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# taz.de -- Aktivistin über mangelndes Interesse: „Klimaschutz muss wieder z…
> In progressiven Debatten kommt die Erderhitzung kaum vor, kritisiert
> Fridays-for-Future-Campaignerin Magdalena Hess. Sie weiß auch, woran das
> liegt.
Bild: „Im Moment fühlt sich vieles nicht nach Fortschritt an“, sagt Klimaa…
taz: Frau Hess, wie zu Beginn der Klimaproteste 2018 herrschte auch in
diesem Jahr [1][in Deutschland wieder monatelang Dürre], wir hatten im Juni
Höchsttemperaturen – und es gibt eine [2][schwarz-rote Bundesregierung, die
den Klimaschutz ausbremst]. Wäre jetzt nicht der perfekte Zeitpunkt für ein
Comeback von Fridays for Future?
Magdalena Hess: Das frage ich mich auch. Die gesellschaftliche Stimmung ist
heute aber eine andere als 2018, als Fridays for Future gestartet ist.
Damals gab es eine progressive Aufbruchsstimmung, heute erleben wir einen
[3][massiven Rechtsruck]: Rechte Kräfte schaffen es besser, den Unmut über
den Status quo aufzugreifen, und sie sind es, die Veränderung verkörpern.
Darüber ist auch die junge Generation gespalten.
Was mich aber wirklich irritiert: Innerhalb der gesamten politischen Linken
hat Klimaschutz stark an Bedeutung verloren. Es gab eine Phase, in der
ökologische Themen präsent waren. Heute hat sich ein Diskurs durchgesetzt,
in dem man [4][über soziale Gerechtigkeit redet], aber das Klima ausblendet
– als könnte man eine gerechte Welt versprechen, ohne Klimaschutz ernst zu
nehmen. Das ist inkonsequent und unehrlich.
taz: Klimaschutz spielt in linken Bewegungen keine Rolle mehr?
Hess: Zumindest nicht in dem Maße, wie es nötig wäre. Das ist zu einem
Mobilisierungsproblem geworden: Viele Aktive sind in Strukturen
eingebunden, die sich auf soziale Themen und Antifaschismus konzentrieren –
was absolut wichtig ist. Aber gleichzeitig wird Klimaschutz oft den
„liberalen Ökos“ überlassen. Aus linker Perspektive scheint das Thema zum
vernachlässigbaren Nebenwiderspruch geworden zu sein – nach dem Motto: Wenn
wir erst mal den Kapitalismus abgeschafft haben, löst sich das
Klimaproblem von selbst. Aber so einfach darf man es sich nicht machen.
taz: Wozu führt das?
Hess: Ich erlebe in meinem Umfeld viele, die in eine [5][„Das bringt eh
nichts“-Haltung verfallen], andere reden die Dringlichkeit klein. Unsere
Aufgabe als Klimabewegung und als gesamte politische Linke ist, da eine
selbstbewusste Antwort drauf zu finden.
taz: In einem Ihrer Videos sagen Sie: „Nur weil ihr euch nicht mehr für die
Klimakrise interessiert, ist sie nicht weg.“ Wem gilt diese Anklage?
Hess: Es ist ein Weckruf an all jene, die unsere Argumente teilen, früher
vielleicht sogar selbst protestiert haben, aber jetzt gar keine Pflicht
mehr spüren, sich einzubringen. Ich finde es völlig legitim, sich mit
[6][Themen wie Antifaschismus oder Demokratie zu beschäftigen]. Aber es
geht nicht, Klimaschutz einfach von der Prioritätenliste zu streichen, nur
weil andere Debatten gerade mehr Aufmerksamkeit versprechen. Wir haben
keine Zeit, eins nach dem anderen abzuarbeiten. Die Klimakrise ist massiv
zeitkritisch – das unterscheidet sie fundamental von anderen politischen
Problemen.
taz: Nach außen hört man von Fridays for Future aber doch oft: Die Mehrheit
der Gesellschaft steht weiter hinter uns, alles gut.
