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# taz.de -- EU-Mercosur-Abkommen: Klimaschutz ausgehebelt
> Ein Klagerecht im Freihandelsabkommen höhle den Green Deal aus, warnen
> NGOs in einer aktuellen Studie. Die EU-Kommission bereitet Ratifizierung
> vor.
Bild: Rindfleisch ist ein Hauptexportgut aus den Mercosur-Staaten. NGOs trauen …
Berlin taz | Mit der Wiederaufnahme der Verhandlungen zu einem
Freihandelsabkommen mit den Mercosur-Staaten Argentinien, Brasilien,
Paraguay und Uruguay, wollte die EU-Kommission Verpflichtungen zu
Klimaschutz im Text eigentlich stärken. Es war ein Zugeständnis an
Kritiker*innen innerhalb der EU. Dem Text, der schon über 25 Jahre alt
ist, wurden Anhänge hinzugefügt, die ein Bekenntnis zum Pariser
Klimaabkommen beinhalten, außerdem sollte etwa Entwaldung verhindert
werden. Dabei wurde jedoch offenbar in den Nachverhandlungen Ende
vergangenes Jahr eine Hintertür eingebaut, kritisieren Umwelt- und
Menschenrechtsorganisationen in [1][einer Studie von Montag].
Nach Auffassung von Brot für die Welt, Misereor und Powershift räumt
[2][die aktuelle Fassung] den Mercosur-Staaten ein Klagerecht gegen Europas
Gesetze zu Nachhaltigkeit ein, die Teil des Green Deal sind. Der neu
geschaffene Ausgleichsmechanismus sei im zentralen Schiedsgerichtsverfahren
verankert, das die Staaten bei Verletzung des Abkommens nutzen können. Es
gewähre den Staaten ein Recht auf Kompensationen, wenn EU-Gesetze wie die
Entwaldungsverordnung ihre Handelsvorteile einschränken sollten, sagt Armin
Paasch, Misereor-Experte für Handel und Menschenrechte. „Die EU würde sich
beim Klimaschutz dauerhaft Fesseln anlegen.“
„Bei Ausgleichsmaßnahmen in Handelsabkommen geht es meistens darum,
bestimmte Zölle zu senken oder den Marktzugang zu erweitern“, erklärt der
Jurist Markus Krajewski, der schon viele Rechtsgutachten zu Handelsabkommen
verfasst hat. Aus einer rechtspolitischen Betrachtungsweise sei dagegen
nichts einzuwenden. „Wenn man sich das politisch anschaut, kann es aber
natürlich bedeuten, dass diese Regelungen zu Nachhaltigkeit damit auch in
der EU wieder unter Druck geraten können“, sagt Krajewski.
Die Studienautoren fürchten, dass Staaten den Mechanismus nutzen könnten,
um „präventiv Druck“ auszuüben, „um missliebige Gesetzesvorhaben zu
beeinflussen oder zu verhindern“. Außerdem könne eine Kompensation auch
darin bestehen, dass die EU höhere Quoten von Zollbegünstigungen „für
emissionsintensive oder waldgefährdende Güter wie Rindfleisch oder Ethanol“
erlaube, argumentieren sie.
Die entsprechende Passage kam im Zuge der Nachverhandlungen vergangenes
Jahr hinzu. Besonders die Entwaldungsrichtlinie der EU hatte für Unmut bei
den Mercosur-Staaten gesorgt. Die Regelung verbietet den Import von Waren
in die EU, die mit Entwaldung in Zusammenhang stehen. Die südamerikanische
Staatengemeinschaft sah sich damit bevormundet und benachteiligt.
## Finaler Text noch nicht öffentlich
Nach der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten und Befürchtungen von
Zolldrohungen Richtung Europa, ergab sich Ende letzten Jahres ein
politisches Fenster für EU-Kommissarin Ursula von der Leyen, [3][die
Verhandlungen zum Abkommen abzuschließen]. Diesen Abschluss verkündete sie
zusammen mit den Präsidenten der Mercosur-Staaten im Dezember 2024.
Bis Ende Juli wollte die Kommission den finalen Text veröffentlichen. Eine
Kommissionssprecherin wollte den Zeitplan gegenüber der taz jedoch nicht
bestätigen. Danach müssen das Europäische Parlament und die
EU-Mitgliedstaaten zustimmen und das Abkommen ratifizieren. Doch das ist
auch bei EU-Mitgliedstaaten weiterhin umstritten. Nachhaltigkeit ist das
eine, die größere Lobby dürften Landwirte in Frankreich, Polen und
Österreich stellen, die billige Konkurrenz aus Südamerika befürchten – ihre
Regierungen stellen sich weiterhin quer.
Um sie zu besänftigen, wurde ein Fonds für Landwirte in Aussicht gestellt,
sollten ihnen Nachteile durch das Abkommen entstehen. Die Kommission betont
aber, dass sie damit nicht rechne. Denn sie hat bereits [4][Kontingente für
wichtige Güter wie Rindfleisch] in den Text verhandelt, die weniger als
zwei Prozent des gesamten Konsums in Europa über geringere Importzölle
vergünstigen.
Für die Befürworter – dazu zählt auch die Bundesregierung – ist das
Abkommen zentral, um neue Märkte zu erschließen und wichtige Rohstoffe zu
sichern. Profitieren würden vor allem Europas Exportindustrien: Auto- und
Maschinenbau, Pharma und auch die Ernährungsbranche.
## Keine Sanktionen
Für die NGOs liegt genau darin ein grundsätzliches Problem des
Freihandelsabkommens: Es sind diese Industrien, die den Klimawandel
vorantreiben – aus Europa wie auch den Mercosur-Staaten. „Die vereinbarten
Verbote von Exportbeschränkungen und der Abbau von Importzöllen begünstigen
in Südamerika einseitig die Viehzucht, industrielle Zuckerplantagen und
Sojafelder sowie den Bergbau“, sagt Studienautor Thomas Fritz von der
Umweltorganisation Powershift.
„Genau diese Branchen sind in Südamerika hauptverantwortlich für die
Zerstörung von Regenwäldern, Trockensavannen, Vertreibung indigener
Gemeinschaften und Pestizidvergiftungen“. Die NGOs kritisieren auch, dass
Passagen zu Klimaschutz und Menschenrechten im Abkommen nicht sanktioniert
werden können.
„Die Kritik an den EU-Freihandelsabkommen, sie beinhalteten eine
Streitbeilegung ohne Zähne, bleibt bestehen“, sagt auch Krajeweski. Er
findet es dennoch wichtig, dass es diese Bekenntnisse zur Einhaltung von
Verpflichtungen zu Klima, Umwelt und Menschenrechten überhaupt gibt. Die
NGOs fordern die Bundesregierung und das Europäische Parlament auf, den
Vertrag nicht zu unterzeichnen.
22 Jul 2025
## LINKS
[1] https://power-shift.de/wp-content/uploads/2025/07/PowerShift_Handelspolitik…
[2] https://policy.trade.ec.europa.eu/eu-trade-relationships-country-and-region…
[3] /EU-Mercosur-Abkommen/!6055140
[4] /EU-Mercosur-Handelsvertrag/!5939912
## AUTOREN
Leila van Rinsum
## TAGS
Freihandel
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EU
Umweltschutz
Klimaschutzziele
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Soja
Schwerpunkt Klimawandel
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