staatsfonds, erkannt haben, dass [2][Natur- und
Klimarisiken alle Facetten der Weltwirtschaft beeinflussen] werden.
Auch wenn sich viele Aktionäre und CEOs weiterhin auf die
Quartalsergebnisse konzentrieren, haben die Verwalter langfristiger
Vermögenswerte damit begonnen, Unternehmen auf Naturkapitalrisiken hin zu
untersuchen, um Umweltschocks zu antizipieren, die den langfristigen Wert
ihrer Vermögenswerte verringern könnten. So prüft der norwegische
Staatsfonds, der Vermögenswerte in Höhe von 1,7 Billionen Dollar verwaltet,
inzwischen 96 Prozent seines Portfolios auf derartige Risiken. Dabei
handelt es sich nicht um eine interne Verfeinerung von Umwelt-, Sozial- und
Governance-Zusagen, sondern um eine bedeutende institutionelle Veränderung.
Norwegen ist nicht allein. Vor Kurzem hat der staatliche finnische
Pensionsfonds begonnen, Möglichkeiten zur Kalkulation naturbedingter
finanzieller Risiken im Zusammenhang mit langfristigen
Pensionsverpflichtungen zu untersuchen. Auch das Finanzunternehmen Temasek
Holdings in Singapur setzt inzwischen Biodiversitätsdaten ein, um Risiken
und Chancen im Zusammenhang mit Naturkatastrophen zu bewerten.
In einer Zeit, in der Zusagen zum Umweltschutz zu einem Streitpunkt
politischer und kultureller Auseinandersetzungen geworden sind, besteht
kein Zweifel daran, dass diese Maßnahmen nicht durch politischen Druck oder
gesellschaftliche Trends, sondern durch Pragmatismus motiviert sind. Schon
jetzt führen extreme Wetterereignisse, der Verlust biologischer Vielfalt,
Wasserstress und Ressourcenknappheit zu wirtschaftlichen Verwerfungen, von
denen Länder mit niedrigem Einkommen besonders hart betroffen sind.
2022 sorgten Überschwemmungen in Pakistan für Verwüstungen in der
Landwirtschaft, in der 40 Prozent der Arbeitskräfte des Landes beschäftigt
sind. Lebensmittelpreise schnellten in die Höhe, das Land geriet an den
Rand der Zahlungsunfähigkeit. In Indonesien führte die Palmölproduktion
dazu, dass 2022 ein vorübergehendes Exportverbot verhängt wurde – weil
durch [3][die Palmölproduktion] Wälder abgeholzt und Torfmoore zerstört
wurden. [4][In Brasilien] und Äthiopien führten steigende Temperaturen und
unregelmäßige Regenfälle zu einem Rückgang der Kaffee-Ernten, der wiederum
die Weltmarktpreise in die Höhe trieb und die landwirtschaftlichen
Einkommen sowie die Exporteinnahmen schmälerte.
Auch Länder mit hohem Einkommen sind gegen diese Risiken nicht immun. In
den USA sorgen Dürren für Ernteeinbußen von Arkansas bis Oklahoma,
Immobilienversicherer sehen sich aufgrund klimabedingter Katastrophen wie
Wirbelstürme und Waldbrände veranlasst, ihre Prämien zu erhöhen, den
Versicherungsschutz zu reduzieren und sich aus Hochrisikogebieten ganz
zurückzuziehen. In Europa beeinträchtigen naturbedingte Risiken die
Olivenölproduktion in Italien und Griechenland, den [5][Weinanbau in
Frankreich, Italien und Spanien], die Holzwirtschaft in Mittel- und
Nordeuropa, die Fischerei im Mittelmeer und den Schiffsverkehr auf Rhein
und Donau.
Dennoch werden diese Risiken in den Finanzmodellen nicht angemessen
eingepreist. Das liegt zum Teil daran, dass die Daten zum Naturkapital im
Gegensatz zu jenen über Treibhausgasemissionen nach wie vor fragmentiert,
uneinheitlich und schwer zugänglich sind. Die Risiken sind komplex, es gibt
keine Mess- oder Berichtsstandards. Infolgedessen fehlen den meisten Banken
die notwendigen Informationen, insbesondere standortspezifische Daten, um
die Umweltabhängigkeit der Kreditnehmer zu bewerten.
Doch es entstehen neue hilfreiche Instrumente, diese Lücken zu schließen.
Das kostenlose Onlinetool „Exploring Natural Capital Opportunities, Risks
and Exposure“ etwa hilft Finanzinstitutionen, naturbezogene Risiken zu
erkennen, die sich in Kreditvergabe, Underwriting und Investitionen in
risikoreichen Branchen ergeben. Darüber hinaus hat die Taskforce on
Nature-related Financial Disclosures eine Reihe von Empfehlungen und
Leitlinien ausgearbeitet, die Unternehmen und Finanzinstitutionen
unterstützen sollen, Natur und Katastrophen in ihre Entscheidungen
einzubeziehen. Einige Zentralbanken haben Szenarien entwickelt, um
Auswirkungen von klima- und naturbezogenen Risiken auf Wirtschaft und
Finanzsystem abzuschätzen. Es gibt also Mittel, Maßnahmen zu ergreifen,
Investoren sind nicht gezwungen, im Blindflug zu agieren.
Hier geht es nicht mehr nur um eine Frage des Bewusstseins. Angesichts der
Tatsache, dass Investoren bereits mit den finanziellen Folgen ökologischer
Instabilität konfrontiert sind – von gestrandeten landwirtschaftlichen
Vermögenswerten bis hin zur Verschlechterung der Kreditwürdigkeit
klimaanfälliger Volkswirtschaften –, besteht kein Zweifel daran, dass
Naturrisiken auch Finanzrisiken sind. Zentralbanken und Institutionen wie
der Internationale Währungsfonds haben nun die Pflicht, diese Erkenntnis in
all ihre Aktivitäten zu integrieren – bevor der nächste vermeidbare Schock
eintritt. An der Spitze werden Institutionen stehen, die bereit sind, das
alte Denken hinter sich zu lassen, Naturstandards mitzudenken und nicht nur
in Märkte zu investieren, sondern auch in Systeme, die diese Märkte tragen.
Aus dem Englischen von Helga Klinger-Groier.
Copyright: Project Syndicate, 2025. Project Syndicate mit Sitz in Prag ist
eine Non-Profit-Organisation, die internationalen Medien Essays und
Meinungsbeiträge von namhaften PublizistInnen und WissenschaftlerInnen
anbietet.
29 Jul 2025
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## AUTOREN
Helga Klinger-Groier
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