Hess: Das ist strategische Kommunikation – und ich verstehe das. Fridays
darf sich nicht mit anderen linken Bewegungen zerstreiten. Aber innerhalb
der Bewegung herrscht viel Frust. Wie denn auch nicht? Denn es stimmt ja:
Die [7][Umfragen zeigen weiterhin, dass ein Großteil der Menschen sich
ambitionierten Klimaschutz wünschen.] Was hingegen drastisch abgenommen
hat, ist das Vertrauen in Parteien und Regierungen, was die gerechte
Gestaltung von Klimaschutz betrifft.
taz: Das liegt daran, dass auch die Ampelregierung, die unter anderem mit
ambitionierter Klimapolitik angetreten ist, enttäuscht hat?
Hess: Genau. Selbst im linken und progressiven Lager fühlt sich dafür kaum
jemand verantwortlich, weder die Linkspartei noch die SPD, oft nicht mal
die Grünen, solange Klimaschutz kein Gewinnerthema mehr ist. Als wäre es
ein Nice-to-have und nicht die fundamentale Grundlage, um linke und
fortschrittliche Politik überhaupt denken zu können.
taz: Wie viel Rückenwind spüren Sie noch?
Hess: Unsere Forderungen orientieren sich an wissenschaftlichen Fakten,
nicht an Umfragen. Die Alternative zu Klimapolitik ist Klimakrise – und die
hat zum Glück auch keine politische Mehrheit.
taz: Aber muss Klimaschutz beliebt sein, damit er durchgesetzt werden kann?
Hess: Wir orientieren uns als Bewegung leider zu oft an Zustimmungswerten.
Klar, wenn 70 Prozent mehr Solarausbau wollen, ist das ein gutes Argument.
Aber es gibt eben auch Themen, die weniger beliebt, aber notwendig sind:
Flugreisen. Fleisch. Autos. Wärmepumpen. Der Fokus auf Umfragen darf nicht
dazu führen, dass wir unangenehme Wahrheiten nicht mehr aussprechen. Oft
habe ich das Gefühl, wir Klimaaktivist*innen stehen damit allein da –
als müssten wir allein der Gesellschaft ein attraktiveres Angebot machen,
damit sie sich nicht mehr mit einer Politik abfindet, die unsere
Lebensgrundlagen zerstört.
taz: Traut ihr euch selbst zu, noch etwas zu bewegen?
Hess: Im Moment fühlt sich vieles nicht nach Fortschritt an. Dann ist es
schwer zu sagen: Schaut mal, wie weit wir gekommen sind! Als die Massen
noch auf der Straße waren, wurde mit dem Green Deal der EU das wichtigste
Klimaschutzgesetz der Welt beschlossen. Seit sie weg sind, wird es Stück
für Stück abgeschafft. Genauso wie viele Vorhaben in Deutschland.
Ich tue mich schwer damit, den Windausbau zur Ermutigung zu nehmen, während
sich die Klimakatastrophe zuspitzt. Aber: Ich bin überzeugt, dass Protest
etwas verändern kann. Ich habe erlebt, wie Demos einen riesigen Unterschied
machen und breit anschlussfähig sein können. Wir sind noch lange nicht
verloren und haben ganz viel Handlungsspielraum.
taz: Und jetzt? Wie lässt der sich nutzen?
Hess: Wir müssen raus aus der Logik, dass immer die Übriggebliebenen die
Verantwortung allein tragen. Es geht nicht nur um Fridays for Future,
sondern um die gesamte Gesellschaft. Ich wünsche mir eine neue Welle erster
Schritte – von Leuten, die den Mut haben, sich von unten fürs Klima zu
engagieren. Menschen, die neue Aktionen ausprobieren, die wieder auf die
Straße gehen, allein, zu zweit, zu dritt. Und auch unter Linken ist es
Zeit, sich ehrlich zu fragen, ob wir bereit sind, uns den schwierigen
Debatten zu stellen, die echte Klimapolitik erfordert.
28 Jul 2025
## LINKS
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## AUTOREN
Maximilian Arnhold
